Bundessozialgericht:Ein falscher Arzt und der Ärger der Kasse

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Ein falscher Arzt hat jahrelang in einem Krankenhaus operiert, und zwar erfolgreich. Es kamen keine Klagen. Nun wehrt sich aber eine Krankenkasse, der Klinik die Arbeit des falschen Chirurgen zu vergüten. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Jahrelang hat ein Mann in einem Krankenhaus operiert, obwohl er das gar nicht hätte dürfen. Nun wehrt sich die Krankenkasse bei der Kostenübernahme. Der Vorwurf: Körperverletzung.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Arztberuf genießt hohes Ansehen, vielleicht ist es das, was Hochstapler daran attraktiv finden. In den 80er- und 90er-Jahren hatte Gert Postel, gelernter Postzusteller, eine ansehnliche Medizinerkarriere hingelegt, die zuletzt doch im Gefängnis endete. Vor ein paar Jahren machte Denny H. von sich reden, falscher Schiffsarzt auf der Aida. Er flog auf, als er sich einen Doktortitel in seinen Arztausweis eintragen lassen wollte sowie den zweiten Vornamen "Cato".

Der falsche Arzt von Düren scheint nicht so recht in diese Reihe zu passen. So jedenfalls hat er es 2016 vor Gericht erzählt. Der Vater sei ein erfolgreicher Arzt gewesen, der Onkel ebenfalls, da sei der Druck groß gewesen. Also studierte er Medizin und stand bereits vor dem Staatsexamen, als er merkte, dass zwei Scheine fehlen. Da entschloss er sich zur großen Lüge seines Lebens.

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Wobei: Immerhin blieb er bescheiden, er schrieb sich nur ein "gut" ins falsche Zeugnis. Fertigte dann aber doch noch eine Promotionsurkunde sowie ein Papier für den "Facharzt für Viszeralchirurgie". Er erhielt die Approbation, bekam einen Job beim Krankenhaus Düren und durfte operieren, sechs Jahre lang: Leistenbruch, Portimplantation, Entfernung der Schilddrüse, auch eine "Laparoskopische Ileozökalresektion" ist verzeichnet, da muss man unter die Bauchdecke. Beanstandungen gab es nicht, die Operationen seien lediglich "formal verboten" gewesen, wiegelte später sogar die Richterin ab. Die ihn aber doch wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilte.

An diesem Dienstag, sechs Jahre später, hat der Fall ein juristisches Nachspiel vor dem Bundessozialgericht. Eine Krankenkasse hat das Krankenhaus in Düren auf die Rückzahlung von gut 30 000 Euro für zehn Behandlungen verklagt. Denn im Sozialgesetzbuch stehe nun mal, eine ärztliche Behandlung werde von Ärzten erbracht. Nur sie würden vergütet, nicht hingegen Operationen durch einen Nichtarzt, so sorgfältig und tadelfrei sie auch ausgeführt sein mögen.

Schilddrüse fehlerfrei entfernt - kein Problem?

Was also zählt? Dass die Papiere in Ordnung sind? Oder dass der medizinische Eingriff einwandfrei verlaufen ist? Das Sozialgericht Aachen fand, das Krankenhaus treffe keine Schuld an der erschlichenen Approbation. Und letztlich sei doch kein messbarer Schaden entstanden. Schilddrüse fehlerfrei entfernt, Bauchdecke korrekt geschlossen - also kein Problem?

Das Landessozialgericht NRW, die zweite Instanz, war da ganz anderer Meinung. Der Mann im weißen Kittel habe "keine ärztlichen Handlungen, sondern Körperverletzung begangen", heißt es schmallippig im Urteil. Denn wer operiert, der benötigt zwingend die Einwilligung des Patienten - die unwirksam ist, wenn sich der Operateur als Nichtarzt erweist. Außerdem habe das Krankenhaus den Mann doch selbst auf eine halbe Million Euro verklagt; am Ende einigte man sich auf 45 000 Euro.

Als angehender Mediziner hatte der Mann damals übrigens die fehlenden Scheine für unwichtig gehalten. Vermutlich weil er glaubte, es komme nur aufs Fachwissen an. Rückblickend betrachtet hätte er wenigstens einen der Scheine dringend nötig gehabt - im Fach Ethik.

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