Die Linke und der Verfassungsschutz:Ein Feind, der keiner ist

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Auch im neuen Bericht des Bundesverfassungsschutzes taucht die Linke auf. Neue Erkenntnisse: Fehlanzeige. Dafür überrascht Innenminister Thomas de Maizière mit einer Botschaft.

Thorsten Denkler, Berlin

Es sind sieben Seiten, die die Verfassungsschützer der Linken widmen. Sieben Seiten, die den Eindruck erwecken, die Inlandsaufklärer hätten mit der Lupe nach Hinweisen gesucht, um die Linke auch im Verfassungsschutzbericht 2009 nicht unerwähnt zu lassen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Heinz Fromm, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, stellten den Bericht an diesem Montag in Berlin vor.

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2009 hat sich der Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) besorgt über den Anstieg linksextremer Gewalt in Deutschland gezeigt. Die Beobachtung der Linkspartei will er fortsetzen, Anlass dazu aber hat er immer seltener. (Foto: ag.ddp)

Wer in dem Bericht neues und brisantes Material über die Linke sucht, wird enttäuscht. Die Linke biete ein "ambivalentes" Bild, heißt es darin. Die präsentiere sich einerseits nach außen, als "reformorientierte, neue linke Kraft". Andererseits akzeptiere sie in ihren Reihen "vollumfänglich" Gruppierungen, die "offen extremistisch" seien. Die Haltung der Linken gegenüber linksextremistischer Gewalt sei "uneinheitlich".

Die Linke scheint also brandgefährlich für die Demokratie. Doch allein mit dem Verfassungsschutzbericht lässt sich diese These nicht belegen. Im Gegensatz zu manchem Vorgänger versucht Innenminister de Maizière das auch gar nicht. Er selbst macht darauf aufmerksam, dass nicht die Linke als Gesamtpartei, sondern lediglich aus Sicht der Verfassungsschützer problematische Gruppen innerhalb der Linken unter Beobachtung stünden. Unionspolitiker, die demnächst die Linke als Feinde der Demokratie bezeichnen wollen, können sich dabei nicht länger auf den Bundesinnenminister berufen.

Und auch das, was es über die Gruppen zu berichten gibt, erscheint im Zuge aktueller politischer Entwicklungen zum Teil überholt. Als Beleg für den umstürzlerischen Charakter der Kommunistischen Plattform (KPF) etwa, mit 1100 Mitgliedern der laut Verfassungsschutzbericht größte "offen extremistische Zusammenschluss" innerhalb der Linken, wird angegeben, die KPF wolle ein Gesellschaft, in der die "Herrschaft des kapitalistischen Privateigentums überwunden und dessen reale Vergesellschaftung erreicht wird."

Mit der Verstaatlichung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate und der faktischen Übernahme der Commerzbank durch den Bund hat die reale Politik der großen Koalition dafür mehr Vorarbeit geleistet, als es Verfassungsschützern lieb sein kann. Und selbst Konservative haben bereits eine Zerschlagung der Energiekonzerne gefordert, um die Energiepreise für ihre Bürger erschwinglich zu halten. Die nennen das nur anders: Rekommunalisierung.

An der Linken irritieren vor allem deren Mitglieder

Aus Dokumenten der ebenfalls beobachteten Strömung "Sozialistische Linke" wird zitiert, die Aufhebung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit sei "Bedingung für eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus". Wenn schon der Begriff "demokratischer Sozialismus" reicht, um im Verfassungsschutzbericht erwähnt zu werden, dann fehlt die SPD in dem Bericht. Der demokratische Sozialismus ist nach wie vor eine der Kernforderungen in ihrem Grundsatzprogramm.

Mehr als die Strukturen der Linken und ihre Strömungen irritieren immer wieder einzelne Vertreter der Partei. Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen fielen einige heutige Mitglieder des Landtages auf, weil sie wenig Lust verspürten, etwa die Stasi als Instrument eines Unrechtsregimes darzustellen. Die aus NRW stammende Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke lobte gar ehemalige Stasi-Mitarbeiter für ihren aufopferungsvollen Kampf, was zu erheblicher Empörung in der SPD führte, die kurz danach Sondierungsgespräche mit der Linken über eine rot-rot-grüne Landesregierung abbrach.

Innenminister de Maizière will die Beobachtung der Linken vorerst nicht unterbinden. "Die Beobachtung wird so lange stattfinden, solange es Anlass dafür gibt", sagt er. Wobei die Anlässe offenbar immer magerer zu werden scheinen. Vielleicht hat ihn diese Erkenntnis zu einem überraschenden Satz verleitet, den er mit Hinweis auf das zu erarbeitende Grundsatzprogramm der Linken fallen ließ: "Ich wünsche mir, dass das Grundsatzprogramm so ausfällt, dass eine Beobachtung nicht mehr notwendig ist."

Das Programm wird wohl offenbaren, welchen Einfluss die Strömungen in der Partei tatsächlich haben und ob Formulierungen zugelassen werden, mit denen die Linke sich dem Verdacht aussetzt, demokratiefeindlich zu sein. Zu erwarten ist das nicht. Künftige Regierungsoptionen dürfen aus Sicht führender Linker nicht schon am Grundsatzprogramm scheitern.

Möglicherweise also werden die Verfassungsschutzberichte des Bundes in den kommenden Jahren um ein Kapitel ärmer werden. Mit der von de Maizière ausgerufenen neuen Schwerpunktsetzung im Bereich der Wirtschaftsspionage und des Islamismus - hierzu plant der Minister ein Aussteigerprogramm für junge militante Islamisten - sowie dem andauernden Kampf gegen den militanten Rechts- und Linksextremismus hat der Verfassungsschutz ohnehin wichtigere Aufgaben.

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