Familienpolitik unter Schröder:Lob der Widersprüche

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Familienministerin Kristina Schröder mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Die Politiker äußerten sich zu ehe- und familienbezogenen Leistungen (Foto: dpa)

Vom Kindergeld bis zur öffentlichen Betreuung zeigen sich widersprüchliche Effekte: Vier Jahre lang untersuchten große Forschungseinrichtungen und Universitäten das Dickicht familienpolitischer Einzelleistungen. Konsequenzen? Hält Familienministerin Schröder trotzdem nicht für notwendig. Nur im Steuerrecht soll sich wirklich etwas ändern.

Von Michael König, Berlin, und Barbara Galaktionow

Wie kann der Staat Familien unterstützen? Welche Leistungen helfen ihnen, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten? Welche sind in finanzieller Hinsicht sinnvoll? Und wie kann die Politik dazu beitragen, dass es Kindern gutgeht? Zu diesen Fragen veröffentlichte das Bundesfamilienministerium in den vergangenen Monaten mehrere Teilstudien.

Dabei zeigte sich eines deutlich: Das Dickicht der etwa 150 Einzelleistungen für Familien birgt eine Vielzahl von Förderungen, die sich in ihrer Wirkung aufheben. Während durch den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung beispielsweise die Erwerbstätigkeit von Frauen unterstützt wird, führt eine Erhöhung des Kindergeldes hingegen häufig dazu, dass Mütter weniger arbeiten. Einen ähnlichen Effekt erwarten Wissenschaftler auch vom Betreuungsgeld, das zeitgleich mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zum 1. August dieses Jahres eingeführt wird.

Die interessante Frage war daher, welche politischen Schlüsse die unionsgeführte Regierung aus der sogenannten "Gesamtevaluation der ehe- und familienpolitischen Leistungen" ziehen würde. Würde sie sich für eine Vereinfachung des Systems starkmachen? Für eine Streichung einzelner Leistungen oder für eine deutlichere Ausrichtung an konkreten politischen Zielen? Weit gefehlt.

"Die Evaluation hat gezeigt, dass die Familienpolitik der Bundesregierung richtig und erfolgreich war, darauf können wir stolz sein", sagt Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Vorstellung des abschließenden Berichts in Berlin. Dass der ganze Aufwand betrieben und in vier Jahren elf Studien von namhaften Forschungsinstituten und Universitäten erstellt wurden, mündet für den Bundesfinanzminister in dem Ergebnis, dass "solch ein Mittel in der Lage ist, eine Debatte auch zu befrieden". Denn es zeige sich, dass die "Gesamtleistung gar nicht so schlecht" ist.

So sieht es auch die Bundesfamilienministerin: "Mit der Vielfalt der monetären Leistungen ist die deutsche Familienpolitik auf dem richtigen Weg", sagt Kristina Schröder (CDU). "Wahlfreiheit" sei von entscheidender Bedeutung. Familienpolitik dürfe nicht so anmaßend sein, Familien eine bestimmte Lebensweise vorgeben zu wollen. Im Wesentlichen zieht sie folgende Schlüsse für die künftige Ausrichtung der Familienpolitik.

  • Die Vielzahl unterschiedlich ausgerichteter Fördermaßnahmen soll erhalten bleiben: "Ehe- und familienbezogene Leistungen begleiten die Familien zuverlässig", sagt Schröder. Besonders wichtig seien das Kindergeld, die Subventionierung von Kinderbetreuung und das Elterngeld. Andere Leistungen würden seltener in Anspruch genommen, zum Beispiel der Kinderzuschlag - aber wenn, dann hätten sie große Wirkung. "Das Kindergeld ist die verlässlichste Leistung, ihre Effizienz wurde bestätigt", sagt Schröder - eine seltsam einseitige Schlussfolgerung, hatte eine Studie doch gezeigt, dass eine Erhöhung des Kindergeld die wirtschaftliche Lage von Familien kaum verbessert.
  • Die Liste der Leistungen soll überarbeitet und besser strukturiert werden. Damit soll klarer gemacht werden, welcher Teil des Gesamtvolumens von etwa 200 Milliarden Euro, die jährlich an Familien gingen, verfassungsrechtlich geboten und welcher Teil für die politische Gestaltung verfügbar sei. Tatsächlich seien dies nur etwa 55 Milliarden Euro. Außerdem sollen "Reibungsverluste" durch "Feinjustierung" behoben werden.
  • Kinder sollen bei der Besteuerung von Familien stärker berücksichtigt werden: Die Union wolle das bestehende System von Ehegattensplitting, Kindergeld und Freibeträgen zu einem "faktischen Familiensplitting" weiterentwickeln, sagt Schröder. Das kommt nicht unerwartet, ist die Forderung doch schon Bestandteil des Wahlprogramms von CDU und CSU. Doch die Familienministerin nennt Details: Kinder wie Erwachsene sollten künftig den gleichen Grundfreibetrag bei der Steuer erhalten. Zugleich solle das Kindergeld angehoben werden - damit würden die Familien besser gestellt, die nicht von einer Freibetragsanhebung profitierten, sagt Schröder.
  • Der Ausbau der Kinderbetreuung soll weiter forciert werden: Er sei neben dem Elterngeld sicherlich die "größte familienpolitische Neuerung" der vergangenen Jahre, sagt Schröder. Doch ihr geht es nicht nur um die Zahl der Plätze. Auch die Qualität der Betreuung müsse erhöht werden, fordert die Ministerin.
  • Rechte arbeitender Eltern sollen gestärkt werden: Wie zuvor Kanzlerin Angela Merkel spricht sich auch Schröder für einen Rechtsanspruch aus, der die Rückkehr von einer Teilzeitstelle auf eine Vollzeitstelle garantiert.
  • Neues Angebot für alle: Besonders punkten will das Familienministerium mit einem "Netzdialog über Familienleistungen". Bürger können im Netz über Thesen abstimmen, die aus der Evaluation abgeleitet wurden, darüber diskutieren oder die Studien lesen. "Das ist transparentes Regierungshandeln einer völlig neuen Qualität. Es ist ein Experiment, aber ich halte das für absolut richtig und notwendig", lobt Schröder ihre eigene Arbeit.
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