Bundeswehr in Afghanistan:Einsatz wird riskanter

Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung schickt 500 zusätzliche Soldaten - und beschließt eine neue Strategie für Afghanistan. Deutsche Soldaten werden unter höherem Risiko arbeiten müssen.

P. Blechschmidt, S. Höll und M. Winter

Die neue Strategie für die Bundeswehr in Afghanistan erhöht das Risiko für die Soldaten. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kündigte am Montag an, die Bundeswehr solle "mehr Präsenz in der Fläche" zeigen. Dazu gehört auch, mit afghanischen Einheiten in Kampfeinsätze zu gehen. Die neue Maßgabe ist Teil des Gesamtkonzepts, mit dem die Bundesregierung am Donnerstag in die internationale Afghanistan-Konferenz in London gehen will.

Soldaten des Charly-Zugs der Schutzkompanie der Bundeswehr sind in Kundus in Afghanistan auf Patrouille unterwegs. (Foto: Foto: AP)

Das Konzept sieht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor, das Bundeswehr-Kontingent um 500 Mann aufzustocken. Zudem soll die Zahl der Polizeiausbilder verdreifacht und die Entwicklungshilfe verdoppelt werden. Endgültig verabschiedet werden sollte das Verhandlungspaket für London am Montagabend in einer Ministerrunde unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Echt perspektivisch"

Dazu waren die zuständigen Ressortchefs Guido Westerwelle (Außen), Karl-Theodor zu Guttenberg (Verteidigung), Thomas de Maizière (Innen) und Dirk Niebel (Wirtschaftliche Zusammenarbeit) ins Kanzleramt gebeten. Konkrete Entscheidungen sollen nach Angaben von Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans jedoch erst im Lichte der Londoner Ergebnisse getroffen werden.

Verteidigungsminister zu Guttenberg sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der von ihm entwickelte Strategiewechsel lege den Schwerpunkt darauf, die Bevölkerung zu schützen, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und die zivile Aufbauhilfe zu verstärken und zu sichern. Dazu gehöre, dass sich die Bundeswehr auch außerhalb ihrer Feldlager an der Ausbildung beteilige.

Der Minister räumte ein, dass Präsenz in der Fläche auch bedeute, dass Soldaten unter Feuer kommen könnten und sich wehren müssten. Nähe zur Bevölkerung heiße jedoch "nicht automatisch mehr Risiko für die Soldaten", fügte Guttenberg hinzu.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München, der Einsatz sei nun "echt perspektivisch" angelegt, insofern sei er "sehr einverstanden" damit. Auch die geplante Entsendung zusätzlicher deutscher Soldaten könne er nun mittragen.

Neue Kampftruppen sind für die SPD tabu

Der Bundeswehrverband hat Bedenken gegen die neue Strategie an. Er sehe eine Gefahr in der schwachen Disziplin der afghanischen Armee, sagte Verbandssprecher Wilfried Stolze. Immer wieder ließen sich Afghanen von der Nato ausbilden und liefen dann zu den Taliban über.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel machte in Berlin klar, dass die SPD zwar über eine maßvolle und zeitlich begrenzte Aufstockung des Kontingents mit sich reden lasse, nicht aber über mehr Kampftruppen. Nach Sitzungen von Präsidium und Vorstand sagte Gabriel, das Nein der SPD beziehe sich nicht auf zusätzliche Ausbilder. In Gesprächen mit Merkel werde die SPD ihre Forderung nach einem Abzug der Bundeswehr bis spätestens 2015 einbringen.

Die Außenminister der EU-Staaten beschlossen gemeinsame Positionen für die Afghanistan-Konferenz in London, deren Kern es ist, wirtschaftlich attraktive Angebote an die Mitläufer der Taliban zu machen, um sie zum Aussteigen zu bewegen. Durch eine Politik der "Versöhnung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer" solle den Aufständischen der Boden entzogen werden, sagte Außenminister Westerwelle.

Die afghanische Regierung und ihre Partnerländer sollen das Programm gemeinsam tragen. Vor der Konferenz trifft der afghanische Präsident Hamid Karsai in Berlin zweimal Kanzlerin Merkel. An einem Essen am Dienstagabend nehmen neben den Fachministern auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen teil, die schon am Morgen im Kanzleramt informiert werden sollten.

© SZ vom 26.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Die Geschichte Afghanistans
:Im 30-jährigen Krieg

Fast zehn Jahre nach den Terroranschlägen in New York und dem Einmarsch der USA in Afghanistan fragt sich die internationale Gemeinschaft noch immer, wie es am Hindukusch weiter gehen soll. Seit Jahrzehnten muss das Land mit Krieg und Armut leben. Die Geschichte in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: