Abstimmung in der Schweiz:Menschenrechte für Affen?

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Orang-Utan im Basler Zoo: Solche Affen könnten bald das Recht auf Leben sowie auf körperliche und geistige Unversehrtheit erhalten. (Foto: Torben Weber/dpa)

In Basel stimmen die Menschen bald darüber ab, ob Primaten einige ausgewählte Grundrechte bekommen sollen. Auch anderswo wird immer öfter über Grundrechte für Tiere gestritten.

Von Karoline Meta Beisel und Isabel Pfaff, München/Bern

Fast 180 000 Primaten leben in Basel. Also: knapp 179 000 Menschen und ungefähr 130 nicht-menschliche Primaten. Die nicht-menschlichen Primaten, zu denen Affenarten wie Makaken und Lemuren sowie Menschenaffen wie Gorillas und Orang-Utans zählen, haben natürlich nicht annähernd die gleichen Rechte wie die menschlichen Basler. Doch das könnte sich am kommenden Sonntag ändern: Dann nämlich stimmt die Stadt am Rhein darüber ab, ob Primaten bestimmte Grundrechte bekommen sollen.

Die Urheber wollen die Kantonsverfassung um einen Passus ergänzen, nach dem nicht-menschlichen Primaten das Recht auf Leben und körperliche und geistige Unversehrtheit eingeräumt wird. Damit wären etwa belastende Tierversuche an Primaten ausgeschlossen, aber auch das Einschläfern der Tiere. Je nach Lesart also eine kleine tierrechtliche Revolution - oder eine Katastrophe. Immerhin gibt es in Basel nicht nur zwei Tierparks, die Dutzende Primaten halten. Sondern mit Roche und Novartis auch zwei der größten Pharmafirmen der Welt, die unter anderem durch Forschung an Tieren Medikamente entwickeln.

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Ausgedacht hat sich die Vorlage die Schweizer Tierrechtsorganisation Sentience Politics. Der Verein setzt sich für "die Interessen nicht-menschlicher Tiere" ein und begründet das insbesondere mit deren Empfindungsfähigkeit (auf Englisch: sentience). Schon 2016 begannen die Mitglieder Unterschriften für die Primaten-Initiative zu sammeln. Ihr Argument: Nicht-menschliche Primaten sind intelligent, empathisch und leidensfähig, also uns Menschen so ähnlich, dass sie auch ähnlichen Schutz brauchen. Das - bundesweit geltende - Schweizer Tierschutzgesetz werde dem nicht gerecht, weil es die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stelle und nicht die der Tiere. Im Kern geht es also um die Frage, ob Tiere im Angesicht von Klimawandel und Artensterben nicht auch im juristischen Sinne mehr sein sollten als lebende Objekte.

Der Elefant, der sich im Spiegel erkennt

Über die Frage wird nicht nur in der Schweiz diskutiert. Auch andere Initiativen arbeiten daran, Tieren Rechte zu verschaffen, die vor Gerichten eingeklagt werden können. Ein Beispiel ist der Fall der Elefantenkuh "Happy", die seit 2006 allein in der New Yorker Bronx in einem Zoo lebt. Happy war der erste Elefant weltweit, der sich in einem Experiment selbst im Spiegel erkannte - was Forscher als Beleg für ein Ich-Bewusstsein werten. Bis dahin war das nur Primaten und Delfinen gelungen. Nun wollen Tierschützer vor Gericht durchsetzen, dass Happy ihren Lebensabend mit anderen Elefanten verbringen darf - das würde den Bedürfnissen ihrer Art viel mehr entsprechen. Hat die Klage der Organisation "Nonhuman Rights Project" Erfolg, könnte Happy der erste Elefant sein, der juristisch als Person anerkannt wird. Die mündliche Verhandlung soll in diesem Jahr stattfinden. In Argentinien hatte ein ähnliches Vorhaben 2016 bereits Erfolg: Damals entschied ein Gericht in Buenos Aires, dass die Schimpansendame Cecilia aus der jahrzehntelangen Einzelhaft des Zoos von Mendoza freizulassen sei. Heute lebt Cecilia in einem Reservat in Brasilien.

Solche juristischen Erfolge sind bisher aber selten - in Deutschland zum Beispiel ist der klassische Tierschutz zwar seit 2002 im Grundgesetz verankert, und § 90a BGB stellt fest: "Tiere sind keine Sachen." Juristisch werden sie aber weiter wie Sachen behandelt. So stellt der wichtigste deutsche BGB-Kommentar, der Grüneberg ( bis vor Kurzem noch als "Palandt" bekannt), auch in seiner jüngsten Auflage fest, § 90a sei "eine gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt".

Die Schweizer Initiative ist aber auch im Vergleich zu den Fällen von Happy oder Cecilia ambitioniert: Während man sich anderswo darauf konzentriert, Präzedenzfälle zu schaffen, geht man dort den Verfassungsweg. Hat die Primaten-Initiative am Sonntag Erfolg, muss die kantonale Politik ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten.

Dabei wäre die Idee beinahe schon vor der Abstimmung gescheitert. Der Widerstand gegen die spektakuläre Vorlage war groß, selbst im eher progressiv tickenden Basel. Nicht nur Vertreter der Pharmafirmen - die zurzeit nicht an Primaten forschen - lehnen die Initiative als forschungsfeindlich ab. Auch der Zoologische Garten ist dagegen und argumentiert, dass die Initiative letztlich den Tieren schade, weil nicht mehr Fachleute wie Tierpfleger oder Tierärztinnen für ihr Wohl verantwortlich wären, sondern Juristen.

Kantone dürfen vorpreschen

Die Kantonsregierung und das Parlament versuchten, die Initiative für ungültig zu erklären. Für Tierschutz sei der Bund zuständig, so ihr Argument, da dürften die Kantone kein abweichendes Recht einführen. Doch sowohl das Basler Verfassungsgericht als auch später das Bundesgericht sahen das anders. "Kantone dürfen grundsätzlich über den von der Bundesverfassung garantierten Schutz hinausgehen", hielt das Bundesgericht fest. In der Vergangenheit waren es tatsächlich oft einzelne Kantone, die vorgeprescht sind bei der Einführung neuer Rechte, etwa beim Frauenstimmrecht. Allerdings, so die Gerichte, würden bei einer Annahme der Initiative die neuen Rechte nur für kantonale Einrichtungen gelten, also etwa öffentliche Krankenhäuser oder die Universität - die alle zurzeit gar keine Primaten halten. Für private Unternehmen wie den Basler Zoo oder die Pharmafirmen gälte weiterhin das weniger radikale Tierschutzgesetz.

Ganz so spektakulär, wie die Initiative klingt, dürfte das Ganze also selbst bei einer Annahme nicht ausgehen. Trotzdem: Basel-Stadt wäre der erste Ort der Welt, an dem die Bevölkerung ihren nicht-menschlichen Mit-Primaten Grundrechte einräumt. Einklagen könnten sie ihre Rechte natürlich nicht allein. In Basel denkt man deshalb über einen Beauftragten beim Veterinäramt, eine Ombudsfrau oder einen eigenständigen Primatenbeistand nach.

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