Justiz:Eine Extraportion Knast

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Wer seine Geldstrafe nicht bezahlen oder abarbeiten kann, wird eingesperrt. Die Bundesregierung möchte diesen Menschen entgegenkommen, doch die Reform verzögert sich. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Weil Bayerns Justizministerium sich mit einer Software schwertut, müssen bundesweit Tausende Menschen länger im Gefängnis bleiben.

Von Ronen Steinke

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) postet gerne Fotos bei Instagram, er ist internetaffin, fördert Cyber-Ermittlungen, wirbt mit Hightech, Digitalem, Fortschritt. Umso mehr klingt es wie eine leicht absurde Posse, dass seine bayerische Justiz sich nun nicht in der Lage sieht, eine relativ simple Software rechtzeitig umzustellen, um eine vom Bundestag beschlossene Gesetzesreform umzusetzen. Die IT lahmt - und die Folge ist: Tausende von Menschen werden länger im Gefängnis sitzen müssen, als dies vom Gesetzgeber eigentlich für angemessen gehalten wird.

Jedes Jahr kommen in Deutschland etwa 50 000 Menschen hinter Gitter, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen und sie auch nicht abarbeiten können - zum Beispiel aufgrund einer Krankheit. Diese "Ersatzfreiheitsstrafe" dauert meist nur wenige Wochen, verursacht aber hohe Kosten. Eigentlich hatte der Bundestag im Juni beschlossen, diesen Menschen etwas entgegenzukommen und sie künftig nur noch halb so lang einsperren zu lassen. Eigentlich sollte die Reform bundesweit zum 1. Oktober in Kraft treten. Der Bundestag hat den Stichtag aber nun nachträglich um vier Monate verschoben. Auf den 1. Februar 2024.

Der Grund: Der Freistaat Bayern hat eingewandt, man schaffe es nicht, die Justiz-IT so schnell umzustellen. Schnell, das hieße in diesem Fall: von Juni bis Oktober. Allzu komplex wirkt die Aufgabe dabei eigentlich nicht. Bisher galt die Formel, dass zehn Tagessätze Geldstrafe umgerechnet werden in zehn Tage Haft. Künftig sollen es nur noch fünf Tage sein - eben die Hälfte. Eine Gruppe von Bundesländern verwendet für die Strafzeitberechnung eine Justiz-Software, "web.sta", diese muss jetzt umprogrammiert werden. Bayern hat dabei die Federführung.

In Bayerns Justiz arbeitet man weiterhin gerne mit Umzugskartons voller Papier

Das Problem, dass IT-Änderungen bei der Justiz besonders zäh vorankommen, ist nicht ganz neu. Die Münchner Strafverteidigerin Johanna Braun kann davon erzählen, zum Beispiel von "BeA", dem "Besonderen elektronischen Anwaltspostfach", einem verschlüsselten Mailsystem, das 2018 eingeführt wurde, nur um dann gleich wieder vom Markt genommen zu werden - wegen technischer Probleme. Braun ist im Vorstand der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger. "In Baden-Württemberg und Hessen kann man heute digital Akteneinsicht nehmen", sagt sie. "Per Download-Link, das funktioniert super." In Bayern würden weiter "munter Umzugskartons verschickt", gefüllt mit Papier, zwischendrin mal eine CD-ROM.

Wenn es nun aber so weit geht, dass Menschen sogar länger im Gefängnis sitzen müssen, dann ist das außergewöhnlich. In der Gesetzesbegründung zur Reform der Ersatzfreiheitsstrafe kann man jetzt nachlesen, welche Aufgaben es sind, die Bayern offenbar so viel Kopfzerbrechen bereiten. Man müsse sich zwischen den Bundesländern abstimmen und einen IT-Dienstleister beauftragen. Man müsse die neue Software auch testen. Zugleich seien "Anpassungen im zugehörigen Vollstreckungsschreibwerk" nötig, alles nicht so einfach. "Ein vorübergehendes Ausweichen auf eine händische Korrektur" sei auch nicht möglich, teilt das Ministerium außerdem auf SZ-Anfrage mit.

Das Haus von Georg Eisenreich, dem heutigen Justiz- und früheren Digitalminister im Kabinett Söder, hatte vom Bund zunächst sogar noch längeren Aufschub gefordert, um diese IT-Aufgaben zu bewältigen. Nämlich sechs Monate. Vier sind schon ein Kompromiss.

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