Energiepreise:Koalitionsausschuss berät am Samstag über Entlastungspaket

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Der Verbrauch, hier von Strom, ist der wichtigste Bestandteil der Abrechnung. Auch den zu prüfen, lohnt sich. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Regierung will nach langem Ringen endlich Fakten schaffen. Nach den Oppositionsparteien AfD und Linke kündigt auch Verdi Demonstrationen an, falls die Regierung die Bürger nicht genug entlastet.

Der Koalitionsausschuss kommt am Samstagmorgen zu Beratungen über neue Maßnahmen angesichts der hohen Energiepreise zusammen. Dem Koalitionsausschuss gehören Vertreter von SPD, Grünen und FDP aus Partei, Fraktion und Bundesregierung an.

Der Sozialverband Deutschland (SOVD) nennt die Entscheidung über ein drittes Entlastungspaket mehr als überfällig. "Denn die Menschen brauchen endlich Gewissheit darüber, dass sie den Winter gut überstehen können, ohne Angst zu haben in kalten Wohnungen und vor leeren Kühlschränken zu sitzen", sagt die Bundesvorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Der SOVD fordert eine Heizkostenkomponente beim Wohngeld, den Verzicht auf Gas- und Stromsperren, eine Energiepreispauschale auch für Rentner und Studierende, sowie ein Inflationsgeld für alle.

Entlastungspaket
:Wildern im roten Revier

Ob Bäcker, Familien oder Studierende: Die Grünen wollen Menschen mit wenig Geld bei den Energiekosten stärker entlasten. Klingt sehr nach SPD. Die drängt auf schnelle Detailklärung, was wiederum der FDP Druck macht. Die bewegt sich - teilweise.

Von Constanze von Bullion und Henrike Roßbach

Die Gewerkschaft Verdi droht mit deutschlandweiten Protesten, falls die Bürger nicht ausreichend entlastet werden. "Um die finanziellen Härten durch die Energiepreis-Explosion auszugleichen, muss der Staat noch einmal 20 bis 30 Milliarden Euro in diesem Jahr zusätzlich in die Hand nehmen", sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Augsburger Allgemeinen. Verdi bereite mit anderen Gewerkschaften und Sozialverbänden auch Demonstrationen im Laufe des Herbstes vor. "Die werden dann notwendig, wenn die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend entlastet."

Auch Linke und AfD haben angekündigt, Proteste zu organisieren. Sollte es im Winter zusätzlich zu den rapide gestiegenen Preisen für Gas und Strom tatsächlich zu einem Energiemangel kommen, sehen manche deshalb gesellschaftliche Verwerfungen auf Deutschland zukommen. Auslöser der Preissteigerungen war zwar der Überfall Russlands auf die Ukraine - der Rückhalt für die Ukraine könne aber bröckeln, wird befürchtet, und auch der für die deutsche Regierung. Die Koalition will sich deshalb mit Entlastungen dagegen stemmen.

Die Regierung ist sich nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz "einig, etwas für diejenigen tun zu wollen, die wenig Geld verdienen". "Wir wollen das Wohngeld so reformieren, dass mehr Leute davon profitieren, und Hartz IV werden wir zu Beginn des kommenden Jahres durch das neue Bürgergeld ersetzen", bekräftigte er in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. "Und wir werden etwas für Rentnerinnen, Rentner und Studierende tun und für viele die Steuern senken."

Die Grüne Jugend fordert einen Energiepreisdeckel, eine Übergewinnsteuer, Direktzahlungen und eine Weiterführung des Neun-Euro-Tickets. "Die Ampel muss einen echten Rettungsschirm für die Menschen schaffen, denn die Zeit drängt", sagt die Co-Chefin der Grünen-Nachwuchsorganisation, Sarah-Lee Heinrich. Die Bundesregierung müsse Taten folgen lassen und Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Sparkurs aufgeben, verlangt Heinrich. "Die Aussetzung der Schuldenbremse 2023 ist notwendig."

16 Prozent mehr Steuern im ersten Halbjahr

Die Schuldenbremse setzt der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen. Nach Einschätzung führender Steuerschätzer kann die Koalition das dritte Entlastungspaket vor allem mit zusätzlichen Steuereinnahmen finanzieren. Der Bund habe von Januar bis Juli 16 Prozent mehr Steuern als im Vorjahr eingenommen und liege damit um sechs Prozentpunkte höher als bisher erwartet, sagte Nils Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft der Düsseldorfer Rheinischen Post. Allein bei der Umsatzsteuer seien im ersten Halbjahr 29 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr eingenommen worden. Allerdings lasse sich die gute Entwicklung im zweiten Halbjahr nicht einfach fortschreiben. Für die Steuerschätzerin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Kristina van Deuverden, deutet sich an, dass viele Unternehmen ihre Gewinnerwartungen wegen Corona zu weit nach unten korrigiert hatten und nun Steuern nachzahlen. Ihr Kollege Max Lay vom Münchner Ifo-Institut weist darauf hin, dass im ersten Halbjahr wegen auslaufender Corona-Hilfen die Staatsausgaben nicht so stark gestiegen sind, woraus sich Spielraum ergeben könne.

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