EU und Israel:Beste Absichten, großes Chaos

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Klare Aussage: Am Sonntag ließ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine israelische Flagge auf die Fassade ihres Bürogebäudes projizieren. (Foto: Johanna Geron/AFP)

Bei kaum einem Konflikt auf der Welt sind die Europäer so gespalten wie bei dem zwischen Israel und den Palästinensern. Und so gibt es auch in der Frage, ob die Hilfszahlungen der EU für die Palästinenser nun gestoppt werden, ein großes Hin und Her.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Es ist nie leicht, in der EU die Regierungen der 27 Mitgliedsländer, die Präsidentin der Kommission, ihre diversen Kommissarinnen und Kommissare, den Außenbeauftragten und den Präsidenten des Europäischen Rates unter einen Hut zu bekommen. Aber das Chaos, das in Brüssel am Montag tobte, war eine Kategorie für sich.

Das lag am Thema: Bei kaum einem Konflikt auf der Welt sind die Europäer so darüber gespalten, was sie tun sollen, wer im Recht ist und wer im Unrecht, wie bei dem zwischen Israel und den Palästinensern. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis nach dem ersten Entsetzen über den Angriff der Hamas auf Israel wieder die alten Deutungsmuster griffen und die Union in ein proisraelisches und propalästinensisches Lager zerfiel.

Schon am Sonntag wurden erste Nuancen offensichtlich: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in ihren Erklärungen auf der Plattform X (vormals Twitter), dass Europa an Israels Seite stehe. "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen", schrieb sie. Punkt, Ende, keine Einschränkungen.

Geld der EU bekommt unter anderem die Autonomiebehörde im Westjordanland

Ratspräsident Charles Michel ließ dagegen erklären, dass er das Selbstverteidigungsrecht Israels zwar anerkenne. Er sei sich aber mit dem palästinensischen Regierungschef Mohammad Schtajjeh bei einem Telefonat einig gewesen, dass es "keine weitere Eskalation" der Gewalt geben dürfe. Wie das beides angesichts der israelischen Vorbereitungen für einen massiven militärischen Gegenschlag zusammenpassen sollte, erklärte Michel nicht.

Am Montag stritten sich die Europäer dann auf offener Bühne über die beträchtlichen Hilfsgelder, die die EU jedes Jahr für humanitäre Zwecke und Entwicklungsprojekte in den Palästinensergebieten ausgibt. 2022 belief sich diese Unterstützung nach EU-Angaben auf knapp 300 Millionen Euro. Mit dem Geld wird unter anderem die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah finanziert, dazu Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur, vor allem im Westjordanland.

Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi, der für dieses Geld verantwortlich ist, eröffnete den Schlagabtausch bei X. Die EU, so verkündete er, werde sofort alle Zahlungen an die Palästinenser stoppen und alle Projekte überprüfen. Diese Entscheidung wurde inhaltlich von Kommissionschefin von der Leyen mitgetragen. Aber Várhelyi veröffentlichte sie eigenmächtig und zu früh - vor dem für Dienstag geplanten Sondertreffen der EU-Außenminister, die unter anderem über genau diese Frage beraten sollten.

Várhelyi handelte sich deswegen umgehend Widerspruch ein: Zum einen protestierte sein slowenischer Kollege Janez Lenarčič, der in der EU-Kommission für Nothilfe zuständig ist. Geld für humanitäre Zwecke dürfe nicht zurückgehalten werden, teilte dieser pikiert mit.

Ein Sündenbock für das Theater ist gefunden

Zum anderen reagierten etliche EU-Länder empört. Frankreich, Irland, Luxemburg und Spanien, die zum propalästinensischen Lager gehören, bezweifelten, dass es sinnvoll ist, der palästinensischen Zivilbevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten die Unterstützung zu entziehen, um die Hamas zu bestrafen, die nur in Gaza herrscht. Zudem läge es in der Kompetenz der 27 EU-Regierungen, einen eventuellen Zahlungsstopp zu beschließen.

In einer Presseerklärung der Kommission am Montagnachmittag war dann von einem Aussetzen der Zahlungen keine Rede mehr. Stattdessen solle zunächst eingehend geprüft werden, was mit dem EU-Geld in den Palästinensergebieten passiere, hieß es. Und: Da derzeit ohnehin keine Überweisungen anstünden, müssten auch keine ausgesetzt werden. Allerdings wurde diese Linie kurze Zeit später vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell konterkariert. Er teilte mit, dass die Prüfung der EU-Kommission die "fälligen Zahlungen" nicht beeinträchtigen werde. Die palästinensische Zivilbevölkerung leiden zu lassen, helfe nur den Terroristen.

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Als sei der Wirrwarr nicht groß genug, twitterte am Montagabend auch noch Ratspräsident Michel: "Wir dürfen die humanitäre und Entwicklungshilfe für zivile Palästinenser nicht abschneiden", verkündete er kategorisch. Kein Wort davon, dass die EU nachschauen sollte, ob ihr Geld vor Ort tatsächlich nur in löbliche Projekte fließt.

Am Dienstag behauptete dann der gleiche EU-Sprecher, der keine 24 Stunden zuvor die erste Aussage von Várhelyi zur Sperrung der EU-Gelder als "in der Substanz" richtig bestätigt hatte, dass der Ungar sich mit niemandem abgesprochen habe - de facto also eine Art Geisterfahrer sei. Damit war ein Sündenbock für das Theater benannt. Borrell verkündete nach dem Gespräch mit den Außenministerinnen und -ministern erleichtert, dass Europas Hilfszahlungen an die Palästinenserregierung im Westjordanland weitergingen, Überprüfung hin oder her.

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