FDP vor Koalitionsgipfel:Kubickis liberaler Treueschwur

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Kein Keil zwischen FDP im Bund und in den Ländern: Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Kiel, beharrt auf Steuersenkungen - und geißelt den Profilierungsdrang der CSU.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Kubicki, die Union glaubt offenbar in den FDP-mitregierten Ländern Verbündete gegen die aus ihrer Sicht überzogenen Steuersenkungsphantasien des Bundes-FDP finden zu können. Fühlen Sie sich angesprochen?

Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein. (Foto: Foto: AP)

Wolfgang Kubicki: Die Hoffnung, dass sich Ländervertreter der FDP gegen die Bundespartei auflehnen, hat keinen realen Hintergrund. Die Union nutzt die Steuersenkungsdebatte lediglich, um das hohe Wahlergebnis der FDP in Zukunft wieder zu reduzieren. Nach Auffassung führender Unionsvertreter scheinen wir unverdient die Bundestagswahl gewonnen zu haben.

sueddeutsche.de: Wird es weitere Entlastungen ab 2011 geben oder nicht?

Kubicki: Es waren CDU und FDP, die vor der Wahl gemeinsam und auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass es zu einer Steuerreform kommen muss, die auch einen Entlastungseffekt hat. Vordringlich aber ist eine Veränderung der Steuersystematik.

sueddeutsche.de: Die Union streitet sich gerade darüber, wie konservativ sie eigentlich noch ist. In dem Zusammenhang hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder das Ziel ausgerufen, die vielen, wie er sagt, Leihstimmen an die FDP wieder zurückzuholen. Ist Ihr Wahlsieg also doch nur ein geliehener?

Kubicki: Ich habe die Aussagen von Herrn Kauder mit großem Interesse gelesen. Das ist Denkweise des letzten Jahrhunderts. Ohne unser gutes Ergebnis gäbe es keine schwarz-gelbe Regierung. Das muss die Union begreifen. Wir haben damit der Union geholfen, nicht umgekehrt. Die Menschen haben uns ja nicht nur wegen der Steuerpolitik gewählt, sondern auch, weil sie sich mehr Optimismus, mehr Wirtschaftswachstum wünschen. Ihnen geht mittlerweile die Tristesse der Politik auf die Nerven. Dagegen haben wir uns mit Erfolg gestellt.

sueddeutsche.de: Die FDP bricht gerade in den Umfragen massiv ein. Bei lediglich zehn Prozent sieht das Institut Forsa Ihre Partei. Das ist ein Rückgang der Wählergunst um gut ein Drittel. Was läuft schief?

Kubicki: Es ist normal, dass die Werte nach einem Wahlkampfjahr sinken. Aber die FDP liegt im zweistelligen Bereich. Das war vor einigen Jahren noch ganz anders.

sueddeutsche.de: Gehört die derzeitige Außendarstellung der schwarz-gelben Koalition auch zu dieser Normalisierung?

Kubicki: Dass die Koalition insgesamt so schlecht dasteht, hat etwas mit ihrer Kommunikation auf Bundesebene zu tun. Hier in Schleswig-Holstein läuft die Regierungsarbeit deutlich ruhiger und solider ab. Das kann man auch an den Zustimmungswerten ablesen. Uns ist klar: Wir haben entweder gemeinsam Erfolg oder werden gemeinsam scheitern.

sueddeutsche.de: Die Erkenntnis scheint in Berlin noch nicht angekommen zu sein.

Kubicki: Auf Bundesebene haben wir das Sonderproblem CSU. Die Partei war immer Staatspartei und erlebt jetzt, dass sie in Umfragen die 40-Prozent-Marke erreicht. Sie sieht sich deshalb wohl gezwungen, sich stärker profilieren zu müssen als es gut für die Koalition ist. Aber auch unsere bayerischen Freunde werden irgendwann begreifen müssen, dass ihre eigene politische Überlebensfähigkeit von dem Erfolg der Koalition in Berlin abhängt.

sueddeutsche.de: Holger Zastrow, FDP-Landes- und Fraktionschef in Sachsen, hat kürzlich von einem Führungsvakuum auf Bundesebene gesprochen. Guido Westerwelle sei nur als Außenminister und kaum mehr als Parteichef wahrnehmbar. Der neue FDP-Generalsekretär Christian Lindner scheint noch in der Findungsphase zu sein. Wie sehen Sie das?

Kubicki: Es ist doch völlig natürlich, dass es mit der Regierungsübernahme, in der Ministerien und Parteizentralen neu organisiert werden müssen, eine Übergangsphase gibt. Aber die 100-Tage-Schonfrist gibt es ja offenbar nicht mehr. Der Kollege Lindner ist bedauerlicherweise erst sehr spät als neuer Generalsekretär inthronisiert worden. Das hat ein gewisses Kommunikationsleck hinterlassen. Aber die FDP ist dabei, dieses Leck jetzt sehr schnell zu schließen. Ich bin da zuversichtlich.

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sueddeutsche.de: Könnte der Einbruch bei der Zustimmung für die FDP nicht auch daran liegen, dass die Menschen keine Steuersenkungen um den Preis einer ausufernden Staatsverschuldung wollen?

FDP-Chef Guido Westerwelle neben seinem Generalsekretär Christian Lindner. (Foto: Foto: Reuters)

Kubicki: Wenn sich die Regierungsfraktionen öffentlich über diese Frage streiten, kann es keine klare Orientierung geben.

sueddeutsche.de: Warum schadet die Debatte dann vornehmlich der FDP?

Kubicki: Es gibt mit Sicherheit eine Reihe von Menschen, die enttäuscht sind von der FDP, weil sie nicht stärker dokumentiert, dass Steuersenkungen kein Wert an sich sind. Sie ergeben nur Sinn, wenn wir damit Menschen, die arbeiten, stärker belohnen und wenn damit Wachstum ausgelöst wird.

sueddeutsche.de: Das Gros der Sachverständigen glaubt nicht an die von der FDP prophezeiten Effekte.

Kubicki: Wann, wenn nicht in der Krise, soll man denn Steuern senken? In guten Jahren wäre das konjunkturpolitisch kontraproduktiv. Entscheidender aber als die Frage der Entlastung ist die Strukturveränderung. In unserem Steuersystem kennen sich heute nur noch wenige Fachkundige aus. Das müssen wir ändern.

sueddeutsche.de: Die Systemreform könnte bis zu 20 Milliarden Euro kosten. Machen Sie sich da keine Sorgen um Ihren angespannten Landeshaushalt? Als es um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ging, haben Sie ja noch heftig interveniert.

Kubicki: Ich bin nicht bereit, Steuersenkungen für die Bürger in Frage stellen zu lassen, solange mir niemand erklärt, warum wir 18 Milliarden Euro Steuergeld in die Commerzbank gegeben haben, um sie angeblich systemisch am Leben zu erhalten. Da war das Geld schnell bei der Hand. Wenn es aber um die Menschen in unserem Land geht, kommen plötzlich die großen Bedenkenträger und sagen, es geht nicht.

sueddeutsche.de: Wollen Sie damit sagen, wenn das eine Kind im Brunnen liegt, darf das zweite gleich hinterhergeschmissen werden?

Kubicki: Nein, aber ich will lieber Mittelstand und Menschen entlasten, als die Banken, die uns diese Krise beschert haben.

sueddeutsche.de: Das würde auch für Ihr Land mehr Kredite bedeuten.

Kubicki: Die Schuldenbremse verlangt von uns, die Nettoneuverschuldung bis 2020 auf null zu senken. Das schaffen einige wenige, strukturell sehr finanzschwache Länder wie Schleswig-Holstein nur mit Bundeshilfen. Es ergibt aber keinen Sinn, wenn im Bund beschlossene und von den Ländern zu tragende Steuersenkungen dazu führen, dass wir den Entschuldungspfad verlassen müssen und in der Konsequenz auch noch diese Hilfen verlieren. Wir wären dann doppelt bestraft. Der Bund hat erklärt, dass das nicht passieren wird. Damit sind wir, aber auch Berlin, Bremen, Sachsen-Anhalt und das Saarland, zufrieden.

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