Fethullah Gülen:Unterwanderung des türkischen Staates

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Als 2014 gegen einige Minister wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt wurde, bezeichnete Erdoğan dies als Rachefeldzug Gülens. Immer wieder wurde sein Name genannt, wenn er sich und seine Macht bedroht sah. Die Gezi-Proteste vermutete er aus dem Ausland gesteuert. Auch die auflagenstärkste Zeitung des Landes soll von der Gülen-Bewegung gesteuert sein. Erdoğan machte das Blatt Zaman im März mundtot und stellte sie unter staatliche Aufsicht. Seither gilt die Bewegung als geschwächt. Wie viele Anhänger sich noch in den Reihen von Sicherheits- und Justizapparat befinden, ist unklar.

Dass Gülen tatsächlich kontinuierlich den Staat unterwandern möchte, dafür spricht vor allem ein Video aus dem Jahr 1999, in dem der Prediger seine Anhänger dazu aufforderte. "Die Anwesenheit unserer Schüler in der Justizverwaltung und dem übrigen Staatsapparat ist der Garant für unsere Zukunft", hieß es darin. "Ihr müsst, ohne aufzufallen und ohne auf euch aufmerksam zu machen, an die Schaltstellen der Macht gelangen."

Mehrmals verhaftet

Als Gülen noch in der Türkei lebte, wurde er mehrmals verhaftet. In die USA ging er in den 90er Jahren vermutlich aus Angst vor Strafverfolgung. Offiziell wohnt er aufgrund einer Krankheit dort - in einem ländlichen Refugium, das ihm die Stiftung eines nahestehenden Unternehmers errichtet hat. Geographisch ist er also weit weg von der Türkei - und trotzdem tief vernetzt.

Der Konflikt mit Gülen ängstigt den türkischen Präsidenten wohl auch deshalb so sehr, weil es kein Angriff von außen ist. Es ist eine Bedrohung aus dem Innersten des konservativen Lagers. Durch Menschen, die die AKP am besten kennen, weil sie ein Teil von ihr sind oder waren. Nun traut er ihnen sogar einen Putsch zu. Auch wenn es keine Beweise gibt, Erdoğan nutzt die Vorwürfe für Altbekanntes: Er entfernt Gegner und Kritiker aus dem Staatsapparat.

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