Neue Bundeswehr-Struktur:Führung aus einer Hand

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Es ist entschieden: Verteidigungsminister Boris Pistorius und Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, erläutern die neue Bundeswehrstruktur. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Boris Pistorius hat seine Pläne für die "Bundeswehr der Zeitenwende" vorgestellt. Die Kompetenzen sollen künftig gebündelt werden - doch das Konzept des Verteidigungsministers stellt nicht alle zufrieden.

Von Sina-Maria Schweikle, Berlin

Schlankere Strukturen, schnellere Einsatzfähigkeit - "kriegsfähig". Das hat sich Boris Pistorius (SPD) für die Bundeswehr vorgenommen. Um das Ziel einer "Bundeswehr der Zeitenwende" zu erreichen, hat er vor fünf Monaten den Auftrag erteilt, die Führungsstruktur der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen. Seitdem arbeitete eine Projektgruppe an einem Reformkonzept, das dem Verteidigungsminister vorgelegt wurde. Am Donnerstag verkündete er seine Entscheidung über die Umstrukturierung der Bundeswehr. "Heute ist ein Signal des Aufbruchs", sagte Pistorius in Berlin. Das erklärte Ziel: die Bundeswehr in ihren Strukturen so umzubauen, dass sie "für den Ernstfall, den Verteidigungsfall, den Kriegsfall optimal aufgestellt ist".

Die Streitkräfte werden reformiert, die zivile Verwaltung angepasst. Bis 2031 soll die Bundeswehr über 203 000 Soldatinnen und Soldaten verfügen, derzeit sind es knapp 181 000. Um die Truppe zu stärken, sollen etwa Soldatinnen und Soldaten von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, damit sie für den Einsatz zur Verfügung stehen. Mit flexibleren, agileren und effizienteren Strukturen werde die Landes- und Bündnisverteidigung an die aktuelle Bedrohungslage angepasst. Für die geplanten Anpassungen hat der Minister den Streitkräften ein halbes Jahr Zeit gegeben. Militärexperte Carlo Masala blickt skeptisch auf die Umstrukturierung "Ich glaube, Kriegsfähigkeit ist eine Frage von Material und Mindset. Diese Strukturen tragen vielleicht ein bisschen dazu bei, aber das ist nicht das Entscheidende", sagt der Politik-Professor von der Bundeswehr-Uni in Neubiberg.

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Operatives Führungskommando

Künftig soll die Bundeswehr ein gemeinsames Operatives Führungskommando erhalten, das sowohl für das Inland als auch für das Ausland zuständig ist. Planung und operative Führung der Bundeswehr sollen dadurch "aus einer Hand" geschehen. Bislang werden die einzelnen Einsätze der Bundeswehr vom Einsatzführungskommando in Potsdam für Auslandseinsätze, und vom Territorialen Kommando mit Sitz in Berlin für die Landesverteidigung und Unterstützungsleistungen im Innern geplant und geführt. Durch die Zusammenlegung sollen schnellere Entscheidungen aufgrund eines gemeinsamen Gesamtbildes getroffen werden. Das operative Führungskommando soll künftig zentraler Ansprechpartner für die Nato, Bundesländer, aber auch das THW werden.

In der FDP ist man von dieser Umstrukturierung überzeugt. Dass Pistorius die Strukturreform angeht, sei für die Bundeswehr ein gutes Zeichen und Ausdruck der Zeitenwende, sagt der verteidigungspolitische Sprecher Alexander Müller. "Die Schaffung eines einheitlichen Führungskommandos in diesem Rahmen ist ein richtiger und überfälliger Schritt."

Wehrpflicht

"Wir haben bei den Strukturen mitgedacht, dass es zur Wiedereinführung einer wie auch immer gearteten Wehr-/Dienstpflicht kommen könnte", sagt Pistorius. Das bedeute aber nicht, dass sie nicht funktionieren würden, wenn es die Wehrpflicht nicht gebe. Er geht davon aus, dass ihm noch im April ein Übersichtspapier über mögliche Modelle vorgelegt wird. Im Anschluss kämen die politischen Gespräche. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht stößt bei den Koalitionspartnern und in den eigenen Reihen auf Kritik und Widerstand.

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Teilstreitkräfte

Da die Landes- und Bündnisverteidigung über die konventionellen Dimensionen der Kriegsführung zu Lande, zu Wasser und zur Luft hinaus zunehmend auch durch hybride Taktiken und im digitalen Raum stattfindet, wird es künftig vier statt drei Teilstreitkräfte geben. Das Kommando Cyber- und Informationsraum wird als eigenständige Teilstreitkraft aufgewertet. Ihr Aufgabengebiet wird etwa die Analyse hybrider Bedrohungen beinhalten, wie etwa durch Desinformationskampagnen.

Unterstützungskommando

"Im Unterstützungskommando sind die Fähigkeiten gebündelt, die in allen Dimensionen gebraucht werden", sagt Boris Pistorius. Dazu zählen ein zentraler Sanitätsdienst und die Streitkräftebasis, als Servicedienstleister der Bundeswehr mit ihren Kompetenzen wie Logistik, ABC-Abwehr und die Feldjäger. Sie sollen dem neu zu gründenden Kommando Unterstützung eingeordnet werden. Damit sollen die Gesundheitsversorgung und Logistik für die Teilstreitkräfte aus einer Hand erfolgen, damit alle Teilstreitkräfte bei Bedarf auf all diese Fähigkeiten zugreifen können.

In einem vorherigen Eckpunkteplan war vorgesehen, das ABC-Abwehrkommando und die Feldjäger dem Heer zu unterstellen. Das wird nun unterbleiben. Aus Bundeswehrkreisen war zu hören, dass es darüber hitzige Diskussionen zwischen Generalinspekteur Carsten Breuer, Heeresinspekteur Alfons Mais und Boris Pistorius gab. Das Heer habe schon genug zu tun, etwa mit dem Aufbau der Brigade Litauen, lautet das Argument des Ministers, es solle nicht noch mit einer Umstrukturierung belastet werden.

Luftwaffe

Auch bei der Luftwaffe sollen die Kompetenzen gebündelt werden. Künftig soll das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) zur Luftwaffe gehören. Es ist etwa für Zulassungen und Zertifizierungen zuständig. Auch soll die Continuing Airworthiness Management Organisation der Bundeswehr (CAMOBw) als eigene Dienststelle der Luftwaffe zur Stärkung der materiellen Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit im Einsatz aufgestellt werden. "Mit dieser Strukturreform macht die Luftwaffe einen großen Schritt in Richtung Kriegstüchtigkeit. Alles für die Einsatzbereitschaft unserer Luftfahrzeuge nun aus einer Hand", sagt der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, der Süddeutschen Zeitung.

Nicht alle zeigen sich von den Reformplänen des SPD-Politikers beeindruckt. "Pistorius konnte die Erwartungen, die er selbst im Vorfeld aufgebaut hat, nicht erfüllen", sagt Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) der Süddeutschen Zeitung. Letztlich bleibe es bei Anpassungen in der Spitzengliederung der Bundeswehr, eine tiefgründige Reform, die angesichts der Lage überfällig sei, bleibe aus. "Es ist noch nicht einmal absehbar, ob diese Anpassungen wirklich eine Beschleunigung der Entscheidungen ermöglichen, denn insgesamt drängt sich der Eindruck auf, es werden jetzt nur Türschilder, Mail-Adressen und Briefköpfe ausgewechselt in der Bundeswehr. Ansonsten bleibt alles beim Alten."

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