Folgen der US-Kongresswahl:Obama wirbt um seine Gegner

Lesezeit: 4 Min.

"Ich bin wirklich optimistisch." Barack Obama möchte nach dem Verlust der Senatsmehrheit mit den Konservativen kooperieren. Der Top-Republikaner McConnell ist offen für eine Zusammenarbeit. Klingt vielversprechend - doch bei vielen Themen scheinen Kompromisse fast unmöglich.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Der Morgen nach der Entscheidung beginnt für die beiden Gegner mit einem Telefonat. US-Präsident Barack Obama hatte Mitch McConnell, den künftigen Majority Leader (Mehrheitsführer) der Republikaner im Senat, angerufen und über die Kongresswahl gesprochen. Länger, so heißt es später, reden die beiden allerdings darüber, wie und bei welchen Themen sie bis Anfang 2017 zusammenarbeiten könnten.

Als sie am Nachmittag nacheinander vor die Presse treten, scheint es kurz, als hätten sie sich abgesprochen. "Die Bürger haben uns nicht gewählt, damit wir nichts tun", sagt McConnell in seinem Heimatstaat Kentucky. Dann fährt er fort: "Wir sollten damit beginnen, über Dinge zu reden, bei denen wir uns einigen können, um das Land voranzubringen." Im Weißen Haus sagt Obama später, er werde mit McConnell Whiskey trinken und sich von John Boehner, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, beim Golfen besiegen lassen, wenn dadurch Kompromisse erzielt würden. Er lobte, dass die Republikaner von Kooperation sprechen: "Auch ich will, dass wir Dinge erledigen."

Beim Freihandeslabkommen TTIP könnte es nun schneller vorangehen

Keine Formulierung ist an diesem Tag so oft zu hören wie "getting stuff done": Die Politiker in Washington wollen künftig wieder Gesetze beraten und diese beschließen. Dies, so Obama, sei die eigentliche Botschaft der Wähler. Auch wenn der Präsident nicht die Verantwortung für die vielen Pleiten der Demokraten übernehmen will (mehr über Obamas Unbeliebtheit), ruft er den Amerikanern zu: "Alle, die gewählt haben, will ich wissen lassen: Ich habe euch verstanden. An die zwei Drittel der Wähler, die entschieden haben, nicht teilzunehmen: Euch verstehe ich auch."

Als konsensfähige Themen nennen sowohl Obama als auch McConnell eine Reform der unendlich komplizierten Körperschaftssteuer und Fortschritte in der Handelspolitik. Bei den Freihandelsabkommen TTIP (mit Europa) und TPP (mit Mexiko, Australien und asiatischen Staaten) bremsten bisher vor allem die Demokraten im Senat, nun könnte es schneller vorangehen.

Einwanderung bleibt ein Streitthema

Die Grundmelodie der beiden Auftritte ist also ähnlich, doch in den Zwischentönen vertreten Obama und McConnell weiterhin Positionen, die schwer zu vereinbaren sind. Sollte der Präsident die Einwanderungsreform per Erlass und ohne Zustimmung vorantreiben, dann wäre dies das sprichwörtliche "rote Tuch, mit dem man vor dem Stier wedelt", warnt McConnell. Obama bleibt hier felsenfest: Wenn der Kongress in dieser Frage nicht schnell ein Gesetz vorlege, dann werde er handeln: "Ich werde ganz sicher nicht warten."

Die Einwanderungsreform wird ein erster Test: Obama hat viele Latinos durch sein Zögern verärgert, weshalb diese bei den Mid-Terms nicht so zahlreich an die Urnen strömten wie von den Demokraten erhofft. John Boehner und Mitch McConnell, die Chefs der Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat, wissen genau: Sie müssen den Hispanics beweisen, dass ihnen diese stark wachsende Bevölkerungsgruppe nicht egal ist - sonst sinken die Chancen bei der Präsidentschaftswahl. Wenn Obama per executive order vorprescht, freuen sich zwar viele Latinos. Doch der Präsident würde es Boehner und McConnell damit erschweren, ihre Kollegen im Kongress zu disziplinieren und ihnen Zugeständnisse abzutrotzen (mehr Details im Magazin Slate). Gerade im Repräsentantenhaus lehnen Dutzende Republikaner Verbesserungen für die illegalen Einwanderer strikt ab.

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Die beiden Parteien liegen auch bei anderen Themen weit auseinander. Der Demokrat im Weißen Haus will den Mindestlohn ausweiten, die Republikaner wollen die Öl-Pipeline Keystone XL genehmigen und eine unpopuläre Steuer auf medizinische Geräte abschaffen (weitere Hintergründe zur Agenda der konservativen Partei). Das werden zähe Verhandlungen. "An den Grundüberzeugungen und an dem, was mich und meine Mannschaft jeden Tag motiviert, hat sich nichts geändert", verkündet der US-Präsident. Er freue sich auf die Gesetze, welche die Republikaner ihm vorlegen werden - und er wisse, dass ihm nicht alle zusagen werden.

Obama wirkt bei seinem Auftritt ähnlich cool und zurückgenommen wie immer, doch im Laufe der 75 Minuten scheint seine Kampfeslust immer öfter durch. Seine Gesundheitsreform werde er ohne Wenn und Aber verteidigen: Ein Gesetz, das wichtige Grundzüge von Obamacare abschaffe, werde er nicht unterschreiben. Höchstens bei technischen oder legislativen Fragen seien Reformen möglich: "Kein Gesetz ist so perfekt, dass es nicht verbessert werden kann."

Der 72-jährige Mitch McConnell sitzt seit 1985 im Senat und weiß, dass er der Parteibasis und den Aktivisten (mehr über deren Wünsche bei Politico) etwas bieten muss. Also schimpft er über Obamacare und verspricht, sich für Änderungen einzusetzen - auch wenn diese am Veto des Präsidenten scheitern werden. Damit Obama als Blockierer dasteht, werden die Republikaner mit Sicherheit auch versuchen, Gesetze durchzuboxen, die Obama ärgern und wegen seiner Vetomacht von vornherein chancenlos sind.

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Obama: "Ich bin wirklich optimistisch"

Eines schließt Mitch McConnell jedoch aus: Er werde dafür sorgen, dass die US-Behörden während seiner Amtszeit nicht erneut durch einen Haushaltsstreit lahmgelegt werden oder die USA ihre Schulden nicht bedienen können. Die Republikaner wollen zeigen, dass sie verantwortungsvoll handeln und das Vertrauen in die US-Wirtschaft nicht unnötig gefährden.

Das sieht Barack Obama sicher genauso. Er beendet seinen Auftritt mit ungewöhnlich positiven Worten: "Ich bin wirklich optimistisch, was Amerika angeht. Ich weiß, dass die momentane Stimmung eine andere ist. Aber die Tatsachen zeigen: Unsere Wirtschaft ist stärker als jede andere. Unser Defizit sinkt, unsere Firmen schaffen Jobs, immer mehr junge Leute gehen aufs College und die klügsten Köpfe der Welt wollen in Amerika studieren. Kein Land hat bessere Zukunftschancen als die USA."

Mit diesen aufmunternden Worten will Obama sicher nicht nur versuchen, seine verunsicherten Landsleute aufzubauen: Er verteidigt auch die Bilanz seiner bisherigen Präsidentschaft in der Hoffnung, dass die Bürger und die Welt irgendwann wieder besser über ihn urteilen.

Linktipps:

Ein aufschlussreiches Stück über das angespannte Verhältnis zwischen Barack Obama und Mitch McConnell erschien in der New York Times.

Wieso man McConnell "Schildkröte" nennt und welcher Lebenstraum sich für den Republikaner bald erfüllt, steht in diesem Süddeutsche.de-Artikel.

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