Deutscher Unterhändler im Gefangenenaustausch:Mr. Hisbollah, stets zu Diensten

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Ein deutscher Unterhändler gilt im Nahen Osten als Mann für schwierige Fälle - Israel hat wieder Grund, ihm zu danken. Zusammen mit dem ägyptischen Geheimdienst ist es dem BND-Mann gelungen, den Austausch des israelischen Soldaten Gilad Schalit gegen palästinensische Gefangene zu organisieren. Der Bundesnachrichtendienst hat seine Beteiligung an der Aktion inzwischen bestätigt.

Hans Leyendecker und Peter Blechschmidt

Das Flugzeug der deutschen Luftwaffe kam aus Beirut. An Bord befanden sich die Särge von drei getöteten israelischen Soldaten. Das andere Flugzeug war in Israel gestartet und traf fast zeitgleich ein. An Bord waren 28 gefangene Hisbollah-Kämpfer. Die Maschinen rollten in einen schmucklosen grauen Hangar auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Wahn. Hinter verschlossenen Türen fand dann der Austausch statt: drei tote Israelis gegen 28 islamische Kämpfer. Fast gleichzeitig kamen am Grenzübergang zu den Autonomiegebieten 400 palästinensische Gefangene frei.

Im Januar 2004 landeten diese beiden Flugzeuge in Köln: Im einen waren gefangene Hisbollah-Kämpfer, im anderen befanden sich drei tote Israelis. Ein Austausch mit Symbolwert. (Foto: Achim Scheidemann)

Der Handel aus dem Januar 2004 ist schon Geschichte, aber die Bilder vom Kölner Flughafen hatten Symbolwert über den Tag hinaus. Sie zeigten, dass die Deutschen als Vermittler erfolgreich sein konnten. Den Austausch hatten in jahrelanger Arbeit Emissäre des Bundesnachrichtendienstes (BND) vermittelt.

In diesen Tagen wird es wieder eine ähnlich spektakuläre Aktion geben. Der 2006 von der Hamas entführte israelische Soldat Gilad Schalit soll nun endlich freikommen. Der Austausch gegen mehr als tausend palästinensische Gefangene, der in diesen Tagen über die Bühne gehen soll, ist mehr als nur ein Deal - dahinter steht eine heikle politische Mission mit vielen Hindernissen und Fallgruben. "Ich möchte dem deutschen Vermittler und Kanzlerin Merkel für die Freilassung Gilad Schalits danken", schrieb diese Woche Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Der BND war es diesmal nicht allein, der die Mission erfolgreich beendet hat. Der ägyptische Geheimdienst hatte schon früh verhandelt und soll nach dem heutigen Willen der Beteiligten die Hauptrolle gespielt haben. Sicher ist aber auch, dass die Umrisse und Bedingungen der Austausch-Aktion 2011 von den Deutschen so ähnlich schon vor Jahren konzipiert worden waren. Damals wurden die Pläne jedoch verworfen.

Der Ruf von Geheimdiensten beruht meist auf Mysterien und Mythen, selten auf Tatsachen. Aber Realität ist doch, dass der BND seit Jahrzehnten im Nahen Osten als Makler ziemlich erfolgreich war: Im Juli 1996 tauschten Israel und die Hisbollah nach deutscher Vermittlung Dutzende Gefangene und Gefallene aus.

Die Vermittlung war von dem damaligen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer auf den Weg gebracht worden. Auf den Austausch im Jahr 2004 folgte eine weitere Aktion 2008: Die libanesische Hisbollah übergab die Leichen von zwei entführten israelischen Soldaten und bekam Gefangene und Gefallene. Die Mission war vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan beim BND in Auftrag gegeben worden.

Warum übernehmen die Deutschen beim Gefangenenaustausch oft die Vermittlerrolle im Nahen Osten? Die Antwort ist einfach: Der BND hat in dieser Region einen guten Ruf, was wirklich nicht für alle Orte dieser Welt gilt. Und in der Regel verdächtigt im Nahen Osten niemand die Deutschen, bei ihrer Mission strategische Hintergedanken zu verfolgen.

Der Erfolg hat aber auch Namen. Früher war es der BND-Emissär Gradl, der die schwierigsten Missionen erfolgreich abschloss, er ist inzwischen pensioniert. Seit knapp einem Jahrzehnt wird der Erfolg mit dem Namen eines Mannes verbunden, der in der arabischen Welt "Mr. Hisbollah" genannt wird und in Israel eine Legende ist; es handelt sich um den BND-Agenten Gerhard Conrad, der auch im Fall Schalit eine wichtige Rolle spielte.

Conrad ist etwa Mitte vierzig, schätzungsweise 1,85 bis 1,90 Meter groß. Und wer ihn einmal getroffen hat, wird ihn beim nächsten Mal nicht unbedingt wiedererkennen. Beim letzten Treffen war sein Haar schwarz, er hatte einen Oberlippenbart und ein kleines Bärtchen an der Unterlippe - aber er kann jetzt schon wieder ganz anders aussehen. Conrad hat in Heidelberg Orientalistik studiert, spricht perfekt Arabisch, Französisch und Englisch. An den deutschen Botschaften in Damaskus und Beirut hat er gearbeitet. Er wechselte 2001 in die BND-Zentrale und ist dort der Mann für die besonders schwierigen Fälle.

Das Geschäftsmodell des Unterhändlers in den Basaren der Menschenhändler ist einfach: Fleiß, Fleiß, Fleiß - absolute Verlässlichkeit und eiserne Geduld. Hunderttausende Flugkilometer legte er bei seinen Einsätzen zurück. Ein Papier des Kanzleramtes listete allein für eine Mission etwa hundert Reisen Conrads auf. Es ist ein schwieriges Geschäft: Keine Seite darf glauben, dass er für die andere Seite das Geschäft macht. Ein guter Vermittler muss wiederkommen können.

Gerhard Conrad wurde im Fall Schalit erst eingeschaltet, als die Ägypter nicht mehr weiterkamen. Als dann auch noch Frankreich und Kanada den Israelis ihre Hilfe anboten, wurde es denen unbehaglich. Bei so viel internationaler Geschäftigkeit ist der Erfolg nicht garantiert. Traditionell sind die Deutschen besser mit der Hisbollah als mit der Hamas vertraut, aber Conrad hatte Erfolg - obwohl die Gespräche mit der Hamas belastet waren von dem Umstand, dass ein Kommandotrupp des israelischen Geheimdienstes Mossad in Dubai 2010 einen Hamas-Führer exekutierte.

Gerhard Conrad spricht mit Außenstehenden nicht über seine Missionen. Überhaupt spricht er relativ leise, aber sehr pointiert. Gelegentlich verfällt er in einen ironischen, auch selbstironischen Ton, und er spielt die Gefahren gern herunter. Die Frage eines Journalisten, ob er nicht der berühmte Conrad sei, beantwortete er mal lächelnd: "Nein, nein - das ist mein Bruder, der steht da hinten."

© SZ vom 14.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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