Dreikönigstreffen:Mit Optimismus gegen die Untergangsstimmung

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Baden-Württembergs FDP-Landesvorsitzender Michael Theurer ist Gastgeber des Treffens in Stuttgart. Er tauschte sich auch mit demonstrierenden Landwirten aus. (Foto: IMAGO/Sandy Dinkelacker/IMAGO/Eibner)

Die FDP steht vor einem schwierigen, womöglich existenziellen Jahr. Die Parteispitze um Christian Lindner schwört sie darauf ein, mit Tat- und Überzeugungskraft aus der Krise zu kommen.

Von Paul-Anton Krüger, Stuttgart

Das Empfangskomitee der Bauern für FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sowie Hunderte Liberale beim traditionellen Dreikönigstreffen der Partei in Stuttgart fällt deutlich kleiner und vor allem zivilisierter aus als der Krawall, mit dem sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jüngst am Fähranleger in Schlüttsiel konfrontiert sah. Mit von der Polizei verordnetem Respektabstand, durch den Eckensee getrennt von der Staatsoper, hat der Bauernverband drei Traktoren aufgefahren und Dutzende Mitglieder in orangefarbenen Warnwesten mobilisiert.

"Wir sind gar nicht leise, denn wir finden Eure Politik so sch...", steht an die Ampelregierung gerichtet auf den Plakaten. Eine Stunde vor Beginn der Kundgebung der Freien Demokraten am Samstag kommt Michael Theurer zu den Bauern, als FDP-Landesvorsitzender der Gastgeber in Stuttgart. Die Streichung der Steuervergünstigung für Agrardiesel sei ein Wettbewerbsnachteil in Europa, klagen die Bauern, die schon einen Teilerfolg errungen haben; die Bundesregierung verzichtet auf die geplante Abschaffung der Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer.

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Einem Liberalen mit Wettbewerbsargumenten zu kommen, verspricht vielleicht mehr Erfolg, als nur die Abschaffung von Subventionen zu beklagen. Theurer, zugleich Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministeriums, spricht davon, dass er die große Sorge der Bauern kenne, gerade in Baden-Württemberg, wo kleine Familienbetriebe dominieren. Bei ihnen schlagen Kürzungen direkt durch aufs Einkommen. Große Hoffnung aber, dass die Steuerprivilegien für Agrardiesel erhalten bleiben, macht er nicht.

Und auch Christian Lindner wird später in der Oper die Pläne der Ampelregierung verteidigen: "Gerade eine europäisch und national so hochsubventionierte Branche wird sich nicht jedes Konsolidierungsbeitrags erwehren können." Die Landwirtschaft sei keine Branche wie jede andere, denn sie habe etwas mit der Grundversorgung zu tun. Die Landwirte würden aber von der Senkung der Stromsteuer profitieren und auch von Fördermittel für den tiergerechten Umbau von Ställen. Wer neue Subventionen wolle, "muss auch auf alte verzichten", mahnte er.

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Zugleich richtet er einen Appell an die Bauern, sich "nicht unterwandern und instrumentalisieren" zu lassen. Die "gefährliche Situation", in die Robert Habeck gebracht worden sei, sei "völlig inakzeptabel" gewesen. "Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um", rief Lindner. Friedlicher Protest müsse den Rahmen der demokratischen Ordnung wahren. "Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung - das sind Fälle für den Staatsanwalt."

Die Proteste der Landwirte ordnet der FDP-Chef dann ein in die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. Was die Stimmung im Land drücke, seien die Epochenumbrüche konstatiert er. "Diesen Realitäten kann man nicht entfliehen, man muss sich ihnen stellen", sagt Lindner etwa mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen, den Krieg im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, aber auch die Haushaltslage und die hohen Zinsen.

Führende Liberalen beim Dreikönigstreffen in Stuttgart. (Foto: IMAGO/IMAGO/Political-Moments)

Er habe bisweilen den Eindruck, dass die "Lust am Untergang" um sich greife. Das Gerede von Deutschland als dem kranken Mann Europas, "ich kann es kaum mehr ertragen", ruft er den FDP-Anhängern zu, um dann noch Friedrich Nietzsche zu paraphrasieren: Wer zulange in den Abgrund schaue, in den schaue auch der Abgrund zurück - was sich durchaus auf die Lage Partei beziehen lässt. In Umfragen für die drei Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegen die Liberalen unter der Fünf-Prozent-Hürde - teils deutlich. Auch den Wiedereinzug in den Bundestag müsste die FDP nach derzeitigen Umfragen fürchten. Bei einer Mitgliederbefragung hat sich jüngst nur eine knappe Mehrheit der Teilnehmer dafür ausgesprochen, die Regierungsarbeit in der Ampel fortzuführen.

"Die Lage ist ernst", räumt Lindner ein, und auch dass die Bundesregierung Fehler mache. Es bleibe viel Arbeit. Mit Durchwursteln, "wir schaffen das", oder Unterhaken alleine, werde die Lage sich aber ebenso wenig bessern, wie durch unkritisches Vertrauen darauf, dass der Staat es schon richten werde, stichelt Linder. Gemeint sind die CDU unter Kanzlerin Angela Merkel genauso wie die SPD von Kanzler Olaf Scholz und die Grünen.

Umgekehrt drohe aber auch nicht der Absturz ins Bodenlose, Deutschland sei ein starkes Land, die Wirtschaft habe Substanz. Es gibt "einen dritten Weg zwischen Gesundbeten und Schwarzmalerei: sich den Realitäten stellen und etwas unternehmen", sagt Lindner, und verpflichtet die ganze Partei auf diesen Kurs. Es gebe viele Menschen, die den Missmut satt seien und auf den Aufbruch warteten, es "ist an uns, sie mit liberaler Tatendurstigkeit anzustecken", ruft er. Aufbruch, Veränderung, ein Stimmungsumschwung sei "Aufgabe für jeden von uns".

Den Beitrag, den er mit der FDP in der Bundesregierung dazu leisten will, skizziert er in fünf Punkten: Ein Dynamisierungspaket für Wirtschaft brauche das Land. Wie vom Kabinett in Meseberg beschlossen, müsse Bürokratie abgebaut werden. Alleine das bringe drei Milliarden Euro an Entlastung. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müsse mehr Flexibilität und Tempo möglich werden. Der Arbeitsmarkt müsse flexibler werden; da lobt er sogar SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, der Ukrainer schneller in Beschäftigung bringen und beim Bürgergeld auch auf Sanktionen setzen will.

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Zudem verlangt der FDP-Chef ein "marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz", was bei den Grünen auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte. In Deutschland müsse überdies Kapital für Investitionen in Zukunftstechnologien mobilisiert werden, wie es auch in Frankreich gelinge. Und das von der Union blockierte Wachstumschancengesetz müsse kommen, darüber müsse die Ampel mit CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz verhandeln. Allerdings müsse der erst einmal klären, welche der sich teils widersprechenden Änderungen die Bundestagsfraktion und die Ministerpräsidenten der Union tatsächlich wollten.

Wenn all das gelinge, die Wirtschaft wieder prosperiere, dann gebe es auch wieder Geld für soziale oder ökologische Projekte, sagt Linder an die Koalitionspartner gerichtet. Steuererhöhungen werde es nicht geben, verfassungsrechtliche Risiken für eine neuerliche Aussetzung der Schuldenbremse, wie sie etwa SPD-Fraktionschef Mützenich fordert, werde er nicht eingehen. Zugleich sicherte er den Betroffenen der derzeitigen Hochwasser Solidarität zu.

Die Trendwende will die FDP spätestens mit der Europawahl schaffen. Die designierte Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wird schon bejubelt, als sie die Bühne betritt. Ihr leidenschaftliches Plädoyer für eine weitere Unterstützung der Ukraine beklatschen die Liberalen im Stehen. "2024 darf kein Jahr der Krise werden", hatte zuvor schon Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gefordert, "es muss ein Jahr des Erfolgs werden, wo wir aus Krise herauskommen". Ob das gelingt, wird sich am 9. Juni weisen, wenn Deutschland seine Abgeordneten zum Europaparlament wählt.

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