Union, SPD und Co.:Wie ein Spendenboykott die Parteien treffen würde

Autogipfel im Weißen Haus

Geben und nehmen: Auch die Partei Angela Merkels bekam Unterstützung vom Konzern des Daimler-Chefs Dieter Zetsche.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)
  • Die Ankündigung der Daimler AG, 2019 kein Geld an Parteien zu spenden, könnte bei anderen Unternehmen dazu führen, ebenfalls nicht mehr zu spenden.
  • Union, SPD und Grüne, aber auch besonders FDP und AfD könnte das hart treffen.
  • Die Koalition in Berlin hat 2018 höhere Zuschüsse durch die Parteienfinanzierung durchgesetzt. Sie gehen deutlich über den Inflationsausgleich hinaus. Die Oppositionsfraktionen klagen vor dem Verfassungsgericht.

Von Nico Fried, Max Hägler, Martin Hogger und Benedikt Müller, Berlin

Mit dem Frühling kam immer auch das Geld. Ende April, spätestens Anfang Mai verbuchten CDU und SPD in den vergangenen Jahren in schöner Regelmäßigkeit je 100 000 Euro der Daimler AG auf ihrem Konto. Weitere 120 000 Euro verteilte der Autokonzern auf Grüne, FDP und CSU. Doch damit ist vorerst Schluss. Am Wochenende teilte Daimler mit, dass man 2019 keiner Partei etwas spenden, sondern das Geld für gesellschaftliche oder wissenschaftliche Projekte einsetzen wolle.

Nur der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, auch Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, kritisierte Daimler öffentlich. Parteispenden generell zu stoppen, nannte er auf Twitter "verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm". Die Zentralen der großen Parteien verfuhren hingegen nach der Devise: keine Spenden, keine Quittung. Sie beantworteten die Ankündigung der Daimler AG mit Schweigen.

Doch hat die Ankündigung durchaus das Potenzial, manchen Schatzmeister zu beunruhigen. Dabei geht es weniger um die Einzelsumme der Daimler AG, sondern um den möglichen Präzedenzfall. Was, wenn weitere Unternehmen oder Organisationen der Firma mit dem Stern aus Untertürkheim folgen und sich aus der Unterstützung von Parteien zurückziehen?

Die CDU erhielt 2017 Spenden über insgesamt rund 35 Millionen Euro, davon mehr als ein Drittel von sogenannten juristischen Personen, also Firmen oder Verbänden. Das Spendenaufkommen machte insgesamt rund 22 Prozent der Einnahmen aus, allerdings handelte es sich, offensichtlich wegen der Bundestagswahl, um einen vergleichsweise hohen Anteil. 2016 hatte der Spendenanteil bei 15 Prozent gelegen. Ähnlich die CSU: Sie hatte 2017 bei knapp 10 Millionen Euro aus Zuwendungen einen Spendenanteil von knapp 23 Prozent.

Bei der SPD liegt der Spendenanteil niedriger, 2017 betrug er bei einem Gesamtvolumen von mehr als 14 Millionen Euro knapp neun Prozent. Besonders hart träfe ein Spendenboykott indes die FDP: Sie erhielt 2017 mehr als 15 Millionen Euro durch Spenden, das entsprach rund 39 Prozent ihrer Einnahmen. Auch für die AfD machten die 2017 erhaltenen 6,7 Millionen Euro einen Spendenanteil am Etat von fast 37 Prozent aus. Die Grünen erhielten im Bundestagswahljahr rund sechs Millionen Euro aus Spenden, was rund 13 Prozent Anteil bedeutete, die Linke blieb unter drei Millionen Euro (8,5 Prozent). Sie fordert mittlerweile, Spenden von Unternehmen ganz zu verbieten und von Privatpersonen auf 25 000 Euro im Jahr zu begrenzen, auch um dem Eindruck der Einflussnahme finanzstarker Firmen und der Käuflichkeit von Politik entgegenzuwirken.

Die Reaktionen anderer Spender auf Daimlers Verzicht dürften die Parteien zunächst beruhigen. Beim Verband der Chemischen Industrie zum Beispiel, der 2018 insgesamt 131 000 Euro auf CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne verteilte, gibt es laut Sprecher Manfred Ritz "keine Anzeichen dafür, dass sich etwas ändern wird". Ähnliches kommt vom Evonik-Konzern, der regelmäßig Geld an Union und SPD, Grüne und FDP gibt. "Aus unserer Sicht ist jede Spende an eine Partei des demokratischen Spektrums zugleich eine Spende für Demokratie", sagt ein Sprecher. Das Unternehmen profitiere von Rechtsstaatlichkeit und sozialer Marktwirtschaft.

Bei Dr. Oetker zeigt man sich sogar verwundert über Daimlers Entscheidung. Der Lebensmittelkonzern hat 2019 bereits an die FDP (15 000) und an die Grünen (22 000 Euro) gespendet. Man halte das "für unverzichtbar für die parlamentarische Demokratie", sagt Sprecher Jörg Schillinger, wobei die Firma nicht von sich aus auf die Parteien zugehe, sondern auf Anfrage spende.

Nicht immer kommt das Geld von Firmen als eine große Spende. Auch Daimler-Konkurrent BMW unterstützt aus Sicht der Firma demokratisch orientierte Parteien: SPD und CDU mit etwa 150 000 Euro, Grüne und FDP jeweils mit etwa 75 000 Euro, und natürlich profitiert auch die Heimatpartei CSU. Doch bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einzelnachweisen von Spenden, die höher als 50 000 Euro liegen, taucht BMW nicht auf. Der Grund: BMW fördert mittlerweile vor allem Themenveranstaltungen zu Mobilität, Digitalisierung, Familie oder anderen Bereichen mit Shuttle-Diensten oder kleineren Geldzuwendungen. Da sei die Wirkung größer als bei einem einzelnen Auto für einen Parteichef, sagt Nicola Brüning, Leiterin der BMW-Repräsentanz in Berlin.

Auch andere Dax-Unternehmen spenden nicht direkt an Parteien, etwa die Deutsche Telekom, SAP, Thyssenkrupp oder der Konsumgüterkonzern Henkel. Daran wolle man auch festhalten, heißt es von der Deutschen Post und dem Energiekonzern Eon. Gleichwohl mieten viele Firmen Standflächen bei Parteitagen oder Sommerfesten der großen Parteien. Dann zahlen sie ein paar Tausend Euro, um am Rande der Veranstaltung auf sich aufmerksam zu machen, sogenanntes Sponsoring. Auch sind viele Unternehmen Mitglied in Verbänden, die an Parteien spenden. Beträge von oft über 50 000 Euro für die großen Parteien geben etwa fast traditionell die Verbände der Metall- und Elektroindustrie aus Bayern und Baden-Württemberg.

Vor allem die Koalitionsparteien haben sich im übrigen wiederholt findig gezeigt, zusätzliches Geld zu besorgen - vom Steuerzahler: Im Juni 2018 setzten Union und SPD höhere Zuschüsse an die Parteien durch. Nun bekommen sie insgesamt 190 statt 165 Millionen Euro jährlich, üblich ist eigentlich nur ein Inflationsausgleich. Die Oppositionsfraktionen klagen gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgericht.

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