Corona:Länder wollen Impfreihenfolge ändern

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Mehrere Länder dringen darauf, das Personal von Kitas und Grundschulen deutlich schneller zu impfen als bislang geplant. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das Personal an Kitas und Grundschulen soll vorgezogen werden. Anlass sind die Öffnungen von Einrichtungen in dieser Woche - und die wieder gestiegenen Infektionszahlen in Deutschland.

Von Markus Balser, Boris Herrmann, Berlin, und Berit Uhlmann

Vor dem Hintergrund stagnierender Infektionszahlen und den bevorstehenden Schulöffnungen wird die Diskussion um neue Impfstrategien lauter. Mehrere Länder dringen darauf, das Personal von Kitas und Grundschulen deutlich schneller zu impfen als bislang geplant. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) unterstützen den Vorstoß.

Dazu müsste aber die geltende Impfverordnung geändert werden. Das ist innerhalb der Union umstritten. Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lehnt es ab, an der Impfreihenfolge etwas zu ändern. "Wir haben gut daran getan, dass wir die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission weitgehend übernommen haben", sagte Maag der Süddeutschen Zeitung. In solchen Mangelsituationen komme man sonst "in ganz schwierige Abwägungen". Es gibt viele weitere Beschäftigte in anderen für den Staat wichtigen Einrichtungen, etwa bei der Polizei und der Feuerwehr. "Da hilft es, sich an die Ratschläge der Wissenschaftler, der Fachleute zu halten", sagte Maag.

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In der EU gehen die Staaten in der Corona-Krise weiter unterschiedliche Wege. Indiens Premierminister lässt sich impfen.

Am Montag sollen in zehn Bundesländern Grundschüler wieder in die Schulen zurückkehren und Kitas wieder mehr Kinder in die Betreuung aufnehmen. Bei der Impfreihenfolge in Deutschland wurden drei große Gruppen festgelegt, Kita- und Grundschulbeschäftigte stehen aktuell in Gruppe drei und wären damit frühestens im Mai an der Reihe. Spahn sagte am Wochenende, es sei gesellschaftlich sehr wichtig, dass Kitas und Grundschulen wieder öffnen könnten. Weil dort aber der nötige Abstand nicht möglich sei, wolle man die Beschäftigten zügig in die Gruppe zwei nehmen und ihnen früher ein Impfangebot machen.

Corona-Fallzahlen wieder gestiegen

Einigen Ländern geht das aber angesichts der Schulöffnungen am Montag nicht schnell genug, sie fordern eine klare Ansage von Spahn, "sonst zerfleddert das". Am Montag will die Gesundheitsministerkonferenz der Länder dazu eine Entscheidung treffen. "Wir werden uns auch im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz für eine kurzfristige Änderung der Impfverordnung einsetzen", sagte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) der SZ. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetscheck unterstützt Pläne, Grundschullehrkräfte und Kita-Personal in die Priorisierungsgruppe zwei einzuordnen und sie damit früher zu impfen als bisher geplant.

Die Corona-Fallzahlen sind zuletzt nur noch langsam gesunken. Am Wochenende stiegen sie sogar wieder. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag 7676 neue Fälle; das sind etwa 1560 mehr als eine Woche zuvor. Der Inzidenzwert stieg am Sonntag auf 60,2, am Vortag hatte diese Zahl gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner noch bei 57,8 gelegen.

Die Situation wird dadurch erschwert, dass die Impfungen noch immer schleppend verlaufen und der jüngst zugelassene Impfstoff von Astra Zeneca offenbar teilweise auf Akzeptanzprobleme stößt. Den Gesundheitsministerien einiger Bundesländer zufolge hatten einige Mitarbeiter von Kliniken und Rettungsdiensten die Immunisierung ausgeschlagen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädierte dafür, den Astra-Zeneca-Impfstoff allen Menschen unter 65 Jahren zugänglich zu machen - unabhängig von der Prioritätengruppe. Es bleibe Impfstoff liegen, begründete er den Vorstoß in der Bild am Sonntag. Dem widersprach Jens Spahn. Es bleibe nichts liegen, sagte er. Wenn jemand die Impfung nicht wolle, werde sie dem nächsten angeboten. Nach einer Immunisierung mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff ist laut Spahn auch eine Nachimpfung mit einem anderen Wirkstoff "problemlos möglich" - für den Fall, dass noch Impfstoff verfügbar ist, wenn alle Impfwilligen geimpft sind.

Gute Nachrichten aus Israel

Eine Nachimpfung mit einem anderen Vakzin gilt als gesundheitlich unbedenklich. Ohnehin ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft regelmäßig gegen Covid-19 geimpft werden muss - ähnlich wie gegen die Grippe. Die Wirksamkeit des Vakzins von Astra Zeneca gegen Covid-19-Erkrankungen beträgt bisherigen Daten zufolge 62 Prozent, es ist damit weniger effektiv als die beiden bisher zugelassenen Konkurrenzprodukte. Allerdings schützt der Astra-Zeneca-Impfstoff genauso zuverlässig vor schweren Verläufen.

Optimistisch stimmende Nachrichten kommen derweil aus Israel, wo bereits ein Drittel der Bevölkerung geimpft ist. Laut einer noch nicht begutachteten und veröffentlichten Analyse der Daten von etwa 1,7 Millionen Geimpften erwies sich der Impfstoff von Biontech und seinem Partner Pfizer auch unter realen Bedingungen als sehr zuverlässig. Vollständig Immunisierte schützte er zu 93 Prozent vor Covid-Erkrankungen, schweren Verläufen und Todesfällen. Das Manuskript, das der SZ vorliegt, deutet zugleich darauf hin, dass der Impfstoff zu 90 Prozent auch Infektionen verhindert - darunter auch asymptomatische Ansteckungen. Allerdings wurde nicht systematisch nach symptomlosen Infektionen gesucht. Die Studienautoren räumen ein, dass ihre Arbeit nicht dazu ausgelegt ist, den Schutz des Vakzins vor Ansteckungen sicher einzuschätzen.

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