Sozialpolitik:FDP will Bürgergeld schneller kürzen

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FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht bei einer Pressekonferenz nach der FDP Präsidiumssitzung. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Auch die Rente mit 63 könne sich Deutschland "nicht leisten", sagen die Liberalen. SPD-Generalsekretär Kühnert wirft dem Koalitionspartner das "Fingerspitzengefühl von Investmentbankern" vor.

Kurz vor ihrem Parteitag dringt die FDP auf weitere Verschärfungen für Bürgergeldempfänger. Wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht, sollen Jobverweigerern die Leistungen künftig sofort um 30 Prozent gekürzt werden können. Die bisherigen Regelungen sehen ein Stufenmodell für Kürzungen vor. Zunächst hatte die Bild am Sonntag über das Papier berichtet.

"Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen", zitiert die Nachrichtenagentur dpa aus dem Entwurf. Dieser wurde am Montag im Parteipräsidium beschlossen und soll auf dem Parteitag am Wochenende eingebracht werden. Der "verfassungsrechtliche Spielraum für verschärfte Sanktionen" müsse ausgenutzt werden, "bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen".

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Erst im März waren neue Verschärfungen für Menschen, die die Annahme einer Arbeit nachhaltig verweigern, in Kraft getreten. Seitdem können die Jobcenter Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn diese sich als "Totalverweigerer" herausstellen. Laut Arbeitsagentur ist dieser zweimonatige Wegfall aller Leistungen aber nur bei "wiederholtem" Verweigern einer zumutbaren Arbeit möglich. Die Zahl der tatsächlich Betroffenen dürfte überschaubar bleiben.

SPD-Politiker Kühnert und Klingbeil widersprechen

Das Papier sorgt bereits für Streit in der Ampel-Koalition - die SPD lehnt die Vorschläge strikt ab. Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte den Koalitionspartner im Tagesspiegel: "Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird. Grundlage der Ampel-Koalition ist und bleibt der Koalitionsvertrag."

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte der dpa: "Die Vorschläge der FDP sind ein Überbleibsel aus der Mottenkiste und nicht auf der Höhe der Zeit". Sie hätten mit wirtschaftspolitischer Kompetenz nichts zu tun, "sondern mit weiteren Belastungen für die arbeitende Bevölkerung. Wir werden nichts machen, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schwächt und den sozialen Gedanken des Grundgesetzes aushebelt."

SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte die FDP-Vorschläge als Angriff auf die Leistungsträger im Land. "Es ist richtig, dass wir etwas tun müssen, um die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze hier im Land zu sichern und neue zu schaffen. Dafür tragen wir in der Regierung gemeinsam Verantwortung. Wenn die FDP aber glaubt, dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig", sagte Klingbeil der Bild.

Strack-Zimmermann verteidigt das Papier

FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann verteidigte am Montag auf NDR Info den Reformvorschlag. Es sei ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit, sagte sie. "Wenn wir das nicht machen, werden wir auch nicht die Mittel haben, die wiederum für Sicherheit von großer Relevanz sind", sagte sie. Für die Menschen, die Hilfe benötigten, werde es keine Abstriche geben. Aber das Lohnabstandsgebot müsse gewährleistet sein.

Das FDP-Papier enthält insgesamt zwölf Punkte, mit denen die Partei die "Wirtschaftswende" in Deutschland beschleunigen will. Es geht auch um Bürokratieabbau, steuerliche Vorteile für geleistete Überstunden und um eine Rentenreform. Zudem soll die Bundesregierung mindestens drei Jahre lang darauf verzichten, neue Sozialleistungen zu beschließen. Bei der Berechnung des Bürgergelds solle "strikt die regelsatzbezogene Preisentwicklung berücksichtigt werden". Für 2025 müssten Empfänger daher mit einer "Nullrunde" rechnen.

Laut Papier soll auch die Rente mit 63 abgeschafft werden. Angesichts des Fachkräftemangels könne sich Deutschland den Ruhestand mit 63 "nicht leisten". Für ältere Menschen soll es nach dem Willen der FDP mehr Arbeitsanreize geben. "Wer mit 72 noch arbeiten möchte, soll dies unter attraktiven Bedingungen auch machen können."

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