Freihandel:Dämpfer für den Handelspakt

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Selbst ernannter "Anarchokapitalist": Javier Milei während seines Wahlkampfs im Oktober. (Foto: Natacha Pisarenko/AP)

In Argentinien hat der rechts-libertäre Javier Milei die Wahlen gewonnen - und die Angst ist groß, dass das Folgen haben könnte für den EU-Mercosur-Vertrag. Doch die Gefahr droht wohl eher von anderer Seite.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Eigentlich hatte alles danach ausgesehen, als stünde der EU-Mercosur-Handelsvertrag kurz davor, doch noch Realität zu werden. Schon 1999 hatten die Verhandlungen begonnen, geschaffen werden soll eine riesige Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Befürworter sprechen von einem Motor für den Fortschritt und einem Garanten für Wohlstand. Kritiker dagegen warnen vor Folgen für die Umwelt und einer Bedrohung für lokale Märkte.

2019, nach 20 Jahren, konnte eine Einigung erzielt werden, passiert ist aber seitdem: nichts. Das Abkommen liegt auf Eis, mal blockiert die eine Seite, dann die andere. Doch nun, endlich, schien alles zu stimmen: Luiz Inácio Lula da Silva, der Präsident Brasiliens und damit auch das Staatsoberhaupt des größten Mercosur-Staats, will sich nächste Woche mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen. Danach soll es weitergehen nach Berlin, und irgendwann Anfang der Dezember wollte Lula dann die Zustimmung zu der neuen Handelspartnerschaft feierlich verkünden. So war der Plan. Eigentlich.

Brasiliens Präsident Lula ist für Milei ein "Gauner" und "tobsüchtiger Kommunist"

Denn nun, kurz vor der Zielgeraden, ist mal wieder ein Problem aufgetaucht: Javier Milei, frisch gewählter Präsident Argentiniens, ein selbst ernannter "Anarchokapitalist" und libertärer Populist. Er hat versprochen, seine Heimat radikal umzubauen, dazu aber auch das Land außenpolitisch neu aufzustellen: Im Wahlkampf wetterte Milei gegen den Handelspartner China, sprach von "Mördern", weil die Regierung in Peking ihr Volk angeblich umbringe. Schluss sein soll aber auch mit der Kumpelei unter Linken in Lateinamerika, mit Regimen in Kuba oder Venezuela, aber auch mit der Regierung der Arbeiterpartei in Brasilien. Präsident Lula ist für Milei jedenfalls ein "Gauner" und "tobsüchtiger Kommunist". Eine Zusammenarbeit: unvorstellbar, nicht einmal im Mercosur-Bündnis. Das, findet Milei, müsse man ohnehin eliminieren: "Eine mangelhafte Zollunion, die den aufrechten Bürgern in Argentinien schadet", sagt er.

Harte Worte - und nach dem Wahlsieg von Milei am Sonntag herrschte dann auch erst einmal Ratlosigkeit in Berlin und in Brüssel. Agrarminister Cem Özdemir sagte, das Umfeld sei nun "schwieriger" geworden, und in Bezug auf den Vertrag zwischen der EU und den Mercosur-Staaten mahnte er: "Wir müssen uns beeilen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht das ähnlich: Die Verhandlungen müssten "so schnell wie möglich abgeschlossen" werden. Noch vor Javier Mileis Amtsantritt am 10. Dezember, so der Tenor, soll das Abkommen durchgeboxt werden. Endzeitstimmung. Was in mehr als 20 Jahren nicht geklappt hat, will man jetzt in weniger als zwei Wochen schaffen.

Nun ist es aber so, dass Argentiniens zukünftiger Präsident seit seinem Sieg an den Urnen vergangenen Sonntag schon in mehreren Bereichen zurückrudern musste. Bei der Regierung in Peking, die er vor Kurzem noch als "Mörder" beschimpfte, bedankte sich Milei jedenfalls artig für die netten Glückwünsche zum Wahlsieg.

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Und bisher hat der rechts-libertäre Politiker zwar noch nicht um Entschuldigung gebeten in Brasilien für seine Verbalattacken auf Lula, aber zur Amtseinführung dürfe dieser ruhig kommen, erklärte Milei diese Woche: "Immerhin ist das der Präsident von Brasilien". Einem Land, das nicht nur Nachbar ist, sondern auch der mit Abstand wichtigste Handelspartner Argentiniens.

Uruguays Präsident liebäugelt mit einem bilateralen Abkommen mit China

Realpolitik also statt radikaler Rhetorik, und darum ist auch die Frage, wie groß die Gefahr tatsächlich ist, die von Milei für den EU-Mercosur-Vertrag ausgeht. Denn bei allen angeblich ideologischen Bedenken, mit vermeintlichen Kommunisten im Mercosur zusammenzuarbeiten, ist Milei doch gleichzeitig ein Libertärer und für den Freihandel, nicht gegen ihn. Mehr noch: Ein endgültig ratifiziertes Abkommen ließe sich sogar als Erfolg verkaufen, wenn er am 10. Dezember sein Amt antritt.

Gefahr droht dagegen eher aus anderer Richtung: Zum einen sind da linke Parteien und Naturschützer, die Druck machen, und französische Rinderzüchter, die Fleischimporte aus Südamerika fürchten. Dazu kommt auch Frust in Paraguay und Uruguay: Den beiden kleinsten Mercosur-Mitgliedstaaten geht langsam die Geduld aus. Uruguays Präsident Luis Alberto Lacalle Pou liebäugelt jedenfalls schon länger mit einem bilateralen Abkommen mit China, und Paraguays Staatschef Santiago Peña hat angekündigt, die Verhandlungen ganz abbrechen zu wollen, sollte es keine Ergebnisse geben, bis er den Vorsitz der Mercosur-Staaten übernimmt. Termin dafür ist der 6. Dezember - vier Tage also vor dem Amtsantritt von Javier Milei.

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