Bundesverfassungsgericht:Containern ist und bleibt Diebstahl

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Ein großer Teil der Lebensmittel, die noch essbar sind, werden entsorgt. Die App von Too Good To Go will das eigentlich verhindern. (Foto: Christiane Raatz/dpa)

Das Fischen von Lebensmitteln aus Mülltonnen kann weiter bestraft werden, selbst wenn die mitgenommene Ware komplett wertlos ist, entscheidet das höchste deutsche Gericht. Der Beschluss kommt nicht überraschend.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Immerhin kam die Antwort aus Karlsruhe schnell. Ein Dreivierteljahr ist vergangen, seit Caro und Franzi, zwei Studentinnen, Verfassungsbeschwerde eingelegt haben, weil Containern, also die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel, in Deutschland strafbar ist. Sie hatten in einer Nacht im Juni 2018 vor einem Supermarkt in Olching bei München Lebensmittel geklaut - aus einem Container, der in der Ladezone stand und verschlossen war. Sie wurden erwischt und zu je acht Stunden Sozialarbeit bei der örtlichen Tafel verurteilt. Eine milde Strafe also, aber eben eine Strafe. Nun folgte die Antwort des Bundesverfassungsgerichts, und sie fiel exakt so paragrafentrocken aus, wie es zu erwarten war: Containern ist und bleibt Diebstahl, auch dann, wenn die mitgenommene Ware komplett wertlos ist.

Das kam nicht sonderlich überraschend. Beim Eigentumsschutz ist das deutsche Recht so kleinlich wie humorlos. Ohnehin war den Klägerinnen wohl vor allem an der öffentlichen Kritik gelegen. Daran, dass in Deutschland nach Berechnungen der Universität Stuttgart 13 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll landen; andere sprechen von 18 Millionen. Und eben daran, dass man vor dem Strafrichter landet, wenn man weggeworfene Lebensmittel mitnimmt. Die Verfassungsbeschwerde, unterstützt von der Karlsruhe-erfahrenen "Gesellschaft für Freiheitsrechte", war also letztlich eine politische Aktion, um die Missstände einer Verschwendungsgesellschaft sichtbar zu machen.

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Der Beschluss des Verfassungsgerichts liefert nun eine juristische Einführung über den strafrechtlichen Schutz des Eigentums. Der Diebstahlsparagraf schütze die "Möglichkeit, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und jeden Dritten vom Umgang mit der Sache auszuschließen". Auf einen "objektiv messbaren Substanzwert oder auf eine wirtschaftliche Interessenverletzung" komme es dabei nicht an. Eigentum sei ein Rechtsgut von Verfassungsrang - und der Supermarkt habe ein Interesse an der Vernichtung der Lebensmittel, "um etwaige Haftungsrisiken beim Verzehr der teils abgelaufenen und möglicherweise auch verdorbenen Ware auszuschließen." Kurzum: Der Satz, wonach "Eigentum verpflichtet", hat im Strafrecht keine Spuren hinterlassen - es lässt hier keine Lücke.

Der einzige Ausweg, den das Gericht vorsichtig aufzeigt, ist der Verweis auf den Gesetzgeber. Es sei seine Sache festzulegen, was strafbar sei und was nicht. Und dann folgt ein Satz, dem man vielleicht doch eine gewisse Skepsis entnehmen kann. "Das Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat."

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