Degler denkt:Reden ist Silber

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Barack Obama, der Präsident des großen Wortes, erlebt nun auch mit Israel, dass kluge Ansprachen noch lange nicht die Wirklichkeit verändern.

Dieter Degler

Es ist ja toll, wie Barack Obama reden kann, er liefert fast immer Polit-Prosa vom Feinsten. Ob über die Weltwirtschaft, einen atomwaffenfreien Globus, das US-Gesundheitssystem oder das Verhältnis der westlichen Welt zum Islam - stets haben weite Teile der Amerikaner und der ganzen Welt das Gefühl, hier spricht endlich ein Staatsmann vernünftig darüber, wie die großen nationalen und internationalen Probleme zu lösen sind.

US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede in Kairo (Foto: Foto: AFP)

Allmählich aber stellen sich Zweifel ein, ob die Reden wirklich so stark sind, wie sie wirken. Denn ob der vielleicht eloquenteste Präsident, den die USA je hatten, dem Nordirak gut zuredet oder dem Iran Diplomatie statt Druck ankündigt - auf fruchtbaren Boden scheinen seine großen Worte nicht überall zu fallen.

Auch nicht die vielgelobte Rede zur Aussöhnung zwischen erster und islamischer Welt vor vierzehn Tagen in Kairo. Und erst recht nicht sein Appell an Israel, endlich den Weg frei zu machen für einen eigenständigen Staat Palästina.

Denn was Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dieser Forderung entgegnete, bedeutet nichts anderes als eine Verschiebung des Themas auf den Sankt-Nimmerleinstag - und eine Desavouierung des großen Verbündeten ohnegleichen.

Zwar sprach Netanjahu erstmals von einem palästinensischen Staat, doch was dann folgte, entlarvte das vermeintliche Eingehen auf die US-Wünsche als Floskel. Kein Wort zu den israelischen Siedlungen in Palästinensergebieten, die vertriebenen Palästinenser dürfen nicht in ihre Heimat zurückkehren, Jerusalem bleibt ungeteilt israelisch und die Bewohner eines Palästinenserstaats dürften keine Waffen tragen - kurz übersetzt: Was die Palästinenser wollen und was Obama unterstützt, kommt für Israel nicht in Frage.

Manchen Israelis ging auch der Zwei-Staaten-Satz schon zu weit. Andere erkannten in der Rede ihres Präsidenten nicht den Hauch einer Bewegung. Aber viel mehr ging wohl nicht: Wäre Netanjahu noch ein Stück weiter auf die Palästinenser zugegangen, hätte er gewaltigen Protest, auch unter den eigenen Anhängern geerntet.

Das offenbart Obamas Dilemma zwischen gesprochenem Wort und der Veränderung komplexer Wirklichkeit: Ist er der Mann der goldenen Worte oder ist all sein Reden Silber? Bedeutende Ansprachen sind nur dann wirklich groß, wenn sie auch Konsequenzen in der Realität haben. Bleiben sie folgenlos, sinkt das Ansehen des Urhebers, und das Publikum wendet sich irgendwann enttäuscht ab.

Obama braucht allmählich einen handfesten politischen Erfolg. Und den wird er allein mit seiner großen Eloquenz nicht erringen.

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