Koalitionsverhandlungen:"Die Zeit für Armin Laschet, noch einen würdevollen Abgang zu finden, wird knapp"

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Karl Lauterbach kommt zur ersten Fraktionssitzung der SPD nach der Bundestagswahl. (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach rechnet mit der schnellen Bildung einer Ampel-Koalition - und empfiehlt dem CDU-Chef den baldigen Rückzug.

Von Angelika Slavik, Berlin

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach rechnet mit einer schnellen Bildung einer Ampel-Koalition. "Die Akteure, auf die es nun ankommt, kennen sich sehr gut", sagte Lauterbach an diesem Sonntag im Rahmen einer Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung in Berlin. "Wir kennen die Wahlprogramme, die Schnittmengen, wir wissen ganz genau, dass wir uns gegenseitig Luft lassen müssen. Jeder muss vor der eigenen Wählerschaft bestehen können."

Bei den Verhandlungen wolle seine Partei vorab keine roten Linien definieren. "Es wird in vielen Bereichen Abstriche geben, alles andere wäre naiv. Wir gehen in ein Dreierbündnis." Als zentrales Thema einer möglichen Ampel-Koalition nannte Lauterbach die Klimapolitik. "Wir brauchen ein wirklich gutes Programm für die Klimakatastrophe. Wir müssen da viel erreichen, das schulden wir unseren Kindern."

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SPD und Union haben sich in die Sondierungsgespräche eingeschaltet. Über den Ausgang hält man sich erstmal bedeckt, doch die Sozialdemokraten wollen möglichst bald über eine Ampel-Koalition reden.

Dass Armin Laschet die Union doch noch in ein Regierungsbündnis führen und der SPD das Kanzleramt abspenstig machen könnte, glaubt Lauterbach nicht - er erwartet einen Rückzug des CDU-Chefs. "Die Zeit für Armin Laschet, noch einen würdevollen Abgang zu finden, wird knapp", sagte Lauterbach. Deshalb rechne er sehr schnell damit. Im Rahmen von gescheiterten Gesprächen über eine Regierungsbildung etwa könnte Laschet argumentieren, er habe "die Ehre der Union gerettet", indem er sich nicht auf zu große Zugeständnisse eingelassen habe, prognostizierte Lauterbach. So könne der CDU-Chef seinen Posten räumen, ohne das Gesicht zu verlieren.

Regeln für die vierte Corona-Welle

Um in einem Dreierbündnis erfolgreich regieren zu können, sei es notwendig, den Koalitionsvertrag bereits recht detailliert zu verhandeln, glaubt Lauterbach. Eine klare Grundlage verhindere Streit in der Legislaturperiode.

In Hinblick auf die Pandemie müsse eine neue Regierung unbedingt versuchen, Regeln zu definieren, die überall gleichermaßen gelten. Er könne verstehen, wenn es etwa oft Verwirrung gebe, wo Maskenpflicht gelte und wo nicht. "Es wäre günstig, wenn wir bundeseinheitliche Regeln bekommen, die jeder versteht." Der alten Bundesregierung habe dafür vor der Wahl leider "die Kraft gefehlt".

Vorbei sei die Corona-Pandemie keineswegs: "Wir gehen jetzt in die letzte große Welle rein." Diese vierte Welle - "das ist die gute Nachricht" - werde aber weniger verheerend sein als die vorangegangenen. "Aber wird sind noch nicht durch." Immer noch gebe es zu viele Ungeimpfte - würde man nun alle Maßnahmen aufheben, würden viele von ihnen schwer erkranken. Dementsprechend sehe er auch das Ende der Maskenpflicht an den Schulen, das nun einige Bundesländer, darunter auch Bayern, beschlossen haben, kritisch. Es bestehe das Risiko, dass es entweder viel Unterrichtsausfall oder viele Erkrankungen gebe.

Wenn ein Corona-Fall auftrete, sollten alle Kinder in der Klasse täglich getestet werden, mindestens eine Woche lang. Dabei seien Schnelltests den zuverlässigeren PCR-Tests vorzuziehen: "Ein PCR-Ergebnis, das am Nachmittag kommt, nützt nichts mehr, wenn die Kinder den ganzen Vormittag zusammen im Unterricht gesessen haben", so Lauterbach. Schnelltests würden Kinder mit besonders hoher Viruslast zuverlässig identifizieren - noch vor Unterrichtsbeginn. Ein schnelles Testergebnis sei also wichtiger als die größtmögliche Zuverlässigkeit: "Speed kills quality", formulierte Lauterbach - ein Motto, das für die Koalitionsgespräche wohl nicht gelten soll.

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