Freiburg:Jeder Tag ein Veggie-Day

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Bei der Entscheidung für vegetarisches Essen gehe es vor allem darum, Geld zu sparen, rechtfertigt sich die Stadt. (Foto: Jens Kalaene/DPA)

An Freiburgs Grundschulen und Kitas gibt es seit dieser Woche nur noch vegetarisches Essen. Kein Fleischverbot, betont die Stadt. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie politisch ist das Schulessen?

Von Max Ferstl, Stuttgart

Es gibt kaum eine Idee, die dem Ansehen der Grünen bei einem breiten Publikum mehr geschadet hat als der berüchtigte Veggie-Day. 2013 zog die Partei mit dem Vorhaben in den Wahlkampf, dass einmal pro Woche in öffentlichen Kantinen nur vegetarische Gerichte angeboten werden sollten, selbstverständlich im Sinne der Nachhaltigkeit. Nachhaltig war dann allerdings nur der Verdacht, die Grünen wollten die Menschen zwangsvegetarisieren.

Seitdem sind zwei Dinge passiert. Erstens: Die Deutschen essen offenbar freiwillig weniger Fleisch. Zweitens: Der Gedanke, dass Kantinen fleischlos kochen, ist mancherorts keine grüne Utopie mehr, sondern Realität. Zum Beispiel in Freiburg, wo es seit dieser Woche in städtischen Grundschulen und Kitas nur noch vegetarisches Essen gibt. Die Zeiten der Currywurst - vorbei. So hat es die grün-rote Mehrheit im Gemeinderat im vergangenen Herbst beschlossen. Ab jetzt ist jeder Tag ein Veggie-Day.

Kritiker sehen in dem Beschluss den Ausdruck von "Kulturkämpfen"

Die Freiburger Grünen sind begeistert. Stadträtin Vanessa Carboni spricht von einer "Vorreiterrolle", die ihre Stadt bei gesundem und nachhaltigem Essen einnehme. Andere reagierten weniger euphorisch. Eine Stadträtin der Freien Wähler sagte nach der Entscheidung dem SWR, den Kindern werde vorgeschrieben, was sie zu essen hätten. Das von der CDU geführte Landwirtschaftsministerium distanzierte sich öffentlich mit dem Hinweis, zu einer ausgewogenen Ernährung gehöre auch Fleisch. Und in einem Kommentar der Stuttgarter Zeitung war gerade die Interpretation zu lesen, der Freiburger Beschluss sei Ausdruck von "Bevormundung und Gängelei", ja sogar von "Kulturkämpfen".

Und so lautet die Frage: Wie politisch ist das Schulessen?

Die Stadt ist sich der Sensibilität des Themas bewusst. Sie betont in einer Stellungnahme, dass es bei der Entscheidung für das vegetarische Essen vor allem ums Geld gehe. Bisher gab es in den Schulen und Kitas jeweils zwei Menüs: ein vegetarisches und eines mit Fleisch. Doch weil gerade alles teurer wird, sollen die Kosten für das Schulessen nicht noch weiter steigen. Verzichtet man auf Fleisch, fällt die teuerste Komponente weg.

Ein einzelnes Menü bedeute auch weniger Aufwand bei der Verwaltung und bei der Essensausgabe, schreibt die Stadt. Vegetarisch sei "die Schnittmenge verschiedener Ernährungsgewohnheiten". Der Beschluss sei ausdrücklich nicht als Fleischverbot zu verstehen: "Kinder können selbstverständlich weiterhin Wurstbrote mitbringen - auch bei Schulfesten können weiterhin Würstchen gegrillt werden."

Der "Freiburger Weg" - ein Modell fürs ganze Land?

Interessanterweise ging es in Freiburg offenbar nicht so sehr um die Frage, ob Fleisch oder nicht. "Diese Debatte wurde eher außerhalb geführt", sagt Stadträtin Carboni. So ähnlich klingt auch die Stellungnahme des Gesamtelternbeirats, der den Beschluss durchaus kritisch sieht, allerdings nicht wegen der vegetarischen Gerichte. Viel problematischer sei, dass es künftig keine Auswahl mehr gebe. Oder dass der Preis für das Schulessen künftig trotzdem steige, weil unter anderem der Anteil von Bioprodukten im Essen erhöht werden soll. So oder so: Das Thema Fleisch sei "gar nicht Kern des Problems", heißt es.

In Freiburg zeigt sich auf jeden Fall, wie sich eine lokale Debatte entkoppelt und im Land mit größerer Bedeutung aufgeladen wird. Der Freiburger Weg könnte sogar "ein Modell für das ganze Land sein", findet zum Beispiel Ralf Nentwich, ernährungspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Er erwähnt den Auftrag, den öffentliche Kantinen hätten: nämlich ein "Vorbild" zu sein, "was gesundes, saisonales und nachhaltiges Essen angeht". Gerne übrigens auch mit Fleisch, wenn es denn nachhaltig produziert werde. Soll nur niemand sagen, die Grünen würden das Recht auf Fleisch abschaffen.

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Nentwich, selbst bekennender Fleischesser, sagt, dass selbstverständlich "jeder auch in der Schule so viel Wurst und Fleisch essen kann, wie er möchte". Daran ändere eine vegetarische Mahlzeit in der Kantine nichts. Er hätte deshalb auch einen Vorschlag zur Güte: Falls ein Schüler oder eine Schülerin Mangelerscheinungen zeigen sollte, könnte man ja im Sekretariat "ein paar Landjäger deponieren". Für den Notfall.

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