Nahost:Bidens Freundschaftsbesuch in Israel

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Kennen sich seit acht Jahren, aber da noch in anderen Rollen: US-Präsident Joe Biden (l.) trifft Israels Übergangspremier Jair Lapid in Jerusalem. (Foto: Mandel Ngan/AFP)

Mit Premier Jair Lapid bekräftigt der US-Präsident die gemeinsame Gegnerschaft zu Iran - obwohl es in Sachen Atomabkommen große Differenzen gibt. Bidens nächster Stopp dürfte weitaus ungemütlicher werden.

Von Peter Münch, Tel Aviv

So viel Freundschaft, so viel Entschlossenheit: Als US-Präsident Joe Biden und der israelische Premierminister Jair Lapid am Donnerstagnachmittag gemeinsam vor die Mikrofone treten, da demonstrieren sie die besonderen Beziehungen ihrer beiden Staaten in einem perfekten Dreiklang: in warmen Worten, in der einander zugeneigten Körpersprache und dann noch mit einem vierseitigen Dokument, das sie vor laufenden Kameras unterzeichnen. Die "Jerusalemer Erklärung" ist das, druckfrisch und gleich mal mit dem Stempel "historisch" versehen.

Es ist der zweite Tag des Besuchs von Biden in Israel. Zumindest dem offiziellen Programm zufolge hat der Präsident ausschlafen können in seiner Suite im King David Hotel, die einen so atemberaubenden Blick auf die Jerusalemer Altstadt hat, dass man wohl fast vergessen könnte, dass hier zwischen Klagemauer, Kirchtürmen und Al-Aksa-Moschee das Epizentrum der nahöstlichen Konflikte liegt. Um 11.15 Uhr hat er sich mit Lapid zusammengesetzt. Danach jagt ein Termin den anderen. Keine spektakulären Auftritte sind dabei, keine großen Reden. Doch alles ist darauf ausgerichtet, zwei Botschaften zu transportieren: Wie felsenfest die beiden Staaten zusammenstehen - und wie andere das zu spüren bekommen könnten.

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Der US-Präsident ist in einer Gegend, in der schon viele Vorgänger etwas zuwege bringen wollten - und scheiterten. Der Unterschied: Diesmal ist alles noch komplizierter.

Kommentar von Peter Münch

Die Jerusalemer Erklärung ist deshalb nicht nur ein Bekenntnis zur amerikanischen Militärhilfe für Israel in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar pro Jahr. Sie schafft auch Spielraum für ein paar Extrazahlungen, vor allem bei der Raketenabwehr. Und sie macht donnernd deutlich, gegen wen sich diese amerikanisch-israelische Allianz richtet: "Iran darf es niemals erlaubt werden, Atomwaffen zu besitzen", heißt es da. Die USA seien bereit, "alle Elemente ihrer nationalen Stärke einzusetzen, um das zu verhindern". Wie weit das gehen kann, hatte Biden in einem am Abend zuvor ausgestrahlten Interview mit dem israelischen TV-Sender Kanal 12 erklärt: Als "letztes Mittel", so erklärt er da, könne auch militärische Gewalt eingesetzt werden.

Biden will mit Iran verhandeln, die Israelis halten das für naiv

Mit keinem Wort erwähnt wird aber in der Jerusalemer Erklärung, dass es doch eigentlich große Differenzen gibt zwischen Biden, der eine Neuauflage des Atomabkommens mit Iran anstrebt, und der israelischen Regierung, die das bestenfalls naiv nennt. Beim gemeinsamen Auftritt gibt Biden zwar zu verstehen, dass er Diplomatie für "den besten Weg" hält, während Lapid erklärt: "Worte und Diplomatie werden Iran nicht stoppen." Doch offenbar ist dieser Zwist gerade nicht so bedeutsam, weil in den Verhandlungen sowieso einiges aufs Scheitern hindeutet. Und hier bei diesem Freundschaftsfest in Jerusalem soll der alte, lästige Streit die Stimmung nicht trüben.

Biden, 79, und Lapid, 58, sind bestens dafür geeignet, diese Freundschaft zu demonstrieren - auch als liebenswürdiger Gegenentwurf zum Vorgängerduo Donald Trump und Benjamin Netanjahu. Die beiden Neuen sind fast so etwas wie ein Glücksfall für die Drehbuchschreiber dieses Staatsbesuchs: altväterlich der eine, charmant und keck der anderen. Dabei wusste Biden bei der Planung dieser Reise nicht mal, wer ihn überhaupt in Israel empfängt.

In heiterer Endlosschleife gibt der US-Präsident bei jeder Gelegenheit zum Besten, dass er schon mit allen israelischen Premiers seit Golda Meir zusammengearbeitet hat. Seit 1973, als er zum ersten Mal als junger Senator in Israel weilte, kommt da eine ansehnliche Reihung zusammen, und allein seit seinem Amtsantritt als Präsident vor anderthalb Jahren hat er es schon mit drei israelischen Regierungschefs zu tun gehabt: Netanjahu, Naftali Bennett und nun Lapid, der nach dem Kollaps der Regierung erst seit zwei Wochen als Übergangspremier amtiert.

Bidens Besuch ist für Lapid die große Chance, sich vor der Welt, vor allem aber vor dem heimischen Publikum vor der Neuwahl am 1. November als Staatsmann in Szene zu setzen. Er nutzt diese Chance, indem er Biden gleichsam in Manndeckung nimmt, und zwar von dem Augenblick an, als der US-Präsident aus seiner Air Force One geklettert ist.

Einer freut sich nicht über die traute Zweisamkeit: Benjamin Netanjahu

Gleich fürs Rollfeld hatte sich Lapid schon ein kleines Bonmot zurechtgelegt, indem er Biden an ihre erste Begegnung in Washington vor acht Jahren erinnerte. Biden war damals Vizepräsident und soll Lapid mit den Worten empfangen haben: "Wenn ich Ihre Haare hätte, wäre ich amerikanischer Präsident." Darauf Lapid: "Wenn ich Ihre Größe hätte, wäre ich israelischer Premierminister." Nun sind beide, der eher Kahle und der eher Kleine, trotz allem am Ziel - wenn das nicht verbindet.

Zu denen, die sich darüber gar nicht freuen können, gehört sicherlich Benjamin Netanjahu. Als Oppositionsführer werden ihm am Donnerstagnachmittag nur 15 Minuten für ein Treffen mit Biden gewährt. Immerhin aber hatte der Ex-Premier schon zum Empfangskomitee am Flughafen gezählt. Selbstverständlich hat er die Gelegenheit genutzt, Biden gleich näher an sich heranzuziehen, als es dem recht gewesen sein mag. Und natürlich ließ er hinterher alle wissen, dass Biden gesagt haben soll: "Du weißt, dass ich dich liebe."

Auf allen Ebenen ist es ein großes Buhlen um Biden. Präsident Isaac Herzog verleiht ihm noch den höchsten Orden des Landes. Am Donnerstagabend ist er zur Eröffnung der Makkabiade geladen, des größten jüdischen Sportfests. Natürlich ist auch dort Lapid an seiner Seite. Der Austausch zwischen den beiden hat sich gleich so eng und herzlich gestaltet, dass dabei auch alle Covid-relevanten Vorkehrungen außer Kraft gesetzt wurden. Dabei hatte es vorab geheißen, dass der US-Präsident bei dieser Reise Abstand halten und aufs Händeschütteln verzichten werde.

Das nährt die Spekulationen, dass die defensive Grußregel eigentlich aus einem ganz anderen Grund erlassen worden war - nämlich, um auf der nächsten Station der Reise in Saudi-Arabien einen Handschlag mit dem dortigen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu umgehen, den Biden noch im Wahlkampf als "Paria" bezeichnet hatte. Für den Trip nach Dschidda hat Lapid dem US-Präsidenten dann beim gemeinsamen Auftritt noch eine Botschaft mit auf den Weg gegeben: "Wir strecken unsere Hand aus zum Frieden." Dort wird man nun sehr genau darauf achten, ob auch Biden die Hand ausstreckt.

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