An diesem Mittwoch wollen Bund und Länder ein weiteres Mal darüber beraten, ob der derzeitige Lockdown verlängert wird - oder ob es zu ersten Lockerungen kommt. Schon am Vortag zeichnete sich eine konfliktreiche Sitzung ab. Aus einem Zwischenentwurf für die Beschlussempfehlung, den federführend das Kanzleramt erstellt hat, wird deutlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an den derzeit geltenden Einschränkungen möglichst wenig rühren möchte.
Gleichzeitig sprachen sich die Kultusminister der Länder dafür aus, vom kommenden Montag an den Präsenzunterricht in den Schulen schrittweise wieder zuzulassen. In Sachsen gibt es in dieser Sache mittlerweile sogar schon einen Kabinettsbeschluss: Kultusminister Christian Piwarz (CDU) kündigte an, Grundschulen und Kitas von nächster Woche an in einem eingeschränkten Betrieb wieder zu öffnen.
Bildung:Auf Abstand bedacht
Querlüften, Kohortenbildung, OP-Masken - an welche Bedingungen die Bundesbildungsministerin in Zukunft die Öffnung von Schulen geknüpft sehen möchte.
Die Schulfrage dürfte somit abermals im Zentrum der Bund-Länder-Gespräche stehen. Aus Verhandlungskreisen der Länder war zudem zu hören, dass auch die "körpernahen Dienstleistungen", also vor allem die Friseure, ein weiterer Streitpunkt sein könnten. Grundsätzlich verlaufen die Konfliktlinien in diesen Fragen offenbar nicht nur zwischen Kanzleramt und Ländern - auch untereinander sind die Länder sich nicht einig, nicht einmal innerhalb der jeweiligen Parteigrenzen.
Die Kultusminister hatten bereits am Montagabend über eine Rückkehr zum Präsenzunterricht beraten. Die brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) sagte am Dienstag, sie hätten "einstimmig beschlossen, dass beginnend ab dem 15.Februar 2021 nach den Abschlussklassen auch die unteren Jahrgänge wieder zur Schule gehen sollen, wenn die gute Entwicklung der Inzidenzwerte anhält". Das wollten sie der Ministerpräsidentenkonferenz mit auf den Weg geben.
In dem Zwischenentwurf aus dem Kanzleramt ist von Schulöffnungen dagegen nichts zu lesen - nur das erneuerte Bekenntnis, dass dieser Bereich "als erster schrittweise wieder geöffnet werden" solle. Eine größere Rolle sollen künftig umfangreichere Tests spielen. "Vermehrt sollen auch Schnelltests den sicheren Unterricht ermöglichen und Infektionsrisiken minimieren", heißt es in dem Entwurf.
Betont wird in dem Papier mit Verweis auf Virusmutanten, dass "Kontaktbeschränkungen in den nächsten Wochen grundsätzlich beibehalten werden" müssten. Öffnungsschritte müssten "vorsichtig und schrittweise erfolgen". Die geltenden Landesverordnungen sollten demnach bis März verlängert werden - in dem Entwurf, der der SZ vorliegt, stand allerdings noch kein konkretes Datum.
Am Dienstag meldeten sich auch die Spitzen von Industrie und Arbeitgeberverbänden zu Wort - just an dem Tag, an dem für 2020 ein historischer Exporteinbruch von 9,3 Prozent vermeldet wurde. Viele Unternehmen befänden sich nicht nur in einer existentiellen Notlage, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Siegfried Russwurm und Rainer Dulger, den Präsidenten des Industrieverbands BDI und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) - "ihnen fehlt auch der notwendige Planungshorizont". Nötig sei nun ein "Öffnungskonzept, mit dem das wirtschaftliche Leben schrittweise und regional differenziert" wieder in Gang komme, basierend auf einem "bundesweit einheitlichen und evidenzbasierten gesundheitspolitischen Rahmen". Deutschland stehe vor entscheidenden Wochen.
Die Erklärung liegt der Süddeutschen Zeitung vor, aus ihr spricht einiger Frust. Zwar verstehe man, dass Mutationen des Virus striktere Antworten verlangten. Allerdings brauche es nun ein verlässliches Szenario für die Öffnung, "statt einschränkende Maßnahmen im Mehr-Wochen-Rhythmus ohne mittelfristige Perspektive fortzuführen". Die Politik müsse endlich die im Januar versprochene Mittelfriststrategie für ein Öffnungsszenario vorlegen, fordern Dulger und Russwurm.
Unterdessen macht die Bundesregierung Druck bei der Impfstoffbeschaffung. An diesem Mittwoch soll der Haushaltsausschuss des Bundestags weitere 6,2 Milliarden Euro freigeben, um zusätzliche Impfdosen einzukaufen, wie aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Parlamentarier hervorgeht.
Zusammen mit bereits bewilligten Mitteln stellt die Bundesregierung damit rund 8,8 Milliarden Euro zur Verfügung, um insgesamt 635,1 Millionen Dosen Impfstoffe der verschiedenen Hersteller einzukaufen. Der Preis pro Dosis beträgt im Durchschnitt knapp 14 Euro, wobei die Preise der einzelnen Hersteller in gleichem Maße nach oben wie nach unter ausschlagen, wie das Gesundheitsministerium der Süddeutschen Zeitung bestätigte. Die genauen Preise liegen unter Verschluss.