Energiepolitik:Wie die EU die hohen Strompreise senken kann

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Windpark vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern: Hier wird Strom produziert, der auch im Süden gebraucht wird. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Kommissionschefin von der Leyen kündigt ein Notfallprogramm für billigere Elektrizität an. Spanien und Portugal sind bereits vorgeprescht, doch ihr Ansatz hat schwere Nachteile.

Von Björn Finke, Brüssel

Erst eine Tagung im slowenischen Bled, danach eine abendliche Diskussionsrunde in Berlin und nun ein Energiepolitikgipfel der Ostsee-Anrainerstaaten im dänischen Kopenhagen: Ursula von der Leyen ist am Montag und Dienstag viel herumgereist - und bei ihren Auftritten verbreitete die Kommissionspräsidentin die Botschaft, dass Brüssel bald etwas gegen die hohen Strompreise tun werde. In Berlin sagte sie, die EU brauche "ein Notfallinstrument, das schneller greift. Da sprechen wir von Wochen". Daneben müsse die Europäische Union "eine tiefgreifende, strukturelle Reform des Strommarktes machen. Das wird Beginn des nächsten Jahres sein".

Die Kommission wird wohl schon in den nächsten Tagen einen Vorschlag präsentieren, wie ein Notfallinstrument die hohen Strompreise senken könnte. Die sind zusammen mit der Gasnotierung über Monate rasant gestiegen. Kommende Woche Freitag treffen sich die EU-Energieminister und könnten das Konzept grundsätzlich billigen. Danach müssten die Details ausgearbeitet werden. Allerdings ist es auch möglich, dass sich die Debatten zwischen den EU-Regierungen über den Plan hinziehen werden und es nicht mit der einen Ministerkonferenz getan ist. Schließlich ist Energiepolitik Kompetenz der Mitgliedstaaten und nicht der EU-Kommission, und die nationalen Energiemixe und Interessenslagen sind verschieden.

Bislang hat die Kommission den Regierungen daher immer nur Empfehlungen an die Hand gegeben, wie sie auf die hohen Strompreise reagieren sollten. Würde die Behörde jetzt im Notfallinstrument verbindliche Vorgaben machen, wäre das eine weitere Machtverlagerung von der nationalen auf die EU-Ebene - und entsprechend umstritten. Das Vorpreschen von der Leyens spiegelt aber wider, wie sich das Stimmungsbild unter den 27 Staats- und Regierungschefs gewandelt hat. Noch im März sprach sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) gegen Markteingriffe aus, nun fordert auch die Bundesregierung Reformen. Viele andere Regierungen plädieren schon seit langem für Eingriffe.

Der Anstieg der Stromnotierungen liegt daran, dass sich an Europas Energiebörsen der Preis an den Kosten des teuersten Kraftwerks orientiert, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird. Dieser Mechanismus ist nichts Ungewöhnliches auf Märkten, führt allerdings im Moment dazu, dass der Strom- mit dem Gaspreis klettert, denn die Anlagen mit den höchsten Kosten sind die Gaskraftwerke. Zugleich beschert dieser Börsenpreis günstigen Öko-, Atom- und Kohlestromanbietern riesige Gewinne.

Spanien subventioniert nun französische Verbraucher

Die Regierungen von Spanien und Portugal haben die Verbindung zwischen Strom- und Gaspreis aufgebrochen, indem sie Gaskraftwerken einen Teil der Einkaufskosten für den Rohstoff erstatten. Dies senkt den Strompreis, den die Betreiber benötigen, um profitabel zu sein. Der Ansatz ist aber teuer für den Steuerzahler. Zudem sind die Strommärkte der EU-Staaten miteinander verbunden, so dass subventionierte Elektrizität ins Ausland abfließen kann.

Die Kommission muss derartige Subventionen genehmigen und prüfen, ob der EU-Binnenmarkt zu sehr verzerrt wird. Spanien und Portugal erhielten das Placet, weil es von der iberischen Halbinsel kaum Stromleitungen in den Rest der EU gibt. Dies mindert die Nebenwirkungen. Trotzdem sind die Stromimporte Frankreichs aus Spanien rasant gestiegen, Madrid subventioniert also auch Verbraucher im Nachbarland. Einem Staat in der Mitte Europas wie der Bundesrepublik würde Brüssel diese Beihilfen wohl kaum erlauben. Solche Probleme würden vermieden mit einer EU-weiten Notfalllösung, wie sie von der Leyen angekündigt hat.

"Sorgfalt vor Schnelligkeit", warnt ein Abgeordneter

Dass die Kommission vorschlagen wird, in der ganzen EU Gaskraftwerke massiv zu subventionieren, ist jedoch unwahrscheinlich. In Berlin ließ von der Leyen eher Sympathie für den Ansatz erkennen, die hohen Gewinne von Öko-, Kohle- und Atomstromanbietern abzuschöpfen und damit gezielt armen Haushalten und der Industrie zu helfen.

Im EU-Parlament gibt es viel Unterstützung für Strommarkt-Reformen. Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen sagte, die Vorschläge müssten "nun schnellstmöglich auf den Tisch". Jens Geier von der SPD betonte, es sei wichtig, dass "die Eingriffe zielgerichtet und finanzierbar sind". Der CSU-Parlamentarier Markus Ferber mahnte aber vor überstürztem Handeln: "Es gilt: Sorgfalt vor Schnelligkeit."

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