Dänemark:Feiertage gibt's nicht mehr

Lesezeit: 2 Min.

Unter der Führung von Premier Mette Frederiksen wurde in Wahrheit nur das dänische Pendant des Buß- und Bettags abgeschafft. (Foto: Liselotte Sabroe/AP)

Ein gefälschtes Politikvideo entfacht in Dänemark eine Debatte über Satire in Zeiten unbegrenzter Deepfake-Möglichkeiten.

Von Alex Rühle, Stockholm

Am vergangenen Freitag verkündete die dänische Premierministerin Mette Frederiksen auf einer Pressekonferenz, man werde Ostern, Pfingsten, Weihnachten und überhaupt alle noch bestehenden Feiertage abschaffen. Schließlich seien die Dänen viel zu faul. Das müsse sich dringend ändern. Es werde in Zukunft nur noch einen Feiertag geben: Eid al-Fitr, das muslimische Fest des Fastenbrechens.

In Wahrheit hat Frederiksen all das nie gesagt. Das Ganze war ein Deepfake, ein zwar täuschend echt wirkendes, aber gefälschtes Video, produziert von der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti und in Umlauf gebracht von deren Vorsitzenden Morten Messerschmidt.

"Das war nur ein Traum. Zurück an die Arbeit."

In dem Video wird gleich zweifach darauf hingewiesen, dass Frederiksen diese Rede nie so gehalten hat: Zum einen erscheint während ihrer vermeintlichen Ansprache rechts oben im Bild ein kleines Logo, ähnlich dem eines Fernsehsenders. Darin steht: "KI-generiert". Zum anderen sieht man nach ihrer Rede Messerschmidt mit dem Kopf auf seiner Computer-Tastatur liegen. Er schreckt hoch und sagt: "Das war nur ein Traum. Zurück an die Arbeit. Verdammt, wie ich diesen Feiertag vermisse."

Screenshot aus dem Video, in dem Mette Frederiksen angeblich verkündet, dass es nur noch den muslimischen Feiertag des Fastenbrechens gibt. (Foto: twitter.com/MrMesserschmidt)

Trotz dieser Hinweise scheinen viele Menschen darauf hereingefallen zu sein. Was eine Debatte zu der Frage auslöste, wo in Zeiten von Deepfake und einem erodierenden Vertrauen in demokratische Strukturen die Grenzen von Satire zu ziehen sind. Jesper Tække, Medienwissenschaftler an der Universität Aarhus, kritisierte, solcherlei täuschend echt wirkende Videos würden das Vertrauen in alle Politiker kategorisch untergraben, weil sie Zweifel daran säten, was und wem man überhaupt noch glauben könne.

Anlass des Videos war die Abschaffung des Store Bededag, der dem deutschen Buß- und Bettag entspricht, aber nicht auf Ende November fiel, sondern stets am vierten Freitag nach Ostern gefeiert wurde. Die Regierungsparteien hatten im Februar 2023 aus volkswirtschaftlichen Überlegungen dafür gestimmt, diesen "Großen Gebetstag" als Feiertag einzukassieren. Vergangenen Freitag musste also gearbeitet werden. An dem Tag schaltete Messerschmidt auf X das Video frei. Messerschmidt verwahrte sich in einem Tweet gegen alle kritischen Vorwürfe mit dem Argument, wenn man nicht erkenne, dass das Ganze Satire und eine Fälschung sei, "dann habe nicht ich das Problem".

Messerschmidt war selbst mal von einem Deepfake betroffen

Ironischerweise hatte Messerschmidt selbst vor ziemlich genau vier Jahren, am 20. April 2020, auf derselben Plattform, die damals noch Twitter hieß, vor Deepfakes gewarnt. Es sei ein "grundlegendes demokratisches Problem, wenn die Empfänger da draußen nicht mehr wissen können, was wahr und was falsch ist", schrieb er damals, nachdem über ihn raffiniert gemachte Fake News in Umlauf gebracht worden waren, allerdings von anonymen Accounts aus. Messerschmidt erwog damals, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

Ebenfalls am Freitag hatte die rechtsliberale dänische Liberal Alliance ein Video auf Instagram veröffentlicht, das daherkommt wie eine Filmankündigung. Es erinnert in seiner starken Stilisierung und den schrillen Kostümen an die Werke von Wes Anderson und verspricht für den Sommer den Film "Tyveriet af Store bededag" ("Diebstahl des Großen Gebetstags") mit Mette Frederiksen in der Hauptrolle. Dieses Video hatte weniger Kritik auf sich gezogen, weil durch die starke Verfremdung der Premierministerin von vornherein klar sei, dass das Ganze Fälschung und Satire sei, so Ask Hesby Holm, Direktor der Organisation Digitalt Ansvar, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien starkmacht. Hesby Holm betonte, es komme prinzipiell darauf an, dass man als Zuschauer klar zwischen Realität und Fiktion unterscheiden könne.

Lisbeth Bech-Nielsen, Digitalisierungssprecherin der oppositionellen Socialistisk Folkeparti, kündigte an, Messerschmidts Deepfake zum Anlass zu nehmen, im Folketing, dem dänischen Parlament, gemeinsame Leitlinien für die Verwendung solcher Videos im öffentlichen Diskurs zu erarbeiten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKopenhagen-Trilogie in München
:Süchtig nach Dichtung, Männern, Methadon

Mit Wucht prescht Regisseurin Elsa-Sophie Jach am Münchner Residenztheater durch die "Kopenhagen-Trilogie", den fulminanten Lebensbericht der Schriftstellerin Tove Ditlevsen.

Von Christiane Lutz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: