Erika Steinbach:"Das ist Erpressung"

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SPD und Grüne sind sauer über die Vorschläge des Vertriebenenverbandes. Sie befürchten, der BdV wolle sich den Verzicht Steinbachs teuer von der Bundesregierung bezahlen lassen.

Thorsten Denkler, Berlin

Es soll wohl ein Versuch sein, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Erika Steinbach, die umstrittene Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), hat nach Lage der Dinge keine Chance auf einen Sitz im Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Eine entsprechende Forderung würde am Veto der FDP scheitern.

Erika Steinbach (Foto: Foto: dpa)

Jetzt scheint sie erstmals bereit zu sein, freiwillig zu verzichten. Doch will sie sich den Verzicht offenbar teuer bezahlen lassen. Laut einer an diesem Dienstag veröffentlichen Erklärung will Steinbach im Gegenzug mehr Sitze für den BdV im Stiftungsrat. Das Stiftungsgesetz soll so geändert werden, dass Personalvorschläge der Verbände künftig nicht mehr von der Bundesregierung abgesegnet werden müssen und die Stiftung eigenständiger agieren kann. Bisher ist sie als Anhängsel des Deutschen Historischen Museums konzipiert.

Die Opposition reagiert empört auf die Vorschläge. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte, das Kompromissangebot sei lediglich ein "Täuschungsmanöver". Steinbach fordere "nicht weniger als eine komplette Änderung eines beschlossenen Gesetzes."

Die stellvertretende Fraktionschefin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelica Schwall-Düren, sagte zu sueddeutsche.de, die Vorschläge des BdV seien "völlig inakzeptabel". "Das hat die Qualität einer Erpressung", wenn Steinbach verlange, dass ihretwegen ein Gesetz geändert werden müsse. Ziel des BdV sei es offenbar, den Bund aus der Stiftung herauszudrängen und den Einfluss des BdV zu stärken. Steinbach lasse offenbar alte Gedankenspiele wieder aufleben, wonach die Stiftung eine Einrichtung des BdV werden soll.

"Ein selbstbewusster Bundestag darf sich das nicht gefallen lassen"

Als unverständlich empfindet Schwall-Düren erste Reaktionen aus Kanzleramt und Außenministerium, wonach die Bundesregierung die Vorschläge wohlwollend prüfen werde. Das hatten sowohl Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) als auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) übereinstimmend erklärt.

Schwall-Düren forderte die Bundesregierung auf, Steinbach die Aufnahme in den Stiftungsrat zu verwehren. "Die elegantere Lösung wäre aber, wenn Steinbach von sich aus bedingungslos verzichtet", sagte Schwall-Düren.

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich, mahnte an, "ein selbstbewusster Bundestag dürfe sich Derartiges nicht gefallen lassen". Der Bundestag habe das Gesetz nach langen Beratungen beschlossen und die Stiftung mit Geld ausgestattet. "Das war ein guter Kompromiss, in dessen Mittelpunkt die Versöhnung stand", sagte Mützenich sueddeutsche.de. Angesichts des andauernden Streites über die Causa Steinbach könne "von Versöhnung mittlerweile nicht mehr gesprochen werden". Mützenich forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich "endlich öffentlich zu äußern".

Grünen-Parteichefin Claudia Roth erklärte, Steinbach würde die Bundesregierung "als Geisel nehmen". Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, lehnt die neuen Vorschläge ab. Für eine Änderung des Stiftungsgesetzes gebe es "keinen guten Grund", sagte Beck. Worin die "von Frau Steinbach beschworene Vernunft in ihrem Vorschlag besteht, bleibt ihr Geheimnis". Die geltende Regelung, wonach letztlich das Bundeskabinett über die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrates entscheidet, sei angesichts der außenpolitischen Bedeutung der Stiftung dringend notwendig. Der Fall Steinbach zeige, das dies auch richtig sei, "um Schaden von unseren auswärtigen Beziehungen abzuwenden".

Zusätzliche Sitze für den BdV im Stiftungsrat ergäben "keinen Sinn", sagte Beck. Schon heute habe der BdV die höchste Zahl an Stiftungsratsmitgliedern. Der Bundestag sei sogar nur mit zwei Sitzen vertreten.

Lob erhielt Steinbach vom FDP-Außenexperten Rainer Stinner. Es sei ein "bemerkenswerter und anerkennenswerter Schritt von Frau Steinbach, auf einen persönlichen Sitz im Stiftungsrat zu verzichten", sagte er zu sueddeutsche.de.

Zu den einzelnen Punkten des BdV-Vorschlages wollte er sich nicht äußern, um, wie er sagte, den Verhandlungen nicht vorzugreifen. Der Vorschlag "muss im Detail in aller Ruhe geprüft werden, ob er mit dem Geist dessen, was wir gemeinsam wollen, vereinbar ist", sagte Stinner. Es werde jedoch über den ein oder anderen Punkt "sicher ganz energische Verhandlungen geben", sagte Stinner.

Er wollte nicht ausschließen, dass am Ende der Verhandlungen mit dem BdV auch eine Gesetzesänderung stehen könne. Ihm komme es dabei auf eine "langfristig tragfähigen Lösung an." Es müsse auch ausgeschlossen werden, dass Steinbach über Umwege doch noch in den Stiftungsrat komme, falls künftig der BdV seine Stiftungsratsmitglieder ohne Zustimmung des Bundes bestellen könne.

Linkenpolitikerin Petra Pau bezeichnete die gesamte Idee der Vertreibungs-Stiftung als "Spiel mit dem Feuer, das keine Gewinner kennt."

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