Ergebnisse der US-Kongresswahl:Obama muss umdenken

President Obama Attends Rally For The Re-Election Of Connecticut Gov. Malloy

So kämpferisch wird man Barack Obama nach den verlorenen Mid-Terms wohl häufiger erleben. Zumindest in der Außenpolitik.

(Foto: AFP)

Amerika hat gewählt: Die Republikaner kontrollieren Senat und Repräsentantenhaus. Von Präsident Barack Obama sind jetzt Kompromisse gefordert, von den Konservativen endlich richtige Arbeit. Fünf Konsequenzen der Kongresswahl.

Von Matthias Kolb, Washington

Es ist ein großartiger Abend für die Republikaner und eine deutliche Schlappe für Barack Obama und seine Demokraten. Süddeutsche.de ordnet in diesem Überblick ein, was die Ergebnisse der Mid-Terms für die einzelnen Akteure bedeuten.

Republikaner gewinnen - und sind längst nicht am Ziel

Die Grand Old Party (GOP) ist der große Sieger der Kongresswahl: Die Konservativen legen mindestens sieben Sitze im Senat und zehn Sitze im Repräsentantenhaus zu. Dieser Erfolg lässt sich aber eher durch die niedrige Wahlbeteiligung als durch überzeugende Konzepte erklären. Die Republikaner haben noch immer große Probleme, Stimmen von Latinos, Afroamerikanern, unverheirateten Frauen, Asiaten und jungen Wählern zu bekommen. Viele, die 2012 für Obama stimmten, blieben dieses Mal zu Hause - das reichte für die Mehrheit im Senat.

"Unser Markenimage ist beschissen", urteilt der republikanische Senator Rand Paul zwei Tage vor den Mid-Terms. Die Mehrheit der Amerikaner halte die GOP weiter für rückwärtsgewandt und für eine Partei der Reichen, warnen zwei prominente Meinungsforscher der Republikaner. Sie drängen darauf, dass die Republikaner im Kongress dringend zeigen müssen, dass sie nicht nur blockieren können - und dass sie Gesetze voranbringen, die den Alltag der Menschen verbessern. Dies sei unerlässlich, damit einer der ihren 2016 überhaupt eine Chance haben kann, Obamas Nachfolge anzutreten. Die Kontrolle der beiden Kongresskammern ist also nur ein erster, wenn auch eindrucksvoller Schritt auf einem langen Weg.

Obama hat den Demokraten geschadet - und muss nun verhandeln

Einst war er der beste Wahlkämpfer seiner Partei, doch 2014 ist ein Großteil Amerikas seiner überdrüssig und so war er für viele Demokraten eine Last. Gewiss, in der US-Politik gibt es einen "Sechs-Jahre-Fluch" für die Präsidenten, weshalb deren Partei bei den zweiten Mid-Terms meist verliert, doch einige Aussagen Obamas ("meine Gesetze stehen im November zur Wahl") haben nur den Republikanern geholfen. Und egal ob es die Gewalt des IS oder die Reaktion auf die Ebola-Fälle in Amerika war: Der Präsident und seine Regierung wirkten zuletzt alles andere als führungsstark.

Weil die Republikaner nun den Kongress kontrollieren, muss sich Obama umstellen. Er kann versuchen, mit den Konservativen Kompromisse zu schließen (etwa bei Steuerreform, Haushalt oder Infrastruktur) oder deren Gesetzesvorschläge per Veto ablehnen. Hier kommt es darauf an, wie flexibel die Republikaner agieren. Bei Themen wie Klimawandel und Einwanderungsreform kann Obama mit Gesetzeserlassen Politik machen, ohne auf den Kongress angewiesen zu sein. Die verlorene Senatsmehrheit macht es dem ersten schwarzen Präsidenten fast unmöglich, die USA auf einem anderen Feld zu ändern: Bisher wurden die meisten von Obama vorgeschlagenen Richter bestätigt. Unter den Juristen der Bundesgerichte finden sich nun viel mehr Frauen und Nichtweiße.

In den kommenden Tagen wird Obama auch sein Team im Weißen Haus umbauen: Einige Vertraute wie Dan Pfeiffer oder der Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes wollen in die Wirtschaft wechseln und angesichts der neuen Lage braucht der Präsident Mitarbeiter, die mit den Republikanern zusammenarbeiten können. Für viele in seinem jetzigen Beraterkreis sind die Konservativen keine Partner, sondern Feinde.

Demokraten verlieren deutlich - und sind doch im Vorteil

Nach acht Jahren sind die Demokraten im Senat wieder in der Minderheit; und im Repräsentantenhaus ist die Mehrheit in noch weitere Ferne gerückt. Allerdings müssen sich die Demokraten nicht zu sehr grämen: 2016 haben sie gute Chancen, den Senat zurückzuerobern: Dann müssen nämlich die Republikaner 24 der 34 zur Abstimmung stehenden Sitze verteidigen. Zudem wird die Beteiligung in einem Präsidentschaftswahljahr höher liegen, wovon die Demokraten profitieren. Außerdem sprechen die demografischen Veränderungen (mehr Latinos, mehr Städter, weniger Ehen) in den USA für sie.

Die meisten Experten sind sich zudem einig, dass die Republikaner ihren Rückstand in der Wählermobilisierung und beim Einsatz digitaler Technik verringert haben - die Obama-Partei scheint hier aber immer noch versierter. Allerdings ist der Ruf des legendären ground game der Demokraten beschädigt: In Colorado konnten sie nicht genügend Latinos und in Georgia nicht ausreichend Schwarze mobilisieren, um ihren Kandidaten zum Sieg zu bringen.

Die Zeit drängt für Hillary Clinton und andere Präsidentschaftskandidaten

Eine Grundregel der US-Politik lautet: Am Tag nach der Kongresswahl beginnt das Rennen um das Weiße Haus. Bei den Republikanern gibt es ein Dutzend interessierter Politiker - und Rand Paul, Ted Cruz, Jeb Bush, Marco Rubio, Chris Christie, Bobbie Jindal und Co. wissen, dass derjenige die größte Aufmerksamkeit der Medien erhält, der als Erster offiziell seine Kandidatur erklärt.

Dies setzt auch Hillary Clinton, die große Favoritin, unter Druck. Sie muss einerseits überlegen, wieso fast alle Demokraten verloren haben, die sie im Wahlkampf unterstützt hat (etwa Mark Udall in Colorado oder Alison Lundergan Grimes in Kentucky). Und dann steht auch der Zeitplan der Ex-Außenministerin und Ex-First Lady zur Debatte. Sie hatte bislang geplant, sich erst Anfang 2015 zu äußern, doch die deutliche Niederlage der Demokraten könnte sie nun - so eine Spekulation der US-Experten - veranlassen, ihre Entscheidung früher zu verkünden. Und wenn Clinton ins Rennen einsteigt, dann werden amerikanische Medien tagelang (fast) nur über dieses eine Thema sprechen und die Gründe für die verlorene Senatsmehrheit geraten in den Hintergrund.

Die Welt dürfte einen aktiveren US-Präsidenten erleben

Spätestens seit heute Abend ist Barack Obama innenpolitisch eine lame duck, also jene sprichwörtliche "lahme Ente", die in Amerika nicht mehr viel bewegen kann. Traditionell widmen sich US-Präsidenten umso intensiver der Außenpolitik, je näher das Ende ihrer Amtszeit rückt. So war es bei Bill Clinton und auch bei George W. Bush.

Herausforderungen gibt es genug: Die Atom-Verhandlungen mit Iran gehen Ende des Monats zu Ende, im Kampf gegen den IS fehlt es an einer globalen Strategie (hier könnte nach der Wahl vielleicht Einigung mit den Republikanern erzielt werden) und das Verhältnis zu Russlands Wladimir Putin ist zerrüttet. Insofern dürfte Obama häufiger als bisher das Weiße Haus verlassen. Eines scheint aber sicher: An Obamas eher zurückhaltenden, intellektuellen Art (laut Ex-CIA-Chef Leon Panetta agiert er noch immer wie ein Jura-Professor) wird sich wohl nichts ändern.

Linktipps:

  • Den Liveblog von Süddeutsche.de zur Kongresswahl finden Sie hier.
  • Das Obama-Paradox: Warum Barack Obama trotz seiner respektablen Bilanz bei immer mehr Amerikanern unbeliebt ist, beschreibt SZ-Korrespondent Nicolas Richter in diesem Text.
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