Grenzkonflikt im Himalaja:Eine kleine Sensation

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Ein indischer Militärkonvoi auf der Schnellstraße Richtung Ladakh, wo die "Line of Control" verläuft. (Foto: Dar Yasin/AP)

Zum ersten Mal seit drei Jahren tauschen sich die Staatschefs Xi Jinping und Narendra Modi direkt über den Konflikt von China und Indien im Himalaja aus. Warum es dabei auch um Imagepflege geht.

Von David Pfeifer

Neben der großen Sensation, dass die Brics-Staaten sich um einige Buchstaben erweitern wollen, kam es im Rahmen des Gipfels in Südafrika auch zu einer kleinen Sensation: einem Zusammentreffen von Narendra Modi und Xi Jinping. Die Staatschefs der zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt, Indien und China, trafen sich mit ihren Dolmetschern kurz in der sogenannten Lounge der Staatsoberhäupter, um über die lange schwelenden Grenzkonflikte zu sprechen.

Die Grenze zwischen Indien und China, die als "Line of Actual Control" (LAC) bezeichnet wird, ist etwa 3800 Kilometer lang und verläuft im Himalaja von Ladakh im Westen bis zum indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten zu mehreren Konflikten zwischen den beiden Atommächten geführt. Vor mehr als drei Jahren kam es zum jüngsten Zusammenstoß zwischen Patrouillen beider Länder, bei dem 24 Menschen starben. Seitdem herrschte Funkstille auf der obersten Ebene.

Die Beamten sollen "Bemühungen um eine rasche Entflechtung" intensivieren

Beide Länder stationierten je mehr als 100 000 Soldaten an der LAC, die durch neue Grenzposten auch eine neue Definition erhalten könnte, wie man vor allem in Delhi fürchtet. Noch unmittelbar vor dem Brics-Gipfel hatten Militärkommandeure beider Seiten fünf Tage lang Gespräche geführt, um eine Einigung zu erzielen. Beide Seiten erklärten anschließend, die Gespräche seien positiv verlaufen, doch Hinweise auf einen Truppenrückzug vor Ort gab es keine.

Nun also kam es endlich zu einem direkten Gespräch zu diesem Thema zwischen Modi und Xi. Die Staatschefs kamen dabei überein, "ihre zuständigen Beamten anzuweisen, die Bemühungen um eine rasche Entflechtung und Deeskalation zu intensivieren", wie Vinay Kwatra, Sekretär des indischen Außenministeriums, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Modi habe Xi auf "Indiens Besorgnis über die ungelösten Probleme entlang der LAC hingewiesen", so Kwatra.

Xi sagte laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zu Modi, "dass die Verbesserung der Beziehungen zwischen China und Indien den Interessen beider Länder dient" - und dem Frieden, der Stabilität und der Entwicklung förderlich sei. "Die beiden Seiten sollten die Gesamtinteressen ihrer bilateralen Beziehungen im Auge behalten und die Grenzfrage angemessen behandeln, um gemeinsam Frieden und Ruhe in der Grenzregion zu sichern", sagte Xi. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass beide Seiten unterschiedliche Wahrnehmungen haben, wer das Gespräch initiiert hat.

In Delhi warfen Hardliner chinesische Fernseher auf die Straßen

Die Hindustan Times berichtete unter Berufung auf Insiderquellen am Freitag, dass das Treffen von chinesischer Seite gewünscht worden sei. Modi habe deutlich gemacht, dass er die Truppenverstärkung der chinesischen Armee in Ost-Ladakh mit großer Sorge sehe, während China die Beziehung der Länder normalisieren wolle. Seit es im Jahr 1975 zu den letzten Scharmützeln an der LAC gekommen war, setzt Peking darauf, dass Grenzfragen von Wirtschaftsfragen getrennt werden.

Delhi sieht das entschieden anders und startete vor drei Jahren eine wirtschaftliche Entkopplung, die wohl eher eine Imagekampagne war. In Delhi warfen Hardliner ihre chinesischen Fernseher auf die Straßen, aber China bleibt Indiens größter Handelspartner, mit einem Außenhandelsdefizit von fast 70 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr.

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Das Vorgehen an der LAC zeigt also auch die Machtverhältnisse zwischen den beiden Riesenländern. "Eines ist ganz klar: China hat Indien Land weggenommen", sagte der indische Oppositionsführer Rahul Gandhi, der das Thema am Freitag bei einer Rede in der Stadt Kargil in Ladakh aufgriff, wo er sicher nicht zufällig zu Gast war, um einen Kranz zu Ehren der gefallenen Soldaten Indiens niederzulegen. Es sei traurig, dass der Premierminister behaupte, dass nicht einmal ein Zentimeter von Ladakh von China eingenommen wurde - "das ist eine Lüge". In Indien wird 2024 gewählt, der Wahlkampf läuft bereits donnernd an.

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