EU-China:Stark überschattet

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Chinas Premierminister Li Keqiang und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Videokonferenz am Freitag: Es ging unter anderem um den Ukraine-Krieg. (Foto: Olivier Matthys/dpa)

Zwischen Peking und den Europäern steht es schon länger nicht zum Besten. Der gemeinsame Gipfel zeigt: Der Krieg gegen die Ukraine vergrößert die Distanz weiter.

Von Björn Finke, Brüssel

Ursula von der Leyen spricht nach der Videokonferenz von "einem sehr offenen und aufrichtigen Austausch". Das dürfte wohl bedeuten, dass beim 23. EU-China-Gipfel am Freitag ordentlich gestritten wurde - über den Krieg in der Ukraine und andere heikle Punkte. Neben der Kommissionspräsidentin vertrat Ratspräsident Charles Michel und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die Europäische Union. Am Morgen redete das Trio fast zwei Stunden mit Premierminister Li Keqiang, am Nachmittag mit Staats- und Parteichef Xi Jinping.

Der Termin war schon seit längerem geplant; die Spitzen der EU und der chinesischen Regierung sollten sich über Themen wie Menschenrechte und Handelsbeziehungen austauschen. Doch nun wurde die Videokonferenz vom Überfall auf die Ukraine überschattet - und der Tatsache, dass Chinas Regierung weiter enge, freundschaftliche Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin pflegen will. Ratspräsident Michel sagte hinterher, China dürfe "nicht wegschauen, wenn Russland internationales Recht bricht". Von der Leyen sekundierte, dass das mächtige China hier "eine ganz besondere Verantwortung" habe.

Wie schwierig die Debatte war, zeigt sich auch daran, dass es anders als sonst bei solchen Gipfeln üblich keine Abschlusserklärung gab und keine neuen gemeinsamen Projekte verkündet wurden. "Es ist nicht business as usual, weil es ein Gipfel zu Kriegszeiten ist", sagte Michel dazu. Die Europäische Union wollte die Konferenz nutzen, um Peking nachdrücklich aufzufordern, sich für ein Ende des Krieges einzusetzen anstatt die Freundschaft mit Putin zu zelebrieren. Zugleich sollten Li und Xi die unmissverständliche Botschaft mitnehmen, dass es ihrem Land schaden würde, sollten sie Sanktionen gegen Russland unterlaufen oder Moskau gar militärisch helfen.

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Mehr als 40 Länder hätten sich den Wirtschaftsstrafen inzwischen angeschlossen, sagte von der Leyen: "Wir haben es sehr klar gemacht, dass China die Sanktionen zumindest nicht stören sollte, wenn es sie schon nicht unterstützt." Kein europäischer Bürger hätte Verständnis dafür, China drohe in so einem Fall "ein großer Rufschaden".

Staats- und Parteichef Xi soll die EU-Vertreter nach Angaben des Außenministeriums gemahnt haben, sich ihre China-Politik nicht von den USA vorgeben zu lassen: Seine Regierung hoffe, dass die europäische Seite " eine unabhängige Wahrnehmung von China hat und eine unabhängige Politik gegenüber China verfolgt". Zum Thema Ukraine sagte Premier Li nach Angaben des Ministeriums, dass China "auf seine eigene Weise" Friedensgespräche fördere. Sein Land arbeite mit der EU und der Welt zusammen und wolle "eine konstruktive Rolle spielen". Außenamtssprecher Zhao Lijian hatte allerdings zuvor klargemacht, dass sich China in dem Konflikt nicht gegen Russland stellen wolle: "Niemand sollte andere zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden", sagte er. "Eine Mentalität des Kalten Krieges und der Konfrontation der Blöcke sollte abgelehnt werden."

Erst am Mittwoch hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi besucht; die beiden bekräftigten ihre guten Beziehungen. Bei Kommentaren zum Ukraine-Krieg übernehmen chinesische Regierungsvertreter und Staatsmedien zudem gerne die russische Lesart, dass die USA und Nato letztlich die Hauptverantwortlichen für die sogenannte Militäroperation Moskaus seien. Hinter der Nähe zu Russland steht das gemeinsame Interesse, den Einfluss der USA und westlicher Demokratien zurückzudrängen. Doch immerhin wiederholte Peking in den Stellungnahmen nach der Videokonferenz nicht diese pro-russische Rhetorik.

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Die Beziehungen zwischen der EU und China waren schon vor dem Überfall auf die Ukraine so schlecht wie nie. So verhängte Peking vor einem Jahr Sanktionen gegen Europaabgeordnete, weil Brüssel zuvor solche Strafen gegen chinesische Funktionäre ausgesprochen hatte, die am Völkermord an der Minderheit der Uiguren beteiligt sein sollen. Dies wiederum führte dazu, dass das fertig verhandelte Investitionsabkommen zwischen der EU und China im Moment auf Eis liegt. Zudem startete China Ende 2021 ein inoffizielles Handelsembargo gegen Litauen, weil die dortige Regierung nach Meinung Pekings die in der EU üblichen Grundsätze der Taiwan-Politik verletzt hat.

Von der Leyen sagte, China müsse seinen "ungerechtfertigten" Handelsstopp aufheben, genau wie die Sanktionen gegen Europaabgeordnete. Die Deutsche und Michel versicherten auch, sie hätten die Menschenrechtsverletzungen des Regimes gegenüber den Uiguren oder in Tibet und der Inneren Mongolei angesprochen.

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