Proteste in Ecuador:Aufstand der Indigenen

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Junge Demonstranten gehen in der Hauptstadt Quito in Deckung hinter ihren handgefertigten Schilden in Deckung. (Foto: Juan Diego Montenegro/dpa)

Seit knapp zwei Wochen legen Demonstranten große Teile von Ecuador lahm. Es geht um hohe Spritpreise, Armut und Arbeitslosigkeit. Immer öfter schlagen die friedlichen Proteste nun in Gewalt um.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Kurz hatte es so ausgesehen, als könnte sich die Lage in Ecuador entspannen: Seit fast zwei Wochen wird das Land im Nordwesten Südamerikas von großen Demonstrationen so gut wie lahmgelegt. Sie begannen mit Straßenblockaden und friedlichen Protesten, mittlerweile aber kommt es immer öfter zu Gewalt und Zusammenstößen mit der Polizei.

In Puyo, einer Kleinstadt am Rande des Amazonasgebiets, starb ein Demonstrant, nachdem ihn lokalen Berichten zufolge eine Tränengasgranate am Kopf traf. Gleichzeitig griffen Demonstranten eine Polizeistation an, Streifenwagen gingen in Flammen auf. Innenminister Patricio Carrillo sprach von "vollkommen irrationalen Taten": "Wir können die Ordnung in Puyo nicht mehr garantieren."

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Auch in Quito kam es zu großen Protesten. 10 000 Demonstranten zogen durch die Straßen der Hauptstadt, meist friedlich, oft aber dennoch bewaffnet mit Stöcken und selbstgefertigten Schilden. Geschäfte mussten schließen, Treibstoff und Nahrungsmittel würden knapp, berichten Bewohner.

Aufgerufen zu den Protesten hatte die Conaie, die Vereinigung der indigenen Nationen in Ecuador. Der mächtige Dachverband hat in der Vergangenheit immer wieder Druck auf verschiedene Regierungen im Land ausgeübt, zuletzt 2019, als schwere Massenproteste das Land erschütterten.

Präsident Lasso hat die Situation nach einem Jahr im Amt kaum verbessern können

So wie damals entzündeten sie sich auch nun wieder an den Diesel- und Benzinpreisen. Diese sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Dazu kommen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie: Die Preise für Lebensmittel und Transport steigen, und vor allem die indigene Bevölkerung leidet oft unter Armut und Arbeitslosigkeit.

Ecuadors Präsident Guillermo Lasso hatte eigentlich versprochen, all diese Probleme zu lösen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Lasso ist streng katholisch und konservativ, ein ehemaliger Banker, fest verwurzelt in der zumeist weißen und europäischstämmigen Elite im Land.

Nach einem Jahr im Amt hat Lasso aber die Lage kaum verbessern können. Dazu nimmt die Kriminalität zu, immer wieder kam es in den letzten Monaten zu blutigen Gefängnisunruhen. Nun kommen auch noch die Proteste hinzu.

Präsident Lasso ruft die Demonstranten dazu auf, ihre Proteste zu beenden. Sie schadeten der Bevölkerung und stifteten Chaos, sagt Lasso. Am Dienstag kündigte er an, Gespräche mit Vertretern des Indigenen-Dachverbands beginnen zu wollen.

Streit um die Aufhebung des Ausnahmezustandes

Dort aber fordert man zuerst, dass der Ausnahmezustand aufgehoben wird, den die Regierung über Teile des Landes verhängt hat, und das Militär in seine Kasernen zurückkehrt.

Das wiederum scheint nun für Ecuadors Regierung inakzeptabel: Man könne den Ausnahmezustand nicht aufheben, heißt es, da man sonst die Hauptstadt Quito "schutzlos" zurücklassen würde. "Das ist nicht der Zeitpunkt, um noch mehr Forderungen zu stellen", sagte Minister Francisco Jiménez, "wir müssen uns hinsetzen und miteinander sprechen".

Nun ist vollkommen unklar, wie es weitergehen wird. Längst gibt es Gegendemonstranten, die öffentlich ein Ende der Proteste und der Straßenblockaden fordern. Diese hinderten Bürger daran, sich frei zu bewegen und ihren Geschäften nachzugehen, sagte Verteidigungsminister Luis Lara am Dienstag. Sie seien darum eine "große Gefahr für die Demokratie" in Ecuador.

Leonidas Iza, der Präsident der Conaie, wiederum kündigte an, dass, sollte sich die Lage nicht klären, "Flüsse aus Menschen" nach Quito kommen werden, um dort die Proteste weiterzuführen.

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