CDU und Flüchtlinge:Sechs nachdenkliche Minuten zur Migrationspolitik

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"Exzellente Erklärung christlich demokratischer Migrationspolitik": Karl-Josef Laumann (links) und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei der Pressekonferenz in Berlin. (Foto: Metodi Popow/Imago)

Eigentlich sollte NRW-Arbeitsminister Laumann über die Aktivrente sprechen. Aber dann wird er zur Debatte um die Zahnarzt-Äußerungen seines Parteichefs befragt. Seine Antwort bekommt viel Lob, sogar von den Grünen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es kommt in der extrem aufgeheizten Migrationsdebatte nicht oft vor, dass Spitzenpolitiker Vertreter der Konkurrenz loben. Im Gegenteil: Der FDP-Generalsekretär hat die Grünen gerade zum "Sicherheitsrisiko" für das Land erklärt. Und die Grünen haben sich auf die Union eingeschossen - auch wegen Äußerungen wie der von Friedrich Merz über abgelehnte Asylbewerber auf deutschen Zahnarztstühlen. Umso erstaunlicher sind jetzt die Reaktionen auf einen Auftritt von Karl-Josef Laumann.

Der Mann sitzt seit fast zwanzig Jahren im CDU-Präsidium. Er war Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, ist seit 2005 Chef des Arbeitnehmerflügels seiner Partei, saß 15 Jahre für die CDU im Bundestag - und ist jetzt Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen. Mehr CDU in der Biografie geht kaum.

Aber genau diesen Laumann lobt jetzt etwa der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Konstantin von Notz. "Der konstruktive, ringende und nach gemeinsamen Wegen suchende Ton" Laumanns sei "die Grundlage, gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen im Bereich der Migration zu suchen und zu finden", findet der Grüne. Was ist da passiert?

Debatte um Asylpolitik
:Merz: Nicht in "Schnappatmung" verfallen

Der Politiker verteidigt seine umstrittenen Äußerungen in der Asyldebatte. Der Vize-Chef des CDU-Sozialflügels hingegen sagt: "Viele CDU-Mitglieder schämen sich für ihren Parteivorsitzenden."

Am Freitag hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu einer Pressekonferenz ins Konrad-Adenauer-Haus geladen. Er wollte für die "Aktivrente" werben, mit der er das Arbeiten für Rentner attraktiver machen möchte. Dazu hatte Linnemann zwei Männer mitgebracht. Einen Professor, der ein Gutachten zur Aktivrente geschrieben hat. Und eben Laumann - als Arbeitsminister ebenfalls kundige Stimme zu diesem Thema.

Doch dann fragte eine Journalistin den Arbeitsminister, ob er in seinem Bundesland das von Merz beklagte Phänomen beobachte, dass sich abgelehnte Asylbewerber auf Kosten des Staates die Zähne neu machen lassen würden. Und es folgte die sechs Minuten lange Antwort Laumanns, die der Grüne Konstantin von Notz und viele andere jetzt so loben.

Aber was hat Laumann nun gesagt?

Der Minister kennt Friedrich Merz seit Jahrzehnten. Und er ist ein loyaler Mensch - im Arbeitnehmerflügel kritisieren sie manchmal, dass Laumann zu vorsichtig auftreten würde. Gleichzeitig gilt der gelernte Maschinenschlosser im Politikbetrieb als ehrliche Haut. Deswegen muss er sich am Anfang seiner Antwort etwas winden: Wie sage ich, dass Merz mit seiner Zuspitzung nicht recht hat, ohne zu sagen, dass Merz nicht recht hat?

"Also, es ist so, dass wir schon eine Überforderung der Systeme haben", sagt Laumann. Aber was "ganz konkret die Zahnärzte angeht, ist es nicht so, dass ich Ihnen jetzt sagen kann, dass wir da ein großes Problem haben". Dafür habe man "keine Anzeichen". Doch "weg vom Beispiel Zahnärzte" sei es schon die Wahrheit, dass er - wo immer er in Nordrhein-Westfalen auftrete - gesagt bekomme: "Wir wissen nicht mehr, wie wir es machen sollen."

In seinem Bundesland sehe man "eine Zuwanderung von fünf- bis sechstausend Leute pro Woche", sagt Laumann. Und die Flüchtlingsministerin müsse sehen, wie sie "das irgendwie hinkriegt - das fällt ihr immer schwerer". Es fehle nicht nur an Wohnungen. In Nordrhein-Westfalen habe man hunderttausend Kinder in den Schulen, von denen man vor zwei Jahren noch gar nicht wissen konnte, dass sie da sein werden. Natürlich habe man "jedes Kind gern und jedes Kind lieb". Und man werde "alles tun, dass es einen guten Kitaplatz kriegt, dass es gut in der Schule ist."

Aber Lehrer würden nicht auf den Bäumen wohnen, sie seien "auf dem Arbeitsmarkt nicht zu kriegen" - und Räume gebe es auch nicht genug. Deswegen finde er, dass man sagen müsse: "Wir sind in vielen Bereichen an die Grenzen unserer Kapazitäten angekommen - und das spüren die Menschen."

"Ich finde, wir sind in Deutschland zu Recht stolz auf unser Asylrecht"

Als jemand, der schon sehr lange in der Politik sei, treibe ihn das Problem um, sagt Laumann. "Ich finde, wir sind in Deutschland zu Recht stolz auf unser Asylrecht." Aber man werde "eine gute öffentliche Stimmung für dieses Asylrecht in der Breite der Bevölkerung nur behalten, wenn es uns stärker gelingt, dieses Asylrecht auf die zu konzentrieren, die damals damit gemeint waren - nämlich Menschen, die in einer Situation leben, wo sie - egal aus welchem Grund - verfolgt werden".

Andere Menschen, die nach Deutschland gekommen seien, hätten "vielleicht individuell gute Gründe, hier zu sein - oft auch sicherlich große Armutsprobleme - aber das ist nicht über das Asylrecht gedeckt". Um die Akzeptanz "für das beste Asylrecht dieser Erde in Deutschland zu behalten" müsse man jetzt zu Lösungen kommen, "die dafür sorgen, dass sich unsere Gastfreundschaft sehr stark konzentriert auf wirklich verfolgte Menschen". Er würde sich freuen, wenn alle demokratischen Parteien diese Debatte gemeinsam führen würden.

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In der CDU - und auch das ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich - bekam Laumann für dieses Statement lagerübergreifend Zuspruch. Laumann beschreibe "wunderbar den Kern einer humanitären christdemokratischen Asyl- und Flüchtlingspolitik, die gleichermaßen den Kern des Asylrechts und die Akzeptanz der Bevölkerung erhalten will", schrieb etwa die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien auf der Plattform X. Prien gehört zu den schärfsten Kritikern des Verhaltens der Thüringer CDU gegenüber der AfD. Aber auch der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt lobte Laumann. Dessen Statement sei eine "exzellente Erklärung christlich demokratischer Migrationspolitik".

Emily Büning, die politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, nutzte den Laumann-Auftritt dann aber doch noch, um Friedrich Merz einen mitzugeben: Was Laumann sage, gebe "Hoffnung, dass es in der CDU auch noch Stimmen gibt, die sich nicht auf spalterische Ressentiments beschränken".

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