Frankreich und USA:Sie müssen reden

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Macron reist als erster offizieller Staatsgast zu US-Präsident Biden - und kritisiert vorher dessen Gesetz zur Inflationsbekämpfung. Seit dem amerikanischen U-Boot-Deal mit Australien ist das Verhältnis der einst eng Verbündeten angespannt.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Lange hat es gedauert, bis der amerikanische Präsident den ersten ausländischen Gast zum offiziellen Staatsbesuch eingeladen hat. Nun, fast zwei Jahre nach dem Amtsantritt Joe Bidens, wird diese Ehre Emmanuel Macron zuteil, dem Präsidenten von Amerikas oldest ally, wie es in den USA gerne heißt. Wegen Corona waren ausländische Staats- und Regierungschefs bisher lediglich zu Arbeitsbesuchen nach Washington gekommen. "Für Frankreich ist es ein wichtiges Zeichen, dass Macron als erster europäischer Staatschef eingeladen wird", sagt Martin Quencez vom Pariser Büro des German Marshall Fund. Macron ist an diesem Mittwoch nach Washington gereist.

Macrons Besuch fällt in eine Zeit, in der Europa um den richtigen Umgang mit den USA ringt, vor allem um den richtigen Umgang mit dem "Inflation Reduction Act", den der US-Kongress im Sommer beschlossen hat. Das Gesetzespaket sieht viel Geld vor, um Unternehmen beim Klimaschutz zu unterstützen - hauptsächlich aber für diejenigen, die in den USA produzieren. Kritiker warnen vor einer Wettbewerbsverzerrung und befürchten, dass europäische Unternehmen deshalb abwandern könnten. Der "Inflation Reduction Act" habe einen direkten Einfluss auf die europäische Industrie, hieß es vor dem Besuch aus dem Elysée-Palast. Macron werde das Gespräch mit Biden suchen und daraus Schlüsse für die Europäer ziehen. Dass Macrons Besuch konkrete Ergebnisse mit sich bringt, ist unwahrscheinlich - dafür bräuchte es erst einmal eine gemeinsame europäische Position.

Frankreich will den europäischen Markt schließen, Scholz will ihn öffnen

Wenn es nach dem französischen Präsidenten geht, sollte Europa mit einem "Buy European Act" auf das amerikanische Gesetz reagieren. Europa sei zu naiv gewesen, wie die USA müsse man zum Beispiel Subventionen für Elektroautos europäischen Unternehmen zugutekommen lassen, sagte Macron kürzlich in einem Fernsehinterview. "China beschützt seine Industrie, die USA beschützen ihre Industrie, und Europa ist ein offenes Haus." Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire forderte in der vergangenen Woche, Europa müsse seine Interessen verteidigen.

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Im Rest Europas, vor allem in Deutschland, kommen die französischen Pläne nicht so gut an. Statt für mehr Protektionismus warb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der vergangenen Woche für ein Freihandelsabkommen mit den USA. Das sei "allemal besser als ein Überbietungswettbewerb bei Subventionen und Schutzzöllen, wie manche ihn infolge des amerikanischen Inflation Reduction Act auf uns zukommen sehen", sagte er beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. Weder Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprachen sich bei ihren Besuchen in Paris in der vergangenen Woche für einen "Buy European Act" aus, wie ihn Frankreich fordert.

Auch wenn es im wirtschaftspolitischen Bereich Klärungsbedarf gibt, ist man in Paris bemüht zu zeigen, wie sehr man die Einladung aus Washington schätzt. Der Staatsbesuch sei eine seltene und besondere Form der Anerkennung, ließ der Elysée-Palast wissen.

In Paris beklagt man, dass die USA immer noch zu oft unilateral handeln

Noch im vergangenen Jahr war das Verhältnis zwischen beiden Regierungen äußerst angespannt. Auslöser war das Sicherheitsbündnis Aukus, das die USA mit Australien und Großbritannien ausgehandelt hatten. In der Folge kaufte Australien nicht wie vereinbart U-Boote in Frankreich, sondern in den USA. Zwischen den beiden Ländern entspann sich daraufhin eine der heftigsten Auseinandersetzungen seit dem Irakkrieg.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian warf den USA einen "Stoß in den Rücken" vor und beorderte den französischen Botschafter aus Washington zurück nach Paris. Unter verbündeten Staaten ist das die schärfste Art des Protestes. Mittlerweile haben sich die Beziehungen wieder etwas entspannt. Biden räumte ein, dass die Sache mit den U-Booten "ungeschickt" gelaufen sei. US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken reisten zur Besänftigung nach Paris.

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"Die Einladung zum Staatsbesuch ist auch der Versuch, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagt Martin Quencez vom German Marshall Fund. Er sagt aber auch: "Seit dem Ende der Trump-Regierung ist man in der Zusammenarbeit noch nicht so weit gekommen, wie man es aus französischer Sicht gerne wäre." Noch immer herrsche in Frankreich den Eindruck, dass die USA in Sachen Inflation, Klimaschutz, aber auch gegenüber China vor allem unilateral dächten und handelten.

USA hätte gerne mehr Waffen für die Ukrainer aus Frankreich

Ein großes Thema dürfte bei Macrons Besuch auch der Ukraine-Krieg werden. Was die großen Linien angeht, sind sich Macron und Biden weitestgehend einig. Beide befürworten Sanktionen und Waffenlieferungen. Trotzdem kommt es hin und wieder zu Meinungsverschiedenheiten. Als Biden im Frühjahr über den russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte, der Mann dürfe nicht an der Macht bleiben, warnte Macron vor einer "Eskalation durch Worte und Taten". Umgekehrt könnte - nach Ansicht der USA - Frankreich der Ukraine mehr Waffen zur Verfügung stellen als bisher.

Die französische Regierung hält sich bedeckt dazu, wieviel und welche militärische Hilfe sie der Ukraine zukommen lässt. Im Oktober hatte Macron angekündet, zu den bisher gelieferten 18 Caesar-Kanonen sechs zusätzliche in die Ukraine zu schicken. Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft liegt die von Frankreich zugesagte militärische Unterstützung bei etwa 0,3 Milliarden Euro und damit weit unter dem, was zum Beispiel Polen oder Großbritannien liefern.

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