Ukraine und Omikron:Rückschläge für China

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Da scheinen selbst die Maskottchen erschrocken zu sein: Ein Arbeiter in einem Schutzanzug sprüht Desinfektionsmittel vor einem Hotel bei den Olympischen Winterspielen in Peking. (Foto: Natacha Pisarenko/dpa)

Das Land schien zuletzt viel richtig zu machen auf dem Weg zu weltweiter Dominanz. Doch nun leidet es durch den Ukraine-Krieg und das Omikron-Virus.

Kommentar von Christoph Giesen

Es fallen Bomben in der Ukraine, Millionen sind auf der Flucht vor den russischen Truppen, und was macht der chinesische Außenminister? Er empfängt seinen Amtskollegen aus Moskau und tönt: Die chinesisch-russischen Beziehungen hätten seit Jahresbeginn "neue Prüfungen bestanden" und bewegten sich "in die richtige Richtung", sagt Chinas Chefdiplomat Wang Yi. Wie bloß soll man künftig mit diesem China umgehen, das einen Angriffskrieg als Schritt in die "richtige Richtung" deutet, das aber auch das Schlüsselland für die deutsche Industrie ist?

Drei Jahre ist es her, da traf sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem "Gedankenaustausch über die gesamten Beziehungen zu China". Die Analyse damals ist genauso richtig wie heute: Die EU und China sind zu Rivalen geworden. Chinesische Firmen drängen nach Europa, kaufen sich ein, gefördert von ihrem Staat. Peking schickt sich an, sein Modell in die Welt zu tragen. Da ist die neue Seidenstraße, das Lieblingsprojekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Das Infrastrukturprogramm sichert vor allem chinesischen Unternehmen Milliardenaufträge und treibt ganze Länder erst in die finanzielle, dann in die politische Abhängigkeit Pekings. Auch eigene Strukturen schaffte China: in Europa den Mechanismus "16 + 1". Elf EU-Mitglieder nehmen daran teil, genauso wie fünf Balkanstaaten. Das siebzehnte Mitglied ist die Volksrepublik selbst. Einmal im Jahr wurde ein pompöser Gipfel ausgerichtet, und Peking versprach billige Kredite - für Infrastrukturprojekte.

Die chinesische Führung hat sehr genau verstanden, wie die EU funktioniert und wie man die Europäer auseinanderdividiert. Statt in Brüssel vorzusprechen, wenden sich Pekings Emissäre direkt an einzelne Mitgliedsstaaten, es wird gelockt in Budapest oder Athen. Und wer nicht spurt, muss sich auf frostige Beziehungen einrichten, wie etwa Litauen, das der Regierung in Taiwan gestattete, auf das Türschild der Vertretung in Vilnius "Taiwan" statt "Taipeh" zu schreiben.

Die Regierung wird zum Opfer ihrer Null-Covid-Strategie

Eines der meistzitierten chinesischen Sprichwörter lautet: "Töte das Huhn, um den Affen zu erschrecken." Der Schlüssel im Umgang mit China liegt in der Russland-Politik. Die Einigkeit der Europäer in den vergangenen Wochen hat im chinesischen Apparat nachhaltig Eindruck hinterlassen. Die Grundannahme in Peking war: Der Westen ist dekadent, die Tage sind gezählt. Doch jene als handlungsunfähig abgestempelten Europäer beschließen auf einmal, die russische Zentralbank zu sanktionieren. Ein Großteil der Devisenreserven sind nun eingefroren aufgrund eines einzigen Dekrets. Da kommt man auch in Peking schon mal ins Grübeln, ob es sinnvoll ist, mehr als 1000 Milliarden Dollar in amerikanischen Staatsanleihen geparkt zu haben.

Zumal der Überfall der Ukraine die chinesische Führung zu keinem ungünstigerem Zeitpunkt hätte erwischen können. Noch wenige Tage nach Kriegsausbruch verkündete Chinas Ministerpräsident Li Keqiang beim alljährlichen Volkskongress Anfang März das Wachstumsziel für 2022. Die Ansage aus Peking lautet: 5,5 Prozent. Selbst ohne Krieg und Corona wäre das eine sehr gewagte Vorgabe. Nun aber ist Shanghai, die größte und reichste Stadt der Volksrepublik, im Lockdown, die Straßen der Metropole sind leergefegt, wie einst in Wuhan. Und auch im Norden des Landes bereitet sich Omikron aus. Werke stehen still, Häfen machen dicht. Handelsketten drohen zu reißen.

Die chinesische Führung ist gefangen in ihrer eigenen Null-Covid-Strategie. Zwei Jahre lang verkündete der Apparat: China, das ist das einzige Land der Welt, das dieses heimtückische Virus unter Kontrolle hat. Während in Europa und in den Vereinigten Staaten gehustet, gefiebert und gestorben wird, geht das Leben in China weiter wie bisher. Und jetzt? Lässt die Regierung dem Virus freien Lauf, werden Millionen Chinesen erkranken, die womöglich nur unzureichend geschützt sind, weil die Behörden in Peking bislang keine mRNA-Impfstoffe zugelassen haben und die heimischen Vakzine gegen Omikron wenig ausrichten. Die stets unfehlbare Kommunistische Partei hat vielleicht schon bald ein akutes Erklärungsproblem. Und die Europäer eine Antwort.

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