Als Volker Bouffier vor 23 Jahren in den Bundesrat einzog, hat er sich vieles vorstellen können - eines aber sicher nicht: Dass er am Ende seines politischen Lebens mit Lobeshymnen eines Linken in den Ruhestand verabschiedet wird. Bouffier galt lange als Hardliner. 1999 gewannen seine hessischen Christdemokraten die Landtagswahl mit einem umstrittenen Wahlkampf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Und Bouffier wurde als Innenminister der Law-and-Order-Mann im Kabinett von Roland Koch, der ebenfalls nicht durch eine besondere Affinität zu Grünen oder gar Linken auffiel.
Insofern kann man an diesem Freitag auch erleben, wie stark sich der Politikbetrieb im vergangenen Vierteljahrhundert verändert hat. Aus dem Law-and-Order-Christdemokraten Bouffier wurde der Ministerpräsident einer schwarz-grünen Koalition, die vergleichsweise reibungslos zusammenarbeitet. Und im Bundesrat sitzen inzwischen Vertreter von vier Landesregierungen, an denen die Linke beteiligt ist. Einer von ihnen, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, ist derzeit sogar Präsident des Bundesrates.
Bouffier ist der dienstälteste deutsche Ministerpräsident, 2010 wurde er Nachfolger Roland Kochs. Weil er das Amt Ende Mai aufgibt, nimmt er an diesem Freitag zum letzten Mal an einer Sitzung des Bundesrats teil. Es ist sein Abschied aus dem politischen Berlin. Angela Merkel ist im Ruhestand, Wolfgang Schäuble nur noch Hinterbänkler. Jetzt verschwindet auch Bouffier von der Bildfläche.
Ramelow preist den "lieben Volker"
Schon vor Beginn der Bundesratssitzung posieren Ramelow und Bouffier gemeinsam für Fotos. Und als Ramelow dann oben auf seinem Präsidentenplatz sitzt, beginnt er mit einer dermaßen salbungsvollen Hymne auf den "lieben Volker", dass dem CDU-Politiker die Ohren klingen müssen. Der Linke lobt das "rhetorische Geschick" und die "vermittelnde Art" Bouffiers - damit habe er "die Arbeit des Bundesrats über mehr als zwei Jahrzehnte nachhaltig geprägt und bereichert". Bouffier habe sich über Parteigrenzen hinweg große Anerkennung verschafft, sagt Ramelow. Er erinnert daran, dass auch der Hesse einmal Präsident des Bundesrates war. Und dass er damals schon in seiner Antrittsrede klargemacht habe, dass der Föderalismus ein unverzichtbarer Baustein der Demokratie sei.
Ramelow erinnert aber auch daran, wie Bouffier als Bundesratspräsident einmal eine komplizierte Abstimmung unterbrochen habe, um den Gästen auf der Tribüne das Prozedere zu erläutern. Der Besucherdienst des Bundesrats nutze diesen Redeausschnitt immer noch, um die Arbeit der Länderkammer zu erklären. Das Beispiel soll für die Bürgernähe Bouffiers stehen.
Dann sagt Ramelow: "Volker, ich darf dich nach vorne bitten." Zum Abschied aus dem Bundesrat bekommt der 70-Jährige Manschettenknöpfe der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin geschenkt, auf denen das Brandenburger Tor zu sehen ist. Das ist nicht sonderlich originell, aber Bouffier zeigt sich trotzdem gerührt. Natürlich habe er "alles sehr gerne gehört, was der Präsident vorgetragen hat", sagt er nach der Sitzung. Er habe es "toll" gefunden, es habe ihn "auch berührt".
Seinen Ausstieg aus der CDU-Spitze hat Bouffier bereits hinter sich. Mehr als elf Jahre war Bouffier CDU-Vize - als Stellvertreter der Vorsitzenden Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet. Die drei haben erleben müssen, dass nicht alle Stellvertreter - bei der CDU gibt es fünf davon - es als ihre erste Aufgabe betrachten, die Chefin oder den Chef zu stützen, wenn Unterstützung notwendig ist. Bouffier war anders. Er ist seinen Vorsitzenden regelmäßig beigesprungen - auch dann, wenn es politisch unangenehm wurde.
Bouffier setzte sich vehement für Laschet ein
Anfang 2021, bei seiner letzten Wahl zum CDU-Vize, erhielt Bouffier mit gut 83 Prozent das beste Ergebnis aller Stellvertreter. Es war noch einmal ein großer Vertrauensbeweis der Delegierten. Aber dann begann der Abstieg.
In der hart geführten Auseinandersetzung um die Kanzlerkandidatur lag es auch an Bouffier und Schäuble, dass sich Laschet gegen Markus Söder durchsetzen konnte. Die beiden CDU-Granden hatten sich vehement für Laschet eingesetzt. Ob Söder ein guter Kanzlerkandidat geworden wäre, weiß man nicht - dass Laschet ein schlechter war, steht aber fest. Die Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl war deshalb auch eine Niederlage Bouffiers. Und sie war die Voraussetzung dafür, dass es Friedrich Merz doch noch an die Parteispitze schaffen konnte.
Ausgerechnet die drei CDU-Vorsitzenden, die Bouffier immer unterstützt hat, waren aber die Menschen, die Merz die bittersten politischen Niederlagen seines Lebens beigebracht haben. Merkel nahm ihm den Fraktionsvorsitz, Kramp-Karrenbauer und Laschet bezwangen ihn im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz. Als sich Merz über das "Partei-Establishment" beklagte, das seinen Aufstieg an die CDU-Spitze zu verhindern trachte, dachte er deshalb auch an Bouffier. Und als Merz im Dezember des vergangenen Jahres die Mitgliederbefragung über den CDU-Vorsitz gewann, war deshalb auch klar, dass die Zeit Bouffiers an der Parteispitze zu Ende gehen wird. Wenige Tage später kündigte der hessische Ministerpräsident an, nicht wieder als CDU-Vize kandidieren zu wollen. Am 31. Januar endete seine Amtszeit in der Partei. Nun ist auch seine Zeit im Bundesrat vorbei.