Grundwasserschutz:Gülle ohne Ende

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Mit dem sogenannten Schleppschuh-Verfahren bringt ein Landwirt in Niedersachsen Gülle auf seinem Feld aus. (Foto: Philipp Schulze/dpa)

Seit Jahren liegt der Bund im Clinch mit der EU-Kommission, weil durch Überdüngung der Felder zu viel Nitrat ins Grundwasser gelangt. Ein neues Gesetz soll Frieden schaffen - doch es kommt nicht vom Fleck.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Im vorigen Juni schien der Spuk endlich vorbei zu sein. Nach mehr als zehn Jahren Hickhack legten Berlin und Brüssel endlich ihren Streit über die Gülle bei. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) feierte das als "großen Erfolg", schließlich habe man so von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern auch Strafzahlungen abwenden können. Und die hätten es in sich gehabt: Der Europäische Gerichtshof, bis zu dem der Streit zwischen EU und Deutschland gegangen war, hatte das Strafmaß auf pauschal 17 Millionen Euro plus bis zu 1,1 Millionen festgelegt - 1,1 Millionen pro Tag. Nun schien die Sache erledigt zu sein.

Doch der Schein könnte trügen. Denn Brüssel hatte auch deshalb eingelenkt, weil die Bundesregierung Ende Mai vorigen Jahres eine Änderung des deutschen Düngegesetzes beschlossen hatte. Auf seiner Basis sollte klarer werden, welche Landwirte wie viel Gülle auf ihre Felder verteilen. Vor allem aber sollte ein "Monitoring" fortan Aufschluss darüber geben, inwieweit sich die Lage des Grundwassers in den verschiedenen Regionen verbessert - schlicht dadurch, dass Pflanzen nicht mehr mit Dünger überhäuft werden, den sie zum Wachstum gar nicht brauchen. Im Oktober fand der Gesetzentwurf in einer nächtlichen Plenarsitzung ins Parlament. Doch dort liegt er bis heute.

Was Böden und Pflanzen an Nitrat nicht aufnehmen können, sickert durch

Die Vorgeschichte des Streits ist mittlerweile mehr als 30 Jahre alt. 1991 war die EU mit einer Richtlinie die hohe Nitratbelastung in Europas Grundwasser angegangen. Sie ist besonders dort hoch, wo intensiv Tiere gehalten werden - so etwa im Nordwesten Deutschlands. Denn in der Massentierhaltung fällt viel Gülle an, und der Einfachheit halber brachten Landwirte sie auf den Feldern ihrer Umgebung aus. Was Böden und Pflanzen nicht aufnehmen konnten, sickerte durch bis ins Grundwasser. Dort macht es unter anderem Wasserversorgern zu schaffen, die Wasser mitunter aufwendig mischen müssen, um die Nitrat-Anteile zu drücken. Bis heute übertrifft jede sechste Messstelle im Land die Nitrat-Grenzwerte. Die Zahl stagniert seit Jahren.

Schon die Vorgängerkoalition hatte mit diesem Problem und der EU-Kommission hart zu kämpfen. Sie schuf "rote Gebiete", in denen seit 2021 strengere Düngeregel gelten, es fehlte nur noch die Erfolgskontrolle. Erst mit dem Düngegesetz kehrte deshalb Frieden ein. Wenn denn der Bundestag mitmacht.

Dort ruht das Gesetz nun seit fast einem halben Jahr. Parlamentarier berichten von Gesprächen, die nur selten zustande kommen und dann auch noch rasch und ergebnislos enden. Wie so oft in dieser Koalition stehen SPD und Grüne auf der einen Seite des Grabens und die FDP auf der anderen. Unter den Liberalen grassiert die Sorge, mit dem Gesetz könnten neue Bürden auf die Landwirte zukommen.

Endlich sollen die Verursacher gefunden werden - die FDP fürchtet Bürokratie

Nicht nur sollen die Landwirte in einer "Stoffstrombilanz" darlegen, wie viel Stickstoff sie unter dem Strich einsetzen. Nach Auffassung der FDP geht auch das geplante Monitoring zu weit, mit dem auch für die Behörden die Daten noch einmal erfasst werden sollten. "Damit würden Landwirte noch mehr Zeit im Büro anstatt auf dem Acker verbringen", warnt der FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker. Bürokratie also, und Bürokratie verabscheuen FDP und Landwirte gleichermaßen.

SPD und Grüne wiederum sehen in dem Gesetz die Chance, endlich den Verursachern des Problems zu Leibe zu rücken. Denn bisher müssen sich in "roten Gebieten" alle Landwirte einschränken - solche mit Stickstoffüberschüssen und solche ohne. Die neuen Regeln könnten helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. "Wer Wasser schützt, soll entlastet werden", sagt Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, "und wer das Wasser verunreinigt, soll in die Pflicht genommen werden." Die Basis dafür seien Monitoring und Stoffstrombilanz, wie sie das Gesetz verfeinern will. Nur fehle derzeit "ein gemeinsames Verständnis in der Koalition über die Dringlichkeit von nötigen Entscheidungen".

Schon wächst bei manchen Beteiligten die Angst, dass dieses Verständnis gar nicht mehr entstehen könnte in dieser Koalition. Dann könnte auch Brüssel auf die Idee kommen, dass es für den Frieden von einst keine Basis mehr gibt - und die Strafzahlungen doch noch in Gang setzen. Mehr noch: Wenn es ganz dumm kommt, passiert das im Wahljahr 2025.

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