Energiepolitik:Warten auf das Klimageld

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Die Preise für Benzin und andere fossile Brennstoffe werden wegen der CO₂-Steuer in den kommenden Jahren weiter steigen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bundesregierung und Opposition sind sich einig, dass die Bürger wegen der immer weiter steigenden CO₂-Abgaben eine staatliche Kompensation erhalten sollen. Warum wird sie bisher nicht ausgezahlt?

Von Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt, Berlin

Wie desolat die Lage für die Bundesregierung mittlerweile ist, zeigte sich diese Woche daran, dass die Ampelpartner mittlerweile auch für den vermeintlichen Bruch von Versprechen beschimpft werden, die sie so nie abgegeben haben. Die Rede ist vom Klimageld, jener staatlichen Kompensationszahlung, die die Bürgerinnen und Bürger als Ausgleich für die seit Jahren steigende CO₂-Steuer auf fossile Brennstoffe eines Tages erhalten sollen. Zwar hatten sich Politiker aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP seit dem Amtsantritt der Ampel immer wieder einmal für die Einführung einer solchen Pauschalerstattung noch in der laufenden Legislaturperiode ausgesprochen. Eine entsprechende verbindliche Zusage gab es aber nie, auch nicht im Koalitionsvertrag: Dort heißt es mit Blick auf die Jahre nach 2026 lediglich, man wolle einen "Kompensationsmechanismus entwickeln".

Dennoch war das Geschrei groß, als Finanzminister Christian Lindner (FDP) nun erstmals öffentlich einräumte, dass es bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nichts mehr werde mit dem neuen Instrument. Verbraucher- und Umweltschützer sprachen von einer "nicht akzeptablen" Entscheidung des Ministers, die Grünen - obwohl Teil der Regierungskoalition - kündigten Widerstand an. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach sich dafür aus, den Bürgern auf anderem Wege einen sozialen Ausgleich zu gewähren, wenn schon die Einführung des Klimagelds nicht klappe.

Wo aber liegt eigentlich das Problem, wenn doch die Kombination aus CO₂-Steuer auf der einen und Klimageld auf der anderen Seite selbst aus Sicht der Opposition so bestechend klingt?

Um Verbraucher und Unternehmen dazu zu bewegen, auf klimagerechte Energie- und Wärmequellen umzusteigen, wird die Verwendung fossiler Brennstoffe schrittweise immer weiter verteuert - von 25 Euro pro ausgestoßener Tonne CO₂ im Jahr 2021 auf bis zu 65 Euro 2026. Die Bürger bekommen das an der Tankstelle ebenso zu spüren wie bei der Bestellung von Heizöl oder dem Kauf eines Flugtickets. Von 2027 an soll sich der Preis über den Handel mit sogenannten Emissionszertifikaten am Markt bilden, es sind dann sogar noch deutlich höhere Abgaben denkbar.

Die Einnahmen aus der CO₂-Steuer sollen sozialverträglich umverteilt werden

Die Einnahmen, so die Idee, sollen allerdings nicht im Bundeshaushalt verschwinden, sondern an die Menschen zurückgegeben werden - und zwar über eine einheitliche Kopfpauschale. Die Folge wäre eine soziale Umverteilung von oben nach unten, denn weniger vermögende Menschen wohnen meist in kleineren Wohnungen, reisen weniger und verursachen deshalb weniger CO₂-Emissionen, erhielten aber die gleiche Kompensation wie besser betuchte Vielflieger. Bei jährlichen Einnahmen aus der Steuer von zuletzt gut 18 Milliarden Euro hätten 2023 theoretisch bereits rund 225 Euro pro Bürger ausgezahlt werden können. Eine vierköpfige Familie hätte also eine Erstattung von 900 Euro erhalten.

Dass es dazu bisher nicht kam, hat zwei Gründe. Erstens: Anders als etwa in der Schweiz, wo das Klimageld über die Krankenkasse ausbezahlt wird und jeder Bürger, ob klein oder groß, in diesem Jahr 64,20 Franken erhält, gibt es in Deutschland bisher keine staatliche Stelle, die über die notwendigen Informationen für eine solche Überweisung verfügt. Bis Ende des Jahres sollen die Finanzämter über die Verknüpfung von Steuer-ID und Iban dazu in der Lage sein.

Und zweitens, noch bedeutender: Die Einnahmen aus der CO₂-Steuer fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung, einen Geldtopf, aus dem auch die Fördermittel etwa für Wasserstoffproduzenten, Chip-Hersteller oder klimabewusste Bauherren bezahlt werden. Die für die kommenden Jahre geplanten Ausgaben des KTF liegen allerdings schon heute deutlich über den Einnahmen, oder anders gesagt: Für das Klimageld stehen, Stand jetzt, gar keine Mittel zur Verfügung.

Ausgerechnet Robert Habeck zählt zu den größten Bremsern

Es müssten also Förderprogramme gekürzt werden, um die neue Kompensationszahlung zu finanzieren - und genau das ist der Grund dafür, dass mit Robert Habeck ausgerechnet der grüne Bundeswirtschaftsminister zu den größten Bremsern bei der Einführung des Klimagelds zählt. Habeck argumentiert deshalb seit einiger Zeit, dass auch die EEG-Umlage, mit der früher der Aufbau etwa von Solarfeldern und Windparks gefördert wurde, mittlerweile nicht mehr von Bürgern entrichtet werden muss, sondern aus dem KTF bezahlt wird. Die Menschen erhielten somit längst eine Kompensation, das zusätzliche Klimageld sei also bis auf Weiteres gar nicht vonnöten.

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Dennoch ist es nun nicht der Grünen-Vormann, der den Zorn der Verbände und der Koalitionspartner zu spüren bekommt, sondern der FDP-Chef. "Bundesfinanzminister Christian Lindner scheint egal zu sein, dass die wachsende Unzufriedenheit mit der Bundesregierung auch aus ihren unsozialen Entscheidungen herrührt", sagte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes (Nabu). "Das Klimageld muss noch in 2024 umgesetzt werden." Und auch vom Arbeitnehmerflügel der CDU kommt Kritik. "Die Menschen brauchen jetzt Entlastung und nicht erst nach der nächsten Bundestagswahl", erklärte der CDU-Sozialexperte Dennis Radtke.

Was Radtke allerdings nicht erwähnte: Gemeinsam mit dem damaligen Koalitionspartner SPD hatte auch die Union 2019 die Einführung einer Art Klimageld schon einmal angekündigt - und nie umgesetzt.

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