Bundeswehr-Beschaffung:Aufklärungsschiffe sollen 1,2 Milliarden Euro teurer werden

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Das Marine-Flottendienstboot "Alster" zählt zu den Schiffen, die nun durch einen Neubau ersetzt werden sollen. (Foto: Jens Büttner/DPA)

Prüfer des Bundesrechnungshofs hatten vor einer Kostenexplosion gewarnt. Vergeblich: Die Regierung will den Haushaltsausschuss nun zwingen, rasch einen enormen Preissprung durchzuwinken.

Von Martin Kaul, Kristiana Ludwig, Nils Naber und Mike Szymanski, Berlin

Die drei neuen Aufklärungsschiffe, die das Verteidigungsministerium derzeit bauen lässt, sollen ganze 1,2 Milliarden Euro teurer werden als ursprünglich geplant. Dies geht aus einer internen Vorlage für den Haushaltsausschuss hervor, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt. Demnach reichen die zwei Milliarden Euro, die das Rüstungsprojekt einmal kosten sollte, bei Weitem nicht aus.

Den Abgeordneten, die in der kommenden Woche darüber entscheiden sollen, lässt die Bundesregierung in dem Schreiben nur wenig Spielraum. Sie will eine schnelle Zustimmung erzwingen und argumentiert, der Bedarf sei "zeitlich unabweisbar, da der Auftragnehmer sich an die im 1. Änderungsvertrag vereinbarten Konditionen nur gebunden hält, sofern der Änderungsvertrag bis zum 1. August 2023 abgeschlossen wird". Sollte das nicht möglich sein, so argumentiert das Verteidigungsministerium, wären "die Folgen für den dann zu vereinbarenden Preis sowie die daraus resultierenden Zeitlinien heute noch nicht abschätzbar". Das heißt: Wenn die Haushälter dieser Kostensteigerung nicht schnell zustimmen, könnte es sogar noch teurer werden.

Ein Schiffsexperte kann den Preissprung nicht nachvollziehen

Die höheren Preise seien unter anderem wegen der Inflation, der "unsicheren weltpolitischen Lage" und der Stundensätze bei der Werft entstanden, heißt es auf Anfrage aus dem Verteidigungsministerium. Die veränderte sicherheitspolitische Lage erfordere auf den Flottendienstbooten nun auch eine teurere Ausstattung.

Der Schiffsexperte Stefan Krüger, der das Projekt im Auftrag des Beschaffungsamts der Bundeswehr geprüft hatte, hat allerdings kein Verständnis für den Kostensprung. Er sei ihm "aus technischer Sicht nicht einleuchtend". Man habe "den ursprünglichen Entwurf technisch so weit überarbeitet, dass alle Forderungen an das Schiff mit weniger technischem Aufwand erfüllt werden können, als das für den Ursprungsentwurf der Fall war. Somit sollten die Schiffe aus rein technischer Sicht eigentlich nicht teurer geworden sein", sagt Krüger.

"Aber es ist unstrittig, dass wir diese Schiffe brauchen", heißt es aus der SPD

Bereits beim Abschluss des Vertrags mit der Bremer Werft Naval Vessels Lürssen (NVL) im Juni 2021 hatten Prüfer des Bundesrechnungshofs "erhebliche Bedenken" angemeldet. Sie kritisierten, dass der Bund erst nach Vertragsabschluss mit der Werft besprechen wollte, wie genau die Schiffe gebaut werden sollen - eine Milliardenvergabe im Blindflug und eine denkbar schlechte Verhandlungssituation: Der Bundesrechnungshof befürchtete schon damals "mittelfristig zusätzliche Ausgaben". NVL nahm auf Anfrage keine Stellung zu der Kostensteigerung, "aufgrund von Geheimhaltungsvorschriften", wie es schriftlich heißt.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, zuständig für die Ausgaben im Rüstungsbereich, sagt heute: "Ich habe kommen sehen, dass sich das so entwickelt. Aber es ist unstrittig, dass wir diese Schiffe brauchen. Und wenn wir im Rüstungsbereich die heimische Wirtschaft stärken wollen, dann müssen wir auch in Kauf nehmen, dass das zu entsprechenden Mehrkosten führt." Seine Argumente sind weder die Weltlage noch die Inflation - sondern die Werftarbeiter in Deutschland.

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