Bundestag:Viel mehr Ordnungsrufe im Parlament

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Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) fordert "weniger Hysterie" und "eine Rückkehr zum gegenseitigen Respekt" im Hohen Haus. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Reizstimmung unter der Reichstagskuppel: 2023 gab es mehr Rügen für Abgeordnete als in der gesamten vergangenen Wahlperiode. Vor allem eine Partei verschlechtert das Debattenklima.

Die Stimmung im Land wird gereizter - und im Bundestag werden die Debatten hitziger. Die Folge: Die Zahl der an Abgeordnete erteilten Ordnungsrufe hat stark zugenommen. Im vergangenen Jahr griff das Parlamentspräsidium 51-mal zu diesem Mittel, um verbale Entgleisungen und andere Verfehlungen zu ahnden. Das war öfter als in der gesamten vorherigen Wahlperiode von 2017 bis 2021, in der nach einer Übersicht des Deutschen Bundestags 49 Ordnungsrufe erteilt worden waren.

Allein 30 der 51 Ordnungsrufe im vergangenen Jahr gingen an die AfD, deren Abgeordnete Beatrix von Storch (8) und Stephan Brandner (6) die ersten Plätze einnahmen. Von Storch war auch eine von zwei Abgeordneten, die ein Ordnungsgeld von 1000 Euro aufgebrummt bekamen - die Steigerung des Ordnungsrufes. Der andere Abgeordnete war Michael Schrodi von der SPD.

Hoch her ging es gleich in der ersten Wahlperiode

Mit Blick auf diese Entwicklung mahnt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki "eine Rückkehr zum gegenseitigen Respekt und zur Achtung der anderen Position" an. Es müsse "weniger Hysterie und politische Ausgrenzung" geben, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur: "Allen sollte wieder klarer werden, dass in einer funktionierenden Demokratie bloße Ausgrenzung das bessere Argument niemals ersetzen darf." Er sei sehr dafür, die parlamentarische Debattenkultur zu beleben. "Aber man kann den politischen Mitbewerber auch intelligent, humorvoll und mit Respekt beleidigen, ohne dass man die Grenze des Anstands oder des Rechts übertreten muss", sagte Kubicki.

Geregelt sind Ordnungsmaßnahmen im Abgeordnetengesetz sowie in Paragraf 36 der Geschäftsordnung des Bundestags. Dort ist festgelegt, dass der Präsident "Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen" kann. Eine Übersicht der Bundestagsverwaltung über die in jeder Wahlperiode verhängten Ordnungsmaßnahmen zeigt klar: Mit dem Einzug der AfD ins Parlament bei der Bundestagswahl 2017 wurde es dort ruppiger. So wurden unmittelbar davor in der gesamten 18. Wahlperiode (2013 bis 2017) gerade einmal zwei Ordnungsrufe erteilt, in der 17. Wahlperiode war es sogar nur einer gewesen. Allerdings sind die aktuellen Zahlen auch nicht einzigartig. Besonders hoch her ging es gleich in der ersten Legislaturperiode mit 156 und dann in der zehnten (1983 bis 1987) mit 132 Ordnungsrufen.

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