Bildung:Baden-Württemberg will neues G9-Modell entwickeln

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Weder Schnellschüsse noch eine Rückkehr zum alten Modell, das verspricht Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart für die G9-Reform. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Die Landesregierung reagiert auf die Empfehlungen eines Bürgerforums. Für das Gymnasium wäre das eine bildungspolitische Wende, aber sie soll keine Rückkehr zur Schule der 1990er-Jahre werden.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Das Land Baden-Württemberg will ein neues Modell für ein neunjähriges Gymnasium erarbeiten. In einem Beschluss der grün-schwarzen Landesregierung heißt es, die Koalition zeige sich offen "für ein neues G9", das den Anforderungen der Zeit gerecht werde. "Wir werden jetzt keine Schnellschüsse machen oder einfach zum G9 der 1990er-Jahre zurückkehren", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) laut einer Mitteilung des Staatsministeriums. Die Landesregierung werde nun einen Prozess starten, der klären soll, wie genau das künftige Modell aussehen werde.

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Damit reagiert die Koalition auf Empfehlungen eines Bürgerforums, das am Montag die Rückkehr des neunjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg empfohlen hat. 49 der 55 zufällig ausgewählten Bürger sprachen sich laut des Gutachtens dafür aus, dass ein "neues G9" zum Regelfall an baden-württembergischen Gymnasien wird. Pro Landkreis soll jedoch mindestens ein Gymnasium auch noch einen G8-Zug anbieten. "Das Votum ist klar", sagte Kretschmann am Dienstag. Er betont, dass die künftige Lösung die Empfehlungen des Bürgerforums aufgreifen werde.

Das Thema entwickelt viel Druck. Die Debatte bekommt ein breites Fundament

Für das Gymnasium wäre das eine bildungspolitische Wende. Seit dem Schuljahr 2004/05 ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. Befürworter verweisen zum Beispiel auf die ökonomischen Vorteile, die das G8 vermeintlich biete: Wer ein Jahr kürzer in die Schule geht, kann ein Jahr länger arbeiten. Doch so richtig warm wurden die Baden-Württemberger mit dem schnellen Gymnasium nie, unter anderem weil es mehr Stress für die Schüler bedeutete, wie Kritiker betonen. Vor zehn Jahren wurde das G9 als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen eingeführt. Doch die Debatte ebbte nicht ab.

In der Landespolitik gilt der Bildungsbereich, eigentlich die Hoheitsaufgabe von Bundesländern, als besonders kompliziertes Terrain. Weil Grüne und Christdemokraten bei Fragen des Lernens sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, hatten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Strukturdebatten über das Schulwesen führen zu wollen. Allerdings war der Druck zuletzt so groß geworden, dass sich dieser Friedensschluss nicht durchhalten ließ.

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Im Juni setzte die Landesregierung deshalb das Bürgerforum zur Zukunft des Gymnasiums ein. Die Beteiligten hätten "die Debatte auf ein breites Fundament gestellt", findet Kretschmann. Gleichzeitig drängt eine Elterninitiative, die eine Rückkehr zum G9 erzwingen will. Die Initiatoren haben einen entsprechenden Volksantrag eingereicht - mit mehr als 100 000 Unterschriften, nötig gewesen wären nur 39 000.

Im nächsten Schuljahr wird es wohl noch nichts

Zuletzt ließ auch Kretschmann, eigentlich ein Anhänger des G8, durchblicken, sich eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium vorstellen zu können. Am Dienstag ging er einen Schritt weiter: Baden-Württemberg bewege sich "in die Richtung eines neuen G9", sagte Kretschmann. Wie genau das Modell aussehen werde, wann die neue Schulform starten werde, was mit dem G8 geschehe, all das könne er noch nicht sagen. Die Koalition müsse einen "Prozess der Anhörung" starten, dabei sollen diverse Experten zu Wort kommen. Unter anderem müsse die Frage geklärt werden: "Wie wirkt sich das auf das Gesamtschulsystem aus?"

Das Kultusministerium werde bis Januar Vorschläge für den zeitlichen Ablauf erarbeiten, sagte Kretschmann. Nur eine Prognose wagte er am Dienstag: Er könne sich nur schwer vorstellen, dass das neue G9 schon zum nächsten Schuljahr kommt.

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