Tesla-Gründer und Twitter-Chef:Der Zickzack-Mann

Lesezeit: 5 min

Nicht immer stringent in seinen politischen Aussagen: Elon Musk. (Foto: Evan Agostini/dpa)

Ein Friedensplan für die Ukraine, eine Lösung für den Taiwan-Konflikt, eine Empfehlung für die Zwischenwahlen in den USA. Elon Musk mischt sich oft und gerne in die große Politik ein. Ein Überblick seiner oft erratischen Wortmeldungen.

Von Katja Guttmann und Oliver Klasen

Elon Musk mischt sich ein. Nicht erst seit der Technologie-Pionier den Nachrichtendienst Twitter gekauft hat. Aber jetzt erst recht: "Ich empfehle einen republikanischen Kongress zu wählen", twitterte er kurz vor den wichtigen Midterms in den USA. Denn das würde die "schlimmsten Auswüchse beider Parteien" zügeln.

Auch wenn die Zwischenwahlen in den USA seit Jahrzehnten fast immer einen Machtverlust des amtierenden Präsidenten zugunsten der Opposition gebracht haben: Hier äußert sich nicht einfach irgendjemand. Der Einfluss des reichsten Manns der Welt auf die Entscheidung der US-Wählerschaft ist nicht zu unterschätzen. Selbst in einem Land wie den USA, wo es üblich ist, dass sich Prominente oder einflussreiche Geschäftsleute mit Wahlempfehlungen positionieren.

"Sorry, ich bin ein Absolutist der freien Rede", mit diesen Worten rechtfertigte Musk einmal seine häufigen politischen Interventionen. Der gebürtige Südafrikaner gilt in den USA als libertär, also als jemand, der eine Abneigung gegen staatliche Regulierung aller Art hat. Allerdings lassen sich seine Überzeugungen oft nicht klar zuordnen. Und sie wechseln immer wieder. Weil Musk sich gerne auch zu Kriegen und Konflikten positioniert, nennt ihn die New York Times einen "geopolitischen Chaos-Agenten". Manchmal vertritt der Tesla-Chef knallharte wirtschaftliche Interessen. Aber oft scheint es, als habe Musk immer genau jene Meinung, die gerade am meisten provoziert. Er mischt sich ein, weil es ihm gefällt, nicht unbedingt, weil er eine Agenda verfolgt. Ein Überblick über Musks Wortmeldungen.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Fast immer demokratisch

Wie Musk sich zu Wort gemeldet hat: "Um es klar zu sagen", twitterte Musk am Tag vor den Midterms, "ich war immer unabhängig in meiner Parteienpräferenz." Tatsächlich habe er jedoch fast immer demokratisch gewählt. Erst in diesem Jahr habe sich das geändert. Tatsächlich hat Elon Musk in der Vergangenheit demokratische Präsidentschaftskandidaten unterstützt: Barack Obama und Hillary Clinton. Wen er 2020 gewählt hat, Trump oder Biden, hat Musk nie explizit verraten. Zwischendurch deutete er jedoch Sympathien für Trump an, erklärte im Frühjahr, dass er Twitter wieder für den verbannten Ex-Präsidenten öffnen werde. Allerdings kritisierte Musk Trump in der Vergangenheit auch für dessen restriktive Einwanderungspolitik. Schwankend mit leichtem Drall nach rechts, könnte man also vielleicht sagen. Aber Musk wäre nicht Musk, wenn er nicht auch daran wieder Zweifel streuen würde: Er könne sich vorstellen, in Zukunft wieder demokratisch zu wählen, twitterte er gleich hinterher, als er seine Wahlempfehlung für die Republikaner abgegeben hatte.

Wie sind die Reaktionen? Während sich Republikaner wie Senator Ron DeSantis aus Florida zu "100 Prozent" über die Öffnung von Twitter freuen und Musk applaudieren, nennen Demokratinnen wie Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts ihn eine "Bedrohung für die Demokratie". Egal, ob bei der Präsidentschaftswahl 2024 Joe Biden oder jemand anderes für die Demokraten ins Rennen geht, es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie bei Musk anfragen, wenn sie nach prominenten Unterstützern suchen. Selbst wenn der Tesla-Chef bis dahin seine Präferenzen ein weiteres Mal geändert haben sollte.

Kurznachrichtendienst im Chaos
:Twitter laufen die Werbekunden weg

Ob Opel oder General Motors: Die Liste großer Unternehmen, die ihre Anzeigen nach Musks Übernahme aussetzen, wird länger. Sie sorgen sich um die sogenannte "Content-Moderation", bei der Tweets zu Verschwörungstheorien oder Gewaltaufrufen entfernt werden.

Sympathien für kanadische Trucker

Wie sich Musk zu Wort gemeldet hat: Oberflächlich betrachtet könnte Musk zu jenen gehören, die man in Deutschland manchmal als Maßnahmenkritiker oder Corona-Verharmloser bezeichnet. So nannte er wenige Tage nach Bekanntwerden der ersten Fälle im Frühjahr 2020 die Angst vor der Seuche "dumm", später legte er sich mit den Behörden in Kalifornien an, als er seine Tesla-Fabrik trotz Lockdowns öffnen wollte und auf Twitter schrieb: "Wenn jemand in meiner Firma verhaftet wird, hoffe ich, dass ich das sein werde." Im zweiten Pandemiejahr bezweifelte er den Sinn von Impfungen, und Anfang 2022 solidarisierte er sich mit Lastwagenfahrern, die sich aus allen Ecken Kanadas zu einem Freedom Convoy formiert hatten, um das Parlament in Ottawa zu belagern.

Wie die Welt reagiert hat: Zumeist wurden Musks Äußerungen als irrelevantes Geblubber abgetan und gerieten rasch wieder in Vergessenheit. Außerdem bestehen Zweifel, ob Musks eilig herausgeschossene Anti-Corona-Maßnahmen-Tweets wirklich aus ideologischer Überzeugung resultieren oder eher aus Ärger darüber, dass seine Geschäfte davon gebremst wurden. Einen verlässlichen Fürsprecher hatte der Tesla-Boss jedoch in Sachen Corona stets: den damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Auch sonst ein Bruder im Geiste, ähnlich erratisch, ähnlich skrupellos, ähnlich einen Dreck darauf gebend, was andere von ihm halten.

Selenskij fragt, Musk liefert

Wie Musk sich zu Wort gemeldet hat: Zu Beginn der russischen Invasion twitterte er ukrainische Flaggen und unterstützende Appelle: "Halt durch, Ukraine." Gleichzeitig schickte er auch sein Beileid an die in Russland Protestierenden und russische Bürger, die gegen den Einmarsch im Nachbarland waren. Als die Ukraine Musk um Hilfe mit dem Satelliten-Internetdienst Starlink bat, schaltete er innerhalb von zehn Stunden alle Systeme frei und schickte sogar die nötigen Empfangsanlagen nach Kiew. Musks Satelliteninternet Starlink ermöglicht es dem ukrainischen Militär seit Kriegsbeginn, ihre Kommunikationskanäle offen zu halten.

Wie waren die Reaktionen? Der ukrainische Präsident Selenskij bedankte sich sogleich mit einem Tweet und sagte, er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. Für die Kommunikation innerhalb der ukrainischen Armee war das Geschenk von Space-X, der Raumfahrtfirma von Musk, unerlässlich. Aber es war ein Geschenk, bei dem der Schenkende immer wieder darauf hinwies, wie teuer die Gabe sei. 120 Millionen US-Dollar nämlich, die er, das betonte Musk - auf Twitter natürlich - der Ukraine selbstlos zur Verfügung stelle. Die US-Regierung müsse die Kosten übernehmen, so Musk. Eine Forderung, die ein hochrangiger Vertreter des Pentagon als "Frechheit" zurückwies. Starlink funktioniert bis heute in der Ukraine, allerdings werden von den dortigen Behörden immer wieder Ausfälle gemeldet.

Friedensplan auf 280 Zeichen

Wie Musk sich zu Wort gemeldet hat: Der Tweet kam am 3. Oktober dieses Jahres, 18.15 Uhr deutscher Zeit. Vier einfache Punkte, wahrscheinlich zackig runtergetippt und mit der schlichten Überschrift "Russisch-ukrainischer Frieden" versehen. Echte Referenden in den von Russland besetzten Gebieten, eine dauerhaft russische Krim, eine gesicherte Wasserversorgung dort und eine neutrale Ukraine. Fertig. Ein Friedensplan auf 280 Zeichen, den Musk hier entwirft. Warum so kompliziert, wenn's auch einfach geht, liebe Diplomatinnen und Diplomaten? Und als habe der Tesla-Chef die Kritik schon antizipiert, schickt er gleich noch zwei weitere Peacemaker-Tweets hinterher: Das, was er hier entwerfe, sei am Ende sowieso das Ergebnis. Die Frage sei nur, wie viel Tote es bis dahin geben werde. Außerdem sei wichtig zu erwähnen, dass es zwar nicht wahrscheinlich, aber möglich sei, dass der Konflikt in einen Atomkrieg münde. Ende der Analyse.

Wie die Welt reagiert hat: Sowohl die Vereinigten Nationen als auch US-Präsident Joe Biden, die EU-Außenbeauftragten und die bei Diplomaten renommierte Fachzeitschrift Foreign Policy ließ Musks Friedensplan eher kalt - aber immerhin, ein einflussreicher Diplomat reagierte auf den Tesla-Chef. Andrij Melnyk, der damalige Botschafter der Ukraine in Deutschland, der inzwischen wieder zurück in Kiew ist, sprang über das Stöckchen, das Musk ihm hinhielt. Die Antwort allerdings war selbst für den Klartext- und Knallhart-Mann Melnyk deftig: "Fuck you is my very diplomatic reply to you". Das ist so deutlich, dass man es nicht übersetzen muss. Kein Mensch in der Ukraine werde jetzt mehr die Autos von Musks Firma kaufen, twitterte Melnyk. Wobei der Botschafter es etwas anders ausdrückte, er schrieb nämlich von "diesem verdammten Tesla-Scheiß".

So wie Hongkong, nur ein bisschen nachsichtiger

So hat sich Musk zu Wort gemeldet: Der Krieg in der Ukraine ist nicht der einzige Großkonflikt, in den sich Musk eingemischt hat. Auch für den asiatisch-pazifischen Raum hat er Vorschläge parat. Allerdings stehen dabei wirtschaftliche Interessen an erster Stelle. Zwischen 30 und 50 Prozent von Teslas neuen Autos werden in Shanghai produziert - die Spannungen zwischen China und Taiwan passen Musk deshalb nicht ins Konzept. In US-Medien hat der Tesla-Chef schon zugegeben, dass er Druck aus Peking bekommen hat: Er solle sich verpflichten, den Inselstaat in Zukunft auf keinen Fall mit Starlink zu versorgen. Um mögliche Probleme für seine Fabriken zu umgehen, präsentierte Musk in der Financial Times flugs einen Lösungsvorschlag: Taiwans Regierung solle einen Teil der Kontrolle an Peking abgeben. "Ich würde eine spezielle administrative Zone für Taiwan vorschlagen, die einigermaßen angenehm ist. Sie könnten auch ein Arrangement haben, das nachsichtiger ist als Hongkong."

So reagierte die Welt: Der chinesische Botschafter in den USA war erwartungsgemäß dafür und begrüßte den Vorschlag. Taiwan dagegen protestierte: Die Demokratie des Inselstaates stehe nicht zum Verkauf. Und so ging Musks Hongkong-Taiwan-Initiative den Weg vieler Ideen von Elon Musk: Sie verschwand in der Versenkung.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTwitter
:Das Chaos, das Musk anrichtet

Angestellte werden gefeuert und wieder zurückgeholt, Funktionen eingeführt und wieder gestoppt: Seit Elon Musk Twitter besitzt, geht es dort drunter und drüber - mit üblen Folgen für Mitarbeiterinnen und Nutzer.

Von Simon Hurtz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: