Der geplante Teilverkauf des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco ruft auch nach Bekanntwerden eines Kompromissplans deutliche Kritik hervor. "Die Bundesregierung wiederholt den Fehler vieler vorheriger Bundesregierungen und setzt kurzfristige wirtschaftliche Interessen über langfristigen Wohlstand und Stabilität", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Nachrichtenagentur Reuters.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird die Bundesregierung eine sogenannte Teilversagung beschließen. Das bedeutet, dass die chinesische Staatsreederei Cosco nicht wie geplant 35 Prozent des Terminals Tollerort übernehmen könne, sondern lediglich 24,9 Prozent. Der Konzern könnte dann als Minderheitsaktionär formal keinen inhaltlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben.
"Cosco gewinnt über die Beteiligung an der Terminalgesellschaft einen indirekten Einfluss und wichtige Informationen über eine kritische Infrastruktur in Deutschland und Europa", sagte DIW-Chef Fratzscher weiter. Die EU und Deutschland sollten sich seiner Ansicht nach ein Beispiel an den USA nehmen und jegliche Beteiligung nichteuropäischer Unternehmen an wichtiger Infrastruktur nicht nur strikt untersagen, sondern auch wieder rückgängig machen. Diese Handhabe sollte dabei nicht nur für Unternehmen autokratischer Länder gelten, sondern für Unternehmen aller Nicht-EU-Länder.
Auch innerhalb der Ampelkoalition hält die Kritik an. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte den anvisierten möglichen Kompromiss einer Minderheitsbeteiligung als Fehler: "So wenig, wie es in der Natur ein bisschen schwanger gibt, so wenig gibt es bei dem Hafendeal in Hamburg ein bisschen chinesisch. Entweder man lässt sich auf das Geschäft ein oder man lässt es", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Kompromiss sei ein weiterer folgenschwerer Fehler in Zeiten großer Ungewissheit.
Der Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter lehnte eine chinesische Minderheitsbeteiligung ebenfalls ab. Zwar hätte China mit 24,9 Prozent "deutlich weniger Einfluss" als bei einem Anteil von 35 Prozent. "Aber es wäre weiter kritisch, denn wir hätten weiterhin ein diktatorisches Regime, das mit Hilfe von Staatskonzernen sich bei uns in Infrastruktur einkauft", sagte Hofreiter im ARD-"Morgenmagazin".
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler zeigt sich indes "fassungslos". Auf Twitter schreibt Güler über die Beteiligung: "Wäre es umgekehrt möglich? Würde #China so ein Geschäft mit Deutschland oder Europa eingehen? Warum sind wir nicht in der Lage aus unseren Fehlern zu lernen und schaffen stattdessen neue Abhängigkeiten? Wo bleibt die #Zeitenwende?"
Eine deutliche Warnung sendet auch das Mercator Institute for China Studies: Analyst Jacob Gunter sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Cosco und seine Investition in den Hamburger Hafen bergen verschiedene Risiken für die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands." Bei Cosco handele es sich nicht nur um ein weiteres multinationales Unternehmen, das einfach nur Rendite anstrebe - sondern um ein Instrument der chinesischen Regierung, mit dem diese strategische Ziele vorantreibe.
Gunter warnte vor langfristigen Sicherheitsrisiken: "Je abhängiger Deutschland von Investitionen und Geschäften mit Cosco wird, desto mehr Einfluss können Cosco und Parteifunktionäre auf die deutsche China-Politik ausüben."
DIW: Europa kompromittiert Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand
Die Bundesregierung verfolge damit keine werteorientierte Außenwirtschaftspolitik, sagte DIW-Präsident Fratzscher, sondern eine "merkantilistische Außenwirtschaftspolitik, die auf kurzfristige Gewinne und nicht auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit abzielt". Damit kompromittierten Deutschland und Europa ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit und den wirtschaftlichen Wohlstand.
Die EU und Deutschland sollten aus Fratzschers Sicht die Symmetrie der wirtschaftlichen Beziehungen in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftspolitik mit China stellen. Europäische und deutsche Unternehmen hätten nicht den gleichen Zugang und die gleichen Rechte in China, wie chinesische Unternehmen in der Europäischen Union, sagt Fratzscher. "Mit dieser Politik macht Europa China stark und schafft seinen eigenen Unternehmen langfristig große Wettbewerbsnachteile - solange diese Asymmetrie nicht behoben wird."