"Werkstattgespräch" zur Flüchtlingspolitik:Allerlei Experten statt alter Kontrahenten

Abschluss 'Werkstatt-Gespräch' der CDU

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Thomas Strobl, dem CDU-Innenminister von Baden-Württemberg.

(Foto: dpa)
  • Die gut hundert Teilnehmer des CDU-"Werkstattgesprächs" sollten am Montag konkrete Vorschläge erarbeiten.
  • Unter anderem empfahlen sie, den Ausreisegewahrsam auszuweiten und die Sicherungshaft zu erleichtern.
  • Vorsätzliche falsche Angaben von Asylbewerbern sollen zur Beendigung des Asylverfahrens führen.

Von Robert Roßmann, Berlin

So schwarz-rot-gold wie an diesem Montag war das Atrium der CDU-Zentrale vermutlich noch nie. Am Abend der Bundestagswahl 2013 hatte die Kanzlerin just an dieser Stelle ihrem damaligen Generalsekretär noch ein Deutschlandfähnchen aus der Hand gerissen. Angela Merkel fand den schwarz-rot-goldenen Jubel unpassend.

Und jetzt? Die CDU hat gut 100 Stühle aufstellen lassen - je drei Reihen in Schwarz, Rot und Gold. Die Farbgebung ihrer Plakate hat die Partei zwar schon 2017 von Orange auf Schwarz-Rot-Gold umgestellt. Die CDU stehe für einen "aufgeklärten, offenen und modernen Patriotismus" und wolle der AfD die Farben nicht überlassen, hieß es damals. Aber so viel Schwarz-Rot-Gold wie an diesem Montag in Berlin, das ist ungewöhnlich bei den Christdemokraten.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat zu einem "Werkstattgespräch" über Merkels Flüchtlingspolitik in die Parteizentrale geladen. Auch dabei geht es - zumindest indirekt - darum, der AfD nichts zu überlassen. Im Herbst wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Die AfD liegt dort in den Umfragen zwischen 19 und 25 Prozent - und damit fast auf Augenhöhe mit der CDU. Und nicht wenige in der Union sind der Ansicht, dass das auch mit Merkels Flüchtlingspolitik zu tun hat.

Im September 2015, als Merkel die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge nach Deutschland einreisen ließ, war die AfD bundesweit noch unter fünf Prozent gelegen. Der Streit um die Flüchtlingspolitik hat im vergangenen Jahr nicht nur fast zum Bruch zwischen CDU und CSU geführt. Er hat auch innerhalb der CDU viele Gräben aufgerissen.

Kramp-Karrenbauer will diese wieder schließen. Wie groß die Aufgabe ist, die sich die neue Chefin da aufgeladen hat, haben gerade Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und sein Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) demonstriert. De Maizière hat in seinem neuen Buch Seehofers Klage von der "Herrschaft des Unrechts" als ehrabschneidend verurteilt und das Verhalten bayerischer Kommunalpolitiker im Herbst 2015 kritisiert. Seehofer wies das empört zurück.

Angela Merkel ist nicht erschienen. Das wollte sie sich nicht antun

Insofern war es vermutlich ganz gut, dass Seehofer und de Maizière nicht unter den Teilnehmern des Werkstattgesprächs waren, sie hätten das Knüpfen der neuen Bande nur erschwert. Auch Merkel war nicht gekommen. Wahlweise als Angeklagte oder Selbstverteidigerin auftreten zu müssen, das wollte sie sich nicht antun. Gleich zum Auftakt des Werkstattgesprächs am Sonntagabend sagte Kramp-Karrenbauer, manche in der CDU würden erwarten, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema zu einer "Art Tribunal" werde, andere wollten dies genau nicht. Für sie gehe es dagegen vor allem darum, die richtigen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen.

Kramp-Karrenbauer warnte davor, mit nationalen Maßnahmen die europäische Einheit zu gefährden. Es sei immer Aufgabe der CDU gewesen, Sicherheit zu garantieren und national funktionierende Lösungen zu finden. Dadurch dürfe aber der zweite "Schutzmantel, den wir brauchen, nämlich ein starkes und funktionierendes Europa", nicht aufgegeben oder gefährdet werden. Dieser Spagat müsse auch in Zukunft gewährleistet werden.

Das Werkstattgespräch begann dann mit einem Fachgespräch von vier Experten. Die Professoren Christian Hillgruber, Daniel Thym und Egbert Jahn sowie der Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, bildeten dabei ziemlich gut all die Positionen ab, die es in der CDU in den vergangenen Jahren gab. Durch dieses Setting wurde inhaltlich debattiert - und nicht personalisiert nach dem Motto: "Wer hatte recht, Merkel oder Seehofer?" Es entspann sich ein phasenweise lehrreiches Gespräch, bei dem die Probleme der Praktiker allerdings zu kurz kamen.

Das änderte sich am Montag. Die gut hundert Teilnehmer sollten konkrete Vorschläge erarbeiten. Und das taten sie dann auch. Unter anderem empfahlen sie, den Ausreisegewahrsam auszuweiten und die Sicherungshaft zu erleichtern. Außerdem soll es nur noch ein Asylverfahren innerhalb der EU geben. Vorsätzliche falsche Angaben von Asylbewerbern sollen zur Beendigung des Asylverfahrens führen. Nach einer Abschiebung aus Deutschland soll sichergestellt werden, dass es keine Wiedereinreise in den Schengenraum gibt. Und im Fall einer Wiedereinreise soll es keine Sozialleistungen geben.

Was aus all diesen Vorschlägen wird, ist allerdings noch unklar. Kramp-Karrenbauer sagte zum Abschluss des Gesprächs, die Ideen würden jetzt in der Partei diskutiert. Dann werde man entscheiden, welche man in welcher Form übernehme. In jedem Fall gelte aber der Leitsatz: Wer wolle, dass das Asylrecht erhalten bleibt, der müsse dafür sorgen, dass es wirklich nur für die angewandt wird, die Schutz brauchen.

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