Drogenpolitik:Bundestag beschließt Legalisierung von Cannabis

Lesezeit: 3 min

Den Konsum von Cannabis zu erlauben, war schon beim Amtsantritt der Koalition einer der wenigen Punkte, in dem sich alle einig schienen. Trotzdem hat es bis jetzt gedauert. (Foto: Richard Vogel/AP)

Die Ampelfraktionen stimmen für die kontrollierte Freigabe der Droge. Bis zu 25 Gramm soll man künftig im öffentlichen Raum mit sich führen dürfen. Der Weg dorthin war steinig.

Von Angelika Slavik, Berlin

Am Ende geht es noch einmal richtig zur Sache. "Als ob wir im Studentenparlament wären", argumentiere die Opposition, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Union wiederum findet, man habe es hier mit einem "völlig absurden" Kurs zu tun. Andere Länder "schauen fassungslos auf Deutschland", sagt die CDU-Abgeordnete Simone Borchardt. Jörg Schneider von der AfD prognostiziert, der Schwarzmarkt werde boomen und das Angebot "noch dreckiger und ungesünder als bisher". Mit so viel Energie wird kurz vor dem Wochenende im Bundestag nicht immer debattiert. An diesem Freitagnachmittag aber sind hier alle noch wach: Die Ampel will den Konsum von Cannabis legalisieren. Es ist 15.44 Uhr, als klar ist, dass das auch wirklich klappt - von April an darf in Deutschland gekifft werden.

Der Weg dahin war turbulent. Dabei war die Cannabis-Legalisierung schon beim Amtsantritt der Koalition einer der wenigen Punkte, in dem sich alle drei Parteien einig schienen. Vor allem am Anfang war die Begeisterung in der Koalition groß: Ein Imagevideo von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wurde ein Internet-Hit, die darin enthaltene Frage "Wann Bubatz legal?" avancierte zum inoffiziellen Slogan der Legalisierungsbefürworter. Sogar Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), nicht eben für übermäßige Lockerheit bekannt, sprang auf den Trend auf und twitterte die passende Antwort zur viralen Frage: "Ich würde sagen: Bald."

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Das ist fast zwei Jahre her, und seither hat das Projekt Legalisierung einiges durchgemacht. Da waren zum Beispiel die ursprünglichen Pläne des Bundesgesundheitsministers: Der wollte zunächst einen staatlich kontrollierten Zyklus von Anbau über Transport bis Vertrieb, lückenlos dokumentiert vom einzupflanzenden Samen bis zum Verkauf im lizenzierten Geschäft. "Ein Modell für Europa" könne das werden, sagte Lauterbach damals, die vollkommene Revolution in der Drogenpolitik. Daraus wurde nichts, auch weil die EU-Kommission früh darauf hinwies, dass eine so weitreichende Legalisierung und ein kommerzieller Verkauf mit EU-Recht nicht vereinbar sein würden.

"Ein Modell für Europa" versprach Lauterbach einst - daraus wurde nichts

Der Enthusiasmus des Ministers nahm daraufhin deutlich ab, seine Phase als Legalisierungs-Fan blieb eine kurze. Seither trieb Lauterbach das Gesetz zwar weiter voran, konzentrierte sich aber auch in seiner öffentlichen Kommunikation vor allem wieder auf die gesundheitlichen Risiken von Cannabis. In Berlin galt es als ein offenes Geheimnis, dass Lauterbach mit einem Scheitern des Projekts auch ganz gut leben könnte.

Kurz vor Weihnachten sollte dann die Legalisierung eigentlich schon beschlossen werden - doch plötzlich regte sich Widerstand innerhalb der SPD. Vor allem die Innenpolitiker hatten Bedenken. Die Abstimmung über das Cannabis-Gesetz flog kurzfristig wieder von der Tagesordnung des Bundestags: Man sei nicht sicher, ob es eine Mehrheit dafür gebe, war bei den Sozialdemokraten zu hören. Auch nach der Weihnachtspause schaffte es die geplante Revolution in der deutschen Drogenpolitik erst einmal nicht in den Bundestag. Mitte Januar hieß es gar, es sei "absolut unklar, ob das noch was wird".

"Wer 25 Gramm dabeihat, ist kein Konsument, sondern ein Kleindealer", so ein Kritiker

Einer der erbittertsten Kämpfer gegen das Gesetz war der SPD-Politiker Sebastian Fiedler, vormals Kriminalhauptkommissar und Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter. Er störte sich unter anderem an den aus seiner Sicht allzu großzügig bemessenen Grenzen für den erlaubten Besitz: 25 Gramm, die man künftig im öffentlichen Raum mit sich führen dürfe, brauche kein Mensch für den persönlichen Gebrauch, argumentierte Fiedler. 25 Gramm entsprächen schließlich ungefähr 75 Joints. "Wer 25 Gramm dabeihat, ist kein Konsument, sondern ein Kleindealer."

In den Ländern gab es ebenfalls Bedenken: Im Auftrag der Innenministerkonferenz erstellte das Bundeskriminalamt einen Bericht über mögliche Folgen der Legalisierung. Darin hieß es unter anderem, eine Entlastung der Polizei sei nicht zu erwarten - dabei war das eines der zentralen Argumente für eine Cannabis-Freigabe. Schlimmer noch: "In der Gesamtschau kann festgestellt werden, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen in Form von Personal- und Sachkosten zukommen werden", so stand es in dem Bericht. Noch mehr Arbeit für die Polizei also. Und auch die Richtervereinigung zeigte sich kritisch.

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Im Laufe der Woche zeichnete sich dann aber ab, dass es in der SPD zwar Gegenstimmen geben würde - allerdings nicht genug, um die Koalitionsmehrheit im Bundestag ernsthaft zu gefährden. Zumal auch die Linken durchblicken lassen, dass sie der Legalisierung zustimmen würden. Trotzdem ging es im Gesundheitsausschuss am Mittwoch noch einmal hoch her. 30 Änderungsanträge wurden eingebracht, die Debatte wurde emotional. Am Ende stimmte der Ausschuss dem Gesetzentwurf zu.

Man müsse einsehen, dass die bisherige Verbotspolitik gescheitert sei, sagte Bundesgesundheitsminister Lauterbach. "Wir können so nicht weitermachen." Zwischen 2011 und 2021 sei der Cannabis-Konsum von Kindern und Jugendlichen um 50 Prozent gestiegen, der von jungen Erwachsenen gar um hundert Prozent. Zudem gebe es zunehmend Probleme mit Beimengungen oder Produkten mit sehr hoher THC-Konzentration. Es sei deshalb notwendig den Schwarzmarkt zu bekämpfen, besonders um junge Menschen besser zu schützen. "Die Suchtforscher geben uns mit auf den Weg: Das ist der Weg, der funktioniert."

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