Terror in Israel:Die Annäherung mit dem Königreich wird gestoppt

Lesezeit: 3 min

Hofften auf einen großen Frieden in Nahost: US-Präsident Joe Biden und der saudi-arabische Thronfolger Mohammed bin Salman im vergangenen Jahr in Jeddah. (Foto: Bandar Algaloud/Reuters)

Israel, Saudi-Arabien und die USA glaubten an ein Friedensabkommen im Nahen Osten. Nun werden die Karten neu gemischt.

Von Bernd Dörries, Kairo

Vor etwas mehr als zwei Wochen stand Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York und sprach von einem "dramatischen Durchbruch", der kurz bevorstehe. Er meinte damals nicht die Terroristen von Hamas, die am Samstagmorgen den Grenzzaun von Gaza nach Israel durchbrachen. Netanjahu redete damals vom großen Frieden, den er sich vorstellte, nicht vom Krieg, den er bekam. Aus seiner Sicht stand ein Friedensabkommen mit Saudi-Arabien kurz bevor, ein Vertrag über die Anerkennung des jüdischen Staates durch die Hüter der heiligen Stätten des Islam.

Der mögliche Deal wurde schon vorab als "Jahrhundertdurchbruch" gefeiert, als "tektonische Verschiebung" und "neues Zeitalter des Friedens". Auch Netanjahu sprach nicht im Konjunktiv: "Ein solcher Frieden wird einen großen Beitrag zur Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts leisten und andere arabische Staaten ermutigen, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren."

Die Initiative ist von den USA ausgegangen

Nur gut zwei Wochen später hat die alte Normalität mit großer Brutalität zurückgeschlagen. Israel befindet sich im Krieg mit den Terroristen der Hamas, die Zivilisten ermordet haben und auf israelisches Gebiet vordrangen. Es ist vom schlimmsten Angriff auf Israel in der Geschichte des Landes die Rede. Vom angeblich in Reichweite stehenden Frieden mit Saudi-Arabien spricht niemand angesichts des Schocks und all der Toten. Das Momentum scheint erst einmal verloren zu sein.

"Jeden Tag kommen wir einer Einigung näher", hatte Saudi-Arabiens Thronfolger und faktischer Herrscher Mohammed bin Salman vor zwei Wochen noch hoffnungsfroh gesagt. Der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jack Sullivan, schwärmte ein paar Tage später, wie ruhig der Nahe Osten doch geworden sei, wie rosig die Aussichten auf Frieden.

SZ PlusNahostkonflikt
:Israel erlebt einen 9/11-Moment - wie konnte es dazu kommen?

Israel wurde von den Angriffen aus Gaza völlig überrumpelt. Die Geheimdienste hatten nicht gewarnt und die hochgerüstete Armee konnte den eingedrungenen Hamas-Kämpfern anfangs kaum etwas entgegensetzen. Auch am Sonntag haben die israelischen Streitkräfte mehrere Gebiete im Land noch nicht unter Kontrolle.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Dabei war die Annäherung schon damals zwar erstaunlich, aber eben vor allem vom Ende her gedacht. Viele Details blieben noch völlig offen. Die Initiative war von den USA ausgegangen, die im Nahen Osten ihren Einfluss nicht an China verlieren wollen; für den nicht sonderlich beliebten US-Präsidenten Joe Biden wäre ein Abkommen eine schöne Nachricht für die Präsidentschaftswahlen 2024. Doch sehr viel ist über das angedachte Abkommen noch nicht bekannt, vieles muss noch verhandelt werden.

Nur zwei Prozent der Saudis sind für eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel

Grundsätzlich soll Saudi-Arabien aber Sicherheitsgarantien der USA bekommen, die das Königreich schützen im Falle eines Angriffes aus Iran. Dazu soll es Technik erhalten zum Aufbau eines zivilen Atomprogramms. Mit Israel könnte Riad zu einer gemeinsamen Allianz gegen Teheran kommen, denkbar wäre sogar ein gemeinsames Frühwarnsystem zur Flugabwehr mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Jordanien und Ägypten. Im Gegenzug hätte Israel wohl zumindest den Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten stoppen und weitere Zugeständnisse an die Palästinenser machen müssen.

Der Krieg hat die Annäherung erst einmal gestoppt. Saudi-Arabien warf Israel in seiner Reaktion auf die Angriffe der Hamas vor, es sei "allein verantwortlich für die andauernde Eskalation aufgrund seiner ständigen Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes, einschließlich seines jüngsten wiederholten Eindringens in die heilige Al-Aksa-Moschee unter dem Schutz der israelischen Polizei". Vom Abkommen ist erst einmal keine Rede mehr. Auch zu normalen Zeiten wäre der Friedensschluss mit Israel ein gewagtes Unterfangen, nach Umfragen sollen nur zwei Prozent der Saudis eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel befürworten.

"Es war schon immer schwierig, den Berg zu erklimmen, und dieser Berg ist jetzt noch viel steiler geworden", sagte Brian Katulis, Vizepräsident für Politik am Middle East Institute in Washington. Nicht viel anders sieht es in Israel und den USA aus.

Die Angriffe sind auch im Sinne Irans

US-Präsident Joe Biden hatte den Thronfolger nach dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi noch als "Paria" bezeichnet, jetzt soll demselben Mann möglicherweise Zugang zu Atomtechnologie gewährt werden - vielen Demokraten im Senat geht das zu schnell. Israels Premier Netanjahu hätte bei einem Abkommen das Problem, dass die Rechtsextremen in seiner Regierung wohl zu keinerlei Zugeständnissen an die Palästinenser bereit wären.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Jetzt ist ohnehin erst einmal die Zeit der Härte gekommen. Die Intensität der israelischen Vergeltungsschläge wird auch die Wahrscheinlichkeit für Frieden in der Region beeinflussen. "Diese Situation hat Saudi-Arabien dazu gebracht, zu seiner traditionellen Rolle zurückzukehren", sagte Aziz Alghashian, ein saudischer Experte für die saudi-israelischen Beziehungen.

Das Königreich hat Israel für den Ausbruch der Gewalt mitverantwortlich gemacht und werde nun vor allem den Eindruck zerstreuen, es wolle die Normalisierung auf Kosten der Unterstützung der Palästinenser bevorzugen. Lange hatte das Königreich die Zwei-Staaten-Lösung für Palästinenser und Israelis zur Bedingung für einen Friedensvertrag gemacht - dem jungen Kronprinzen schienen die eigenen Interessen dann wichtiger zu sein als die der Palästinenser.

"Die Aktionen der Hamas sind eine klare Mahnung an die Saudis, dass die palästinensische Frage nicht nur als ein weiteres Unterthema in den Normalisierungsverhandlungen behandelt werden sollte", sagt Richard LeBaron von der Denkfabrik Atlantic Council. Die Angriffe sind zumindest auch im Sinne Irans, das auch mit einer vorsichtigen Annäherung an Saudi-Arabien begonnen hatte: Botschaften wurden eröffnet, Freundlichkeiten ausgetauscht. Ein Abkommen zwischen den Saudis, Israel und den USA würde Teheran außen vor lassen, sich letztlich gegen Iran richten. Auf dem Palästina-Platz in Teheran trafen sich am Samstag Hunderte Demonstranten, sie feierten und riefen "Tod Israel".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusIsrael und die Palästinenser
:Chronologie eines schier endlosen Konflikts

Seit der Staatsgründung Israels 1948 gab es im Nahen Osten immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen und große Friedenspläne. Die Geschichte des Streits zwischen Israel und den Palästinensern.

Von Robin Hetzel, Camilla Kohrs und Sina-Maria Schweikle

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: