Europäische Union:Einigung auf Frauenschutzgesetz

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Er hält die EU-weite Einführung des Prinzips "Nur Ja heißt Ja" rechtlich für nicht machbar: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Kompromiss bringt eine Vereinheitlichung des Strafrechts und besseren Schutz von Frauen. Frauenrechtlerinnen kritisieren, dass die Zustimmungslösung bei Vergewaltigung fehlt.

Von Jan Diesteldorf und Finn Walter, Brüssel/Berlin

Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments einigten sich am Dienstagabend auf eine gemeinsame Fassung der neuen Richtlinie zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Es ist das erste europaweite Gesetz in diesem Deliktsbereich, mit dem die Regelungen zur Strafbarkeit in allen 27 Mitgliedstaaten einheitlich geregelt werden sollen. Künftig stehen damit unter anderem digitales Stalking, Zwangsehen, weibliche Genitalverstümmelung und das Versenden intimer Bilder ohne Einverständnis in der gesamten EU unter Strafe.

Das Gesetz drohte zu scheitern, weil Deutschland und andere EU-Länder mit einer Blockade drohten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begründete dies mit Bedenken bei der Vereinbarkeit mit dem Europarecht. Er störte sich am ursprünglich geplanten Prinzip "Nur Ja heißt Ja", nach dem jeglicher Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung als Vergewaltigung definiert worden wäre. Laut Buschmann biete das Europarecht für eine solche Regelung keine Grundlage. Die EU könne zwar für besonders schwere Vergehen Mindeststrafen vorschreiben, was aber nicht die Vergewaltigung erfasse. Das deckt sich mit der Auffassung des juristischen Dienstes des Rats. Dessen Pendants in der Kommission und im EU-Parlament sahen das anders. Im Zuge des nun ausgehandelten Kompromisses wird dieser Teil des Gesetzes ausgeklammert.

Eine Chance wurde verpasst, das finden viele

Der Druck auf Buschmann, nicht das gesamte Gesetz zum Scheitern zu bringen, war nach einem offenen Brief von mehr als 100 Frauen in der vergangenen Woche gestiegen. In dem Brief fordern die Unterzeichnerinnen aus Politik, Wirtschaft und Kultur den Justizminister auf, seine Blockade aufzugeben.

Sie muss nun für die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland sorgen: Frauen- und Familienministerin Lisa Paus (Grüne). (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Die Erstunterzeichnerin Düzen Tekkal zeigt sich enttäuscht vom Kompromiss. "Dass man in manchen EU-Ländern noch immer erst dann juristisch gegen diese Gewalt vorgeht, wenn das Opfer einer Handlung aktiv mit einem Nein widersprochen hat oder sogar erst, wenn physische Gewalt im Spiel war, ist nicht hinnehmbar", sagt sie. Sie fordert eine EU-weite Regelung nach dem Grundsatz "Ja heißt Ja". Die Initiatorin des Briefes, Kristina Lunz, sprach gegenüber der Nachrichtenagentur epd gar von einem "Skandal". "In mehr als zehn Staaten müssen Frauen noch immer beweisen, dass sie sich körperlich gewehrt haben, wenn sie nach einer Vergewaltigung vor Gericht gehen."

Das Strafrecht wird verschärft, der Zugang zur Justiz vereinfacht

Etwas versöhnlicher gibt sich die CSU-Politikerin Dorothee Bär. Aber auch sie sieht eine vertane Chance. Die Einigung zum Kampf gegen Gewalt an Frauen auf europäischer Ebene sei zwar grundsätzlich begrüßenswert, "dennoch ist es sehr schade, dass es nicht möglich gewesen ist, sich auf EU-weite Standards zu Vergewaltigungen zu einigen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge betont, dass das Gesetz erstmals die Verfolgung von digitaler Gewalt reguliere. Sie sieht aber verpasste Chancen beim Schutz vor Vergewaltigungen und beim Sorge- und Umgangsrecht. "Wir werden daher bei der nationalen Umsetzung darauf achten, dass uns dies in Deutschland nicht passieren wird", sagte sie.

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Ein klarer Auftrag an Frauenministern Lisa Paus (Grüne) - sie muss die EU-Richtlinie in nationales Recht überführen. Am Mittwoch sprach die Ministerin laut Nachrichtenagenturen von einem "Meilenstein für Frauen in Europa". Der Entwurf sieht neben einer Verschärfung des Strafrechts auch einen einfacheren Zugang zur Justiz und besseren Opferschutz vor.

Das deutsche Strafrecht arbeitet bei Vergewaltigungen mit einer sogenannten Widerspruchslösung. Geschlechtsverkehr wird also dann als Vergewaltigung betrachtet, wenn eine der beteiligten Personen verbal oder auf andere Weise klarmacht, dass sie nicht einstimmt. Der EU-Entwurf hätte eine Zustimmungslösung vorgesehen. Vor dem Sex müssten alle Beteiligten einwilligen, nach dem Grundsatz: "Nur Ja heißt Ja."

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