EU:Von der Leyen tritt wohl wieder an

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Die Uneinigkeiten mit EVP-Chef Manfred Weber sind offenbar beiseitegeschoben: Ursula von der Leyen bei einem Auftritt am Donnerstag. (Foto: Tom Little/Reuters)

Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin bereitet sich darauf vor, als Spitzenkandidatin der EVP ins Rennen um eine zweite Amtszeit zu gehen. Ihre konservativen Kritiker aus der eigenen Partei hat sie besänftigt.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Monatelang wurde in Brüssel darüber spekuliert, mit welchem Spitzenpersonal die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch die deutschen Unionsparteien angehören, in die Europawahl Anfang Juni 2024 gehen wird. In den vergangenen Tagen ist das Bild deutlich klarer geworden: Die CDU-Politikerin und amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich aller Voraussicht nach für eine zweite fünfjährige Amtszeit bewerben und als Spitzenkandidatin der EVP antreten. Allerdings wird sie nicht, wie manche Beobachter erwartet hatten, zugleich in ihrem Heimatbundesland Niedersachsen für einen Sitz im Europaparlament kandidieren. Die dortige CDU-Landesliste wird stattdessen von dem ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und heutigen EU-Parlamentarier David McAllister angeführt werden.

Aus von der Leyens Sicht ist das eine sinnvolle Aufteilung. Zum einen spart sie sich einen zeitraubenden Wahlkampf in Niedersachsen. Zum anderen müsste sie den gewonnenen Sitz im Europaparlament ohnehin wieder abgeben, wenn sie Kommissionspräsidentin bleiben wollte. Wichtiger ist für sie die EVP-Spitzenkandidatur: Das EU-Parlament hat ein Mitspracherecht dabei, wer dieses Amt bekommt. Von der Leyen braucht die Unterstützung anderer Fraktionen, vor allem der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Und die meisten Abgeordneten wollen nur einen Bewerber oder eine Bewerberin bestätigen, der oder die sich zuvor in der Europawahl auch dem Votum der Wähler gestellt hat.

Vor dem Europaparlament betont sie jetzt die Wirtschaftspolitik

Dass die EVP, die von dem CSU-Politiker Manfred Weber geführt wird, von der Leyen als Spitzenkandidatin aufstellen wird, wird in Brüssel inzwischen allenfalls noch von unbedeutenden Hinterbänklern infrage gestellt. Alle persönlichen und politischen Differenzen, die es zwischen den beiden gegeben haben mag, scheinen beigelegt - oder doch zumindest so weit beiseitegeschoben, dass ein geeinter Wahlkampf möglich ist. So scheint Weber seine Enttäuschung darüber verdrängt zu haben, dass seine Unionskollegin 2019 Kommissionspräsidentin geworden ist, obwohl er der Spitzenkandidat der EVP war und die Europawahl mit der Partei damals gewonnen hatte.

Für die politische Geschlossenheit war die sogenannte Rede zur Lage der EU entscheidend, die von der Leyen am Mittwoch vor dem Europaparlament gehalten hat. Sie hatte darin zwar ihre sehr ehrgeizige Klimaschutzpolitik der letzten Jahre verteidigt. Diese war vielen EVP-Leuten deutlich zu links und grün und hatte für so viel Unmut unter den Konservativen geführt, dass von der Leyens Spitzenkandidatur zeitweise zu wackeln schien.

In ihrer Rede korrigierte von der Leyen ihren Kurs nun aber: Künftig, so versprach sie, werde es darum gehen, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken, die Bürger und Unternehmen nicht mit Klimaschutzkosten zu überfrachten und die Landwirte - eine EVP-Kernklientel - nicht zu sehr zu belasten. "Zum ersten Mal in ihrer Amtszeit hält von der Leyen jetzt die Flagge der Europäischen Volkspartei hoch", sagt ein EVP-Vertreter. "Sie sagt jetzt: Wirtschaft zuerst!"

Die Bekanntgabe kommt wohl "keine Minute früher als unbedingt nötig"

Dieser Kurswechsel war mit Weber mit Blick auf die Kandidatur eng abgestimmt. In den kommenden Wochen wird von der Leyen bei zwei weiteren wichtigen EVP-Veranstaltungen auftreten - einem Landwirtschaftskongress in Brüssel und einem Treffen der Parteispitzen im kroatischen Split. Dieses gilt intern als eine Art inoffizieller Nominierungsparteitag.

Bis von der Leyen ihre Kandidatur selbst öffentlich erklärt, kann es noch einige Zeit dauern. Denn sobald sie es tut, ist sie in Brüssel nicht mehr nur Kommissionspräsidentin, sondern auch EVP-Parteipolitikerin - zuweilen ein schwieriger Spagat, der die politische Effektivität mindert. Aus von der Leyens Umgebung heißt es daher, sie werde ihre Kandidatur "keine Minute früher als unbedingt nötig" bekannt geben - frühestens Ende diesen Jahres, vielleicht auch erst Anfang 2024.

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