Migration:Faeser will Grenzkontrollen verstärken

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Ein Bild aus dem Herbst 2021: In Frankfurt an der Oder kontrolliert die Bundespolizei temporär an der Grenze zu Polen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Bundesinnenministerin bereitet zusätzliche Polizeieinsätze an Übergängen nach Polen und Tschechien vor. Eine langfristige stationäre Präsenz wie in Bayern würde sie gern vermeiden.

Von Constanze von Bullion und Josef Kelnberger, Berlin

Bei den Verhandlungen über den Schutz der EU-Außengrenzen steht der Bundesregierung in Brüssel eine Kraftprobe bevor. Gleichzeitig treibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihr Vorhaben voran, an der Grenze zu Tschechien und Polen effektiver gegen Schleuserkriminalität vorzugehen. "Wir bereiten erst mal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen", sagte die SPD-Politikerin. "Und wir müssen schauen, was das dann bringt."

Angesichts wachsender Skrupellosigkeit von Schlepperorganisationen will Faeser die Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien ausbauen. Stationäre Kontrollen gibt es bisher nur an der Grenze zwischen Bayern und Österreich. Bis vor Kurzem lehnte die SPD-Ministerin es strikt ab, dieses Modell auch auf den Osten Deutschlands zu übertragen. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält wenig von stationären Kontrollen. Sie seien sehr personalaufwendig und würden von Schleppern oft systematisch umfahren, hieß es dort.

Weil die Zahl der Asylbewerber aber stetig steigt, plant Faeser nun Polizeieinsätze direkt an Grenzübergängen zu Polen und Tschechien - zusätzlich zur schon bestehenden Schleierfahndung, also mobilen und verdachtsunabhängigen Personenkontrollen im grenznahen Raum. Geplant seien allerdings keine Schlagbäume oder feste Grenzhäuschen, sondern punktuelle Einsätze, die flexibel je nach Lage erfolgen, bei Bedarf auch mit massivem Polizeieinsatz. Die Maßnahmen seien nur "temporär", hieß es am Dienstag im Bundesinnenministerium. Es sei ein anderes Modell geplant als an der Grenze zu Österreich. Dort wurden die Kontrollen bei der EU-Kommission angemeldet. Das plant Faeser zunächst nicht. Geflüchtete hätten auch weiter die Möglichkeit, Asylanträge zu stellen und gehört zu werden, betonte die Ministerin.

Faeser hat bereits Gespräche mit der tschechischen Regierung aufgenommen. Die Resonanz sei dort durchaus positiv, hieß es in Berlin. Auch Tschechiens Innenminister Vít Rakušan zeigte sich entschlossen. "Deutsche Polizisten sollen das Recht erhalten, gemeinsam mit tschechischen Polizisten die Migrationssituation bereits auf der tschechischen Seite der Grenze zu überwachen", sagte er dem Nachrichtenportal Seznamzpravy.cz. Dies erfolge auf der Grundlage des bereits bestehenden deutsch-tschechischen Polizeivertrags. Geplant seien aber auch "mehrere markante Aktionen" gegen Schleuser. Faeser habe signalisiert, dass Deutschland auf stationäre Grenzkontrollen verzichten könne, falls die geplanten Aktionen Wirkung zeigten.

Die deutsche Innenministerin warnte allerdings auch vor überhöhten Erwartungen. Eine wirksame Lösung sei letztlich nur auf europäischer Ebene möglich, "nämlich eine Grenzkontrolle an der Außengrenze, nicht über Binnengrenzen", sagte Faeser. An diesem Donnerstag stehen ihr schwierige Verhandlungen in Brüssel bevor. Dort treffen sich die Innenministerinnen und Innenminister der EU, um über die große europäische Asylrechtsreform zu sprechen, die bis zur Europawahl 2024 verabschiedet werden soll.

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) soll mehr Ordnung in die Asylverfahren bringen und dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber schneller abgeschoben werden können. Die Verhandlungen über das gesamte Gesetzespaket liegen allerdings auf Eis, weil die deutsche Regierung eine Einigung über die sogenannte Krisenverordnung blockiert, den letzten Baustein der Reform. Grund ist das Veto der deutschen Grünen.

Sie befürchten, dass mit der Krisenverordnung die humanitären Standards in Asylverfahren erheblich abgesenkt werden. Denn die Verordnung sieht vor, dass in Krisensituationen der Zeitraum verlängert werden kann, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte sich der Kreis der Menschen vergrößern, für die ein strengeres, abgekürztes Grenzverfahren infrage kommt. Die deutschen Grünen lehnen dies ab, die Rechte von Geflüchteten dürften nicht weiter beschnitten werden. Zuletzt erklärte Außenministerin Annalena Baerbock außerdem, die Krisenverordnung könne Staaten wie Italien und Griechenland dazu verleiten, noch mehr Geflüchtete unregistriert Richtung Deutschland ziehen zu lassen. In Brüsseler EU-Kreisen sorgt die Aussage für Unmut. Verärgert zeigt sich aber auch der Koalitionspartner in Berlin. Christian Dürr, FDP-Fraktionschef im Bundestag, forderte die Grünen am Dienstag noch einmal auf, einer Einigung nicht im Weg zu stehen. Ein deutsches Veto sei "ein historisch falsches Signal".

Eine neuerliche Abstimmung über die Krisenverordnung ist bei der Sitzung am Donnerstag in Brüssel bislang nicht vorgesehen. Anzeichen dafür, dass die deutsche Regierung einlenken könnte, gab es bis Dienstag nicht.

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