Bangladesch:Die Unerbittliche

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Insgesamt 19 Jahre herrscht Sheikh Hasina nun über Bangladesch. Ihre Gegner würden sie zu gern ablösen - aber immer mehr landeten zuletzt in Haft. (Foto: Saiful Islam Kallal/AP)

Premierministerin Sheikh Hasina ruft Bangladesch zur Wahl. Dabei gilt ihr Sieg längst als sicher. Über den eisernen Machtwillen einer Frau, die schon länger regiert als jede andere auf der Welt.

Von Arne Perras

Wer erkunden will, wie es um Freiheit und Recht in Bangladesch steht, kann zunächst einen Blick auf die Gefängnisse werfen. Die Zahl der Insassen ist 2023 stark gestiegen, wie Medien des Landes berichteten. Die Zeitung Prothom Alo notierte unter Berufung auf Daten der Gefängnisbehörde, dass die Zahl der Gefangenen im November die verfügbaren Plätze um mehr als das Doppelte überstieg. Die zunehmende Überfüllung der Haftanstalten, die weit schlimmer sein könnte, als es die Regierung einräumt, dürfte vor allem damit zu tun haben, dass Anhänger der Opposition zu Tausenden im Herbst hinter Gitter kamen.

Viele Menschen wurden nach Massenprotesten Ende Oktober eingesperrt. Der Politologe Mubashar Hasan, der in Bangladesch geboren ist und im norwegischen Oslo forscht, stuft die Übergriffe auf Kritiker der Regierung als "unerbittlich" ein. Aktivisten klagen, dass sie von Gruppen maskierter Angreifer verfolgt würden. Trotz der Risiken haben sich Mitte Dezember erneut Zehntausende Menschen versammelt, um gegen die Regierung von Sheikh Hasina auf die Straße zu gehen.

Die größte Oppositionspartei ruft aus Protest zum Boykott der Wahl auf

Die Premierministerin, 76, will offenbar nichts dem Zufall überlassen, wenn sie am 7. Januar nun ein neues Parlament wählen lässt. "Was heißt hier eigentlich Wahl?", sagt Ali Riaz, Südasienexperte an der Illinois State University. "Aus meiner Sicht kann man von einer demokratischen Abstimmung gar nicht sprechen." Alles laufe darauf hinaus, dass Hasina mit ihrer Partei Awami League ein System der Einparteienherrschaft zementiere. Ihr Sieg gilt als garantiert. Sie wird dann eine fünfte Amtszeit antreten in ihrem Land mit 170 Millionen Einwohnern, die überwiegend muslimischen Glaubens sind.

Die Repression Andersdenkender hat so stark zugenommen, dass die größte Oppositionspartei, die Bangladesch Nationalist Party (BNP), zum Boykott der Abstimmung am Sonntag aufgerufen hat. Tausende BNP-Mitglieder waren gar nicht in der Lage, sich auf Wahlen vorzubereiten, weil sie entweder in einer Zelle stecken oder mit Gerichtsverfahren überzogen werden. Nach Berichten vom September laufen gegen etwa zweieinhalb Millionen Anhänger der BNP Gerichtsverfahren. Sheikh Hasina pflegt ihre eigene Erzählung, sie betont, dass die Opposition nur darauf aus sei, Gewalt zu säen und Chaos zu stiften.

Unter Oppositionellen ist die Wut auf die Premierministerin längst entflammt - doch aller Protest gegen ihre eisernen Methoden bleibt bisher erfolglos. (Foto: Mahmud Hossain Opu/AP)

Kritiker halten ihr vor allem vor, dass sie gezielt die staatliche Verwaltung, Polizei und Justiz dazu missbrauche, Gegner niederzuringen. Einst als Vorkämpferin für demokratische Rechte gefeiert, führt sie das Land zunehmend autoritär. Und sie regiert jetzt schon länger als jede andere Frau der Welt. Sie hat Margaret Thatcher, Benazir Bhutto und Indira Gandhi längst überrundet. Erstmals regierte Hasina von 1996 bis 2001. Seit 2009 hat sie die Führung nicht mehr aus der Hand gegeben. Wahlen verliefen zunehmend fragwürdig, aber Hasina beeindruckte die Kritik nicht.

Das macht, alles in allem, 19 Jahre an der Spitze der Regierung. Und nichts deutet darauf hin, dass die 76-Jährige bald vorhat, sich zurückzuziehen.

Die Rivalität zweier Frauen prägte die Politik des Landes. Eine ist jetzt in Hausarrest

Wer sich auf die Suche macht, woraus sich ihr kompromissloser Wille zur Macht eigentlich speist, stößt immer wieder auf die Interpretation, dass sich dahinter große Angst verbirgt. Eine Angst, die auf ein Trauma früherer Jahre zurückgehen könnte. Hasina ist die Tochter des Staatsgründers Mujibur Rahman, der 1975 von Offizieren brutal ermordet wurde. Fast die gesamte Familie wurde damals ausgelöscht, Hasina, damals 27 Jahre alt, entging dem Attentat nur mit Glück, weil sie zu Besuch in Deutschland war. Viele glauben, dass diese frühe Verlusterfahrung und Gewalt ihr ganzes politisches Leben geprägt und ausgerichtet haben.

Lange Zeit dominierte die Rivalität zweier Frauen den Kampf um die Macht. Sheikh Hasina hat eine prominente Gegenspielerin, Khaleda Zia, Chefin der BNP. Politik galt als episches Duell der beiden Damen. Mal machte die eine das Rennen, dann wieder die andere. Aber nun herrscht Hasina schon 15 Jahre lang ununterbrochen. Zia ist von Krankheit gezeichnet und steht unter Hausarrest. Die Art der politischen Auseinandersetzung habe sich gewandelt, beobachtet der Analyst Riaz, er sieht, wie Parteien immer mehr an Bedeutung verlieren, weil Hasina den Staatsapparat in Stellung bringt, um ihre Macht zu sichern.

Demokratie geht anders. Hasina setzt dennoch auf Wahlen, sie will sich zumindest das Etikett einer gewählten Regierungschefin anheften, auch wenn die Abstimmung eine Farce ist.

Verhängt der Westen Sanktionen? Das hängt auch von einem anderen Staat ab

Im Westen war man stets froh, dass Hasina fast einer Million geflohenen Rohingya aus Myanmar Zuflucht bot; auch hat sie islamistische Extremisten bekämpft. Ihre Anhänger heben hervor, dass sie das Land stabil gehalten, die Industrialisierung vorangetrieben hat.

Hasina gilt als enge Verbündete Indiens, womit sich unter westlichen Regierungen die Hoffnung verbindet, dass sie den Einfluss Chinas in Grenzen halten kann. Ob das gelingt, ist ungewiss, angesichts der Vehemenz, mit der Peking seinen Einfluss am Indischen Ozean ausweitet, vor allem mit viel Geld.

Im vergangenen Jahrzehnt ist die Wirtschaft in Bangladesch oft schneller gewachsen als in anderen Regionen Südasiens, die größten Abnehmer der Textilindustrie liegen im Westen. Zwar geben die Arbeitsbedingungen immer noch Anlass zur Kritik, doch Hasinas Regierung hat die extreme Armut immerhin reduziert.

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Wenn die Premierministerin nun demokratische Rechte aushebelt und die Opposition unterdrückt, geht sie ein Wagnis ein, sagt der Politologe Riaz. Sollte der Westen Sanktionen verhängen, könnten sie das Land empfindlich treffen. Doch Hasina scheint darauf zu setzen, dass ihr Indien mit seinem diplomatischen Gewicht beispringt und sie schützt.

Ob Länder des Westens tatsächlich eine Verstimmung mit Delhi in Kauf nehmen, um Rechte in Bangladesch einzufordern, ist offen; sehr wahrscheinlich ist es nicht. Europa und die USA werben um die Gunst der Inder. Hasinas Kalkül könnte also aufgehen, je nachdem, wie Delhi agiert.

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