Naher Osten:Joe Biden zu Besuch bei Freundfeinden

Naher Osten: Die Stadt, die diesmal nur das zweitwichtigste Reiseziel des US-Präsidenten ist: Jerusalem, Blick auf den Felsendom.

Die Stadt, die diesmal nur das zweitwichtigste Reiseziel des US-Präsidenten ist: Jerusalem, Blick auf den Felsendom.

(Foto: Oded Balilty/picture alliance / Oded Balilty/)

Der US-Präsident ist in einer Gegend, in der schon viele Vorgänger etwas zuwege bringen wollten - und scheiterten. Der Unterschied: Diesmal ist alles noch komplizierter.

Kommentar von Peter Münch

Joe Biden hat sich Zeit gelassen mit seiner ersten Präsidenten-Reise in den Nahen Osten. Seine Vorgänger Barack Obama und Donald Trump hatten beide schon nach fünf Monaten die Region besucht, Biden hat sich erst anderthalb Jahre nach Amtsübernahme auf den Weg gemacht. Das mag mangelnder Neugier geschuldet sein an einer Weltgegend, mit deren Problemen er sich bereits seit 50 Jahren intensiv beschäftigt. Vor allem aber ist es ein deutliches Indiz dafür, dass die chronische Konfliktregion weit nach hinten gerückt war auf seiner Prioritätenliste. Das soll und muss sich nun schlagartig ändern.

Denn wenn Biden jetzt für vier Tage in Israel, den Palästinensergebieten und Saudi-Arabien weilt, dann findet er einen neuen Nahen Osten vor. Einen Nahen Osten, der anders, aber nicht unbedingt friedlicher ist. Einen, in dem sich die Fronten verschoben haben und in dem sich die alten Konflikte mit den neuen globalen Herausforderungen verflechten. Bidens wichtigste Botschaft auf dieser Reise lautet daher: Amerika ist zurück, verteidigt seine Interessen und bemüht sich um neue Bündnisse.

Die Botschaften, die Washington sendet

Übermittelt wird diese Botschaft beileibe nicht nur bei den politischen Gesprächen und Erklärungen, die dieser Reise einen offiziellen Rahmen geben. Ein Adressat war zum Beispiel auch jener syrische Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat, der am Dienstag gewiss nicht zufällig unmittelbar vor Bidens Nahost-Reise im Norden Syriens bei einem US-Drohnenangriff getötet wurde. Und deutlich vernommen werden soll diese Botschaft auch in Teheran und Moskau, weshalb in Washington just jetzt der Kauf iranischer Überwachungs- und Kampfdrohnen durch die Russen bekannt gemacht wurde.

Vom Nahen Osten lässt sich so eine direkte Linie zum Ukraine-Krieg ziehen. Dabei geht es längst nicht nur ums arabische Öl und mögliche Kostensenkungen bei der Energieversorgung. Es geht um eine globale Frontstellung, die sich im Nahen Osten nach Washingtoner Vorstellungen in einer neuen Militärallianz manifestieren soll - einer Achse von den USA über Israel bis nach Saudi-Arabien, die sich der Bedrohungen durch Iran und Russland erwehren soll.

Bidens Aufgabenstellung in Nahost ist damit noch weitaus komplizierter als all das, an dem sich seine Vorgänger schon die Zähne ausgebissen haben. Bei deren Reisen in die Region stand stets eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts im Mittelpunkt. Obama hatte vergeblich versucht, damit seinen früh erhaltenen Nobelpreis zu rechtfertigen. Trump hatte den ewigen Streit mit einem "Deal des Jahrhunderts" abräumen wollen. Ausgerechnet bei Biden, dem Very-Old-School-Präsidenten, der sich zeit seines Lebens für eine Zweistaatenlösung starkgemacht hat, ist dieser weiterhin ungelöste Konflikt nur noch ein nachgeordneter Punkt im Pflichtprogramm.

Was die Abkommen mit drei arabischen Staaten gelehrt haben

Selbst der mit allem Pathos inszenierte zweitägige Aufenthalt in Israel erscheint (wie es ein israelischer Kommentator bitter anmerkt) nur noch als Vorspeise auf dieser Reise. Das Hauptgericht wird in Saudi-Arabien serviert, wo der US-Präsident bei einem Gipfeltreffen in Dschidda auf die Machthaber aus sechs Golf-Staaten plus Ägypten, Jordanien und Irak trifft.

Dort muss er für eine weitere Integration Israels in die Region und die regionale Militärkooperation werben. Sein Vorteil: Die vor zwei Jahren abgeschlossenen Abraham-Abkommen zwischen Israel, Bahrain, Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben für weit mehr als nur die drei beteiligten arabischen Staaten bereits eine neue Normalität im Umgang mit Israel geschaffen. Jeder kann sehen, wie vorteilhaft sich eine Zusammenarbeit politisch, wirtschaftlich und zumindest perspektivisch auch militärisch auswirkt.

Dass dies gleichsam zwangsläufig in eine neue regionale Sicherheitsarchitektur mündet, die von Visionären und Vermarktern schon als nahöstliche Nato gepriesen wird, ist jedoch bislang nur Washingtoner Wunschdenken. Der gern zur Erklärung nahöstlicher Logik zitierte Spruch "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" greift dann doch zu kurz.

Teheran gilt als eine Bedrohung, aber ...

Gewiss wird Iran mit seinem Atomprogramm plus seinen Raketen und Drohnen von vielen arabischen Staaten genauso als Bedrohung empfunden wie von Israel. Andererseits aber besteht weiterhin ein schwer zu durchschauendes Interessen- und Beziehungsgeflecht zwischen Teheran und der arabischen Welt. Zudem dürfte eine formalisierte militärische Kooperation mit Israel in vielen arabischen Staaten noch hoch umstritten sein.

Biden muss also eine Quadratur versuchen, wo nicht einmal ein Kreis ist. Allzu schnelle Fortschritte sind bei der Herausbildung des neuen Nahen Ostens deshalb nicht zu erwarten, das wird ein längerer Prozess. Lohnend aber ist es in jedem Fall, auf den vielfältigen gemeinsamen Interessen aufzubauen. Biden muss auf dieser Reise beweisen, dass die USA dazu den Willen und die nötige Führungskraft haben.

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